Große Koalition Alle gegen alle

Reformen machen keinen Spaß, schon gar nicht, wenn jeder ein Wörtchen mitreden will. Schäuble spricht von den "Mühen der Ebene", um die momentane Stimmung in der Regierung zu beschreiben.

In der großen Koalition gibt es Unstimmigkeiten über die Reformwilligkeit der Regierungspartner SPD und CDU/CSU. "Einige in der Union machen sich einen schlanken Fuß. Das darf nicht so weiter gehen", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Manch einer in CDU und CSU scheint noch nicht so ganz in der Regierung angekommen zu sein." CSU- Generalsekretär Markus Söder warf der SPD mangelnden Teamgeist vor. "Leider sagen die Sozialdemokraten zu oft 'Nein', anstatt neue Ideen konstruktiv voran zu bringen."

Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) will am Freitag in Berlin in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz zur Lage der Koalition Stellung nehmen. Der Arbeitsminister will sich auch zu den Streitigkeiten über die Hartz-IV-Gesetze am Arbeitsmarkt sowie zu anderen anstehenden Reformentscheidungen äußern.

"Die Mühen der Ebene"

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der Zeitung "Die Welt" über die Lage der Koalition: "Wir stecken gerade ein bisschen in den Mühen der Ebene. Das wirkt sich bei beiden Koalitionspartnern aus." Die SPD habe damit wahrscheinlich größere Probleme. "Aber auch bei uns, der Union, gibt es eine kritische Stimmung in der Fraktion und Teilen unserer Anhängerschaft. Manche sagen, dass die große Koalition noch nicht so viel Großes bewegt hat." Kritisch äußerte sich Schäuble über SPD-Chef Kurt Beck, der andere Koalitionen wie Rot-Gelb ins Spiel gebracht hatte. "Bereits nach einem halbem Jahr gemeinsamer Regierung Koalitionsdebatten zu führen, halte ich für falsch."

Heil rief die Union im "Focus" auf, Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel im Interesse der großen Koalition geschlossen zu unterstützen: "Ich erlebe jedoch, dass Frau Merkel, die pragmatisch mit uns zusammen arbeitet, immer wieder Querschüsse aus ihren eigenen Reihen bekommt - vor allem von den Ministerpräsidenten." Das "schlimmste Beispiel" sei der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), "der als stellvertretender CDU-Chef alles mit beschließt, aber in einer Tour gegen die Politik der eigenen Kanzlerin wettert - zum Beispiel in der Steuerpolitik".

Knackpunkt Gesundheitsreform

Söder sieht "erhebliche Differenzen" zwischen Union und SPD. "Die SPD tut sich häufig schwer, denn sie befindet sich in einem psychologischen Dilemma. Einerseits versucht sie, alte Projekte der rot-grünen Regierung zu verteidigen - zum Beispiel Hartz IV. Andererseits schielt die SPD mit ihrem linken Auge auf die unselige Allianz der Gewerkschaften und Linkspartei. Das macht die Zusammenarbeit manchmal schwierig. Hier braucht es noch mehr Teamgeist von der SPD." Unter anderem in der Gesundheitspolitik komme die SPD von "einer sehr starren, ideologischen Position".

DPA
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