Dass der Teufel stets auf den größten Haufen macht, mag ein überstrapaziertes Vorurteil sein, aber manchmal trifft es zu. Wie etwa bei den europäischen Agrarsubventionen. Nach Informationen von stern.de profitieren von den so genannten Direktzahlungen aus dem EU-Agrarhaushalt vor allem die großen landwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland. Während Kleinbetriebe jährlich im Schnitt nur rund 5000 Euro pro Beschäftigten bekommen, greifen die Großbetriebe mehr als 16.000 Euro pro Mitarbeiter aus den Brüsseler Töpfen ab.
Was genau wird mit den Milliarden angestellt?
Nicht, dass dieses Missverhältnis an sich schon fragwürdig ist, in Deutschland ist es zudem weitgehend unmöglich herauszufinden, welcher Betrieb wie viel Geld aus dem mit 43 Milliarden Euro größten EU-Etatposten erhält. Und vor allem: was genau damit angestellt wird. Die neue "Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen" versucht nun, mehr Offenheit in die Subventionstransaktionen zu bringen.
In einigen europäischen Ländern ist deren Offenlegung schon einiger Zeit üblich: Schweden, Irland, Spanien etwa oder auch Großbritannien. Bis auf den Cent genau muss dort die staatliche Beihilfe aufgeschlüsselt werden. So erfährt der interessierte Bürger etwa, dass der britische Thronfolger und Bio-Bauer Prinz Charles 2004 für seine beiden Güter rund 990.000 Euro an EU-Geldern bezogen hat.
Subventitionen nicht grundsätzlich streichen
Der neuen Initiative, ein Zusammenschluss von 21 Nichtregierungsorganisationen, von Oxfam über Greenpeace bis zu "Brot für die Welt" und dem "World Wildlife Fund", geht es nach eigenen Angaben nicht darum, EU-Subventionen grundsätzlich zu streichen, sondern deren eigentliche Verwendung nachvollziehen zu können. Friedrich Wilhelm Graefe zu Bahringdorf von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, vermutet in nicht wenigen Fällen, dass die Agrargelder nicht nur zum Erhalt oder Ausbau der Höfe genutzt werden, sondern auch "zur persönlichen Bereicherung".
Einige Betriebe, so berichtet der Bauernfunktionär, würden mit fünf Angestellten bewirtschaftet, andere wiederum mit 50 - aus Brüssel jedoch würden sie bestenfalls Subventionen in ähnlicher Größenordnung bekommen. In der Regel aber gilt: Je größer und durchrationalisierter der Hof, desto mehr Unterstützung gibt es aus Brüssel. "Für die arbeitsintensive Landwirtschaft bedeutet das eine Wettbewerbsverzerrung", so Graefe zu Bahringdorf. Er fordert daher dass die Gelder an bestimmte Kriterien gebunden sein sollen, zum Beispiel an den sozialen und ökologischen Nutzen für die Gesellschaft.
Ein Verlierer der unfairen und undurchsichtigen Vergabepolitik ist die Umwelt. "Allein in Großbritannien werden jährlich 30 Millionen Euro dafür ausgegeben, Wasser von Nitraten zu säubern, die durch die Intensivlandwirtschaft großer Betriebe erst dort hinein gelangen", sagt Tanja Dräger de Teran vom WWF.
Unter dem Prinzip des großen Haufens leiden zudem die kleinen Landwirte in der EU und nicht nur sie, "sondern auch die Bauern in den Entwicklungsländern", klagt Marita Wiggerthale von der Hilfsorganisation Oxfam. Sie nämlich könnten nicht mit den Preisen der extrem billigen, weil subventionierten EU-Lebensmittel konkurrieren.
Profiteure der EU-Subventionsspolitik sind nach dem aktuellen Kenntnisstand nicht nur Großbetriebe, sondern auch Großkonzerne. So hat allein der Schweizer Agrarriese Nestlé 2003/2004 fast 44 Millionen Euro an EU-Geldern kassiert. Die grundsätzliche Verteilung der Agrar-Milliarden ist schon seit Jahrzehnten bekannt, sagt Graefe zu Bahringdorf, aber nun wolle man zumindest wissen, wer genau die größten Empfänger der Agrarförderungen sind.

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Deutscher Datenschutz verhindert Namensnennung
Das könnte sich wegen des strengen deutschen Datenschutzrechts allerdings als schwierig erweisen. Denn selbst wenn sich die Organisation mit ihren Forderungen durchsetzen sollte, was sich angesichts des Widerstands der Bauernlobby und der Bundeslandwirtschaftsministeriums noch hinziehen kann, darf keine Firma namentlich in irgendwelchen Listen auftauchen - einer der Hauptsorgen der Offenlegungsgegner. Stattdessen würden im besten Fall abgekürzte Betriebsnummern veröffentlicht.
Das aber ermögliche immerhin die grobe Zuordnung der Höfe, zum Beispiel nach Bundesländern, so Graefe zu Bahringdorf. Mit intensiverer Recherche sei es dann aber immerhin möglich, den einen oder anderen Subventionsprofiteur zu ermitteln, hofft er. Letztlich "geht es auch nicht darum, den einen oder anderen Betrieb an den Pranger zu stellen", so Sarah Kahnert von "Germanwatch", "sondern darum herauszufinden, wohin die Milliarden an Steuergelder fließen und wofür sie verwendet werden".