Bei der Amtseinführung 2009 steht Guido Westerwelle mit stolzgeschwellter Brust vor seinen Mitarbeitern im Auswärtigen Amt, die ihm applaudieren. Er scheint selbstbewusst über den Dingen zu stehen.
Damals war Westerwelle im Zenit der Macht, doch anders als viele Vorgänger stieg er im Amt des Außenministers nicht zum beliebtesten Politiker Deutschlands auf. Mit der FDP ging es bergab. Und Westerwelle, der die Partei zuvor zum größten Erfolg ihrer Geschichte mit 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 geführt hatte, wurde zum Sündenbock gemacht.
Sündenbock Westerwelle
Im Mai wurde er nach zehn Jahren als FDP-Vorsitzender abgelöst. Mittlerweile kann der 49-Jährige auch nicht mehr sicher sein, bis 2013 als Chefdiplomat weitermachen zu dürfen. Der Grund: Sein Auftreten und Handeln in der Libyen-Krise. Am Sonntag sprach ihm die FDP-Führung noch einmal das Vertrauen aus, weil er zwar spät, aber immerhin dann doch noch lobende Worte für den Nato-Einsatz in Libyen gefunden hatte. Ein Treuebekenntnis von Dauer?
Nach dem Vormarsch der Rebellen auf die Hauptstadt Tripolis hatte Westerwelle diesen Erfolg auch als Verdienst Deutschlands beschrieben, das sich aber bei der UN-Resolution 1973 über einen Militäreinsatz enthalten hatte. Er zielte mit seiner Interpretation auf die von Deutschland gestützten Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime.
Parteigenossen apellieren an Westerwelle
Tagelang versuchten FDP-Chef Philipp Rösler und andere Liberale, Westerwelle ein Wort des Dankes an die Nato abzuringen. Vergeblich. Dann sah sich Rösler gezwungen, seinem Vorgänger eine Lektion zu erteilen: "Unser tiefer Respekt und unsere Dankbarkeit gelten auch unseren Verbündeten, die Gaddafis Mordeinheiten entscheidend in den Arm gefallen sind." FDP-Generalsekretär Christian Lindner betonte nicht minder deutlich: "Ich empfinde Respekt vor unseren Verbündeten, die Gaddafis Kriegsmaschinerie zerschlagen haben."
Am Wochenende stellte auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) klar: "Wir stehen fest zu unseren Verbündeten und zur Nato, für deren Einsatz ich tiefen Respekt habe." Und Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte im Deutschlandfunk, es könne nicht darum gehen, wer nun welchen Anteil am Sturz des Tyrannen von Tripolis habe. "Wir stehen jetzt nicht auf Platz 1 bei der Siegerehrung."

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Besonders pikant: Der FDP-Politiker Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, schrieb in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Wir haben allen Grund, unseren Partnern in der Nato zu dem Erfolg in Libyen zu gratulieren, der keineswegs selbstverständlich war."
Westerwelle gibt Druck nach
Angesichts dieser Druckkulisse sah sich Westerwelle genötigt, erstmals klar seinen "Respekt" für den Nato-Einsatz in Libyen zu artikulieren. "Wir sind froh, dass es den Libyern auch mit Hilfe des internationalen Militäreinsatzes gelungen ist, das Gaddafi-Regime zu stürzen", schrieb er in der "Welt am Sonntag". Dass er die Klarstellung damit verband, in einer Zeitung ein außenpolitisches "Grundsatzprogramm" zu skizzieren, ist interessant. Schließlich hatte Altkanzler Helmut Kohl (CDU) in der Woche darauf hingewiesen, er vermisse einen Kompass.
In der FDP ist die Wut groß. Gerade spürten die Liberalen einen kleinen Aufwärtstrend. Viele Briefe und Mails kamen im Berliner Thomas-Dehler-Haus an, die bei der Euro-Rettung den harten Kurs von Rösler gegen die Einführung gemeinsamer europäischer Staatsanleihen (Eurobonds) lobten. Dazu gibt es positive Signale in den Umfragen. Zumindest bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern darf die FDP wieder hoffen, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.
Sind aller guten Dinge am Ende drei?
Als umso ärgerlicher empfinden es viele Liberale, dass ausgerechnet Westerwelle in punkto Libyen die Partei außenpolitisch angreifbar macht. Aus dem Amt jagen aber will Rösler nach Darstellung seines Umfelds den Außenminister nicht. Es wäre die zweite Chance, die der erst 38 Jahre junge Parteichef verstreichen ließe.
Die erste hatte er im Frühjahr, als er seine Führungsmannschaft aufstellte und davor zurückschreckte, Westerwelle neben dem Vorsitz auch das Ministeramt zu nehmen. Damals hieß es, der Außenminister verdiene aufgrund seiner Verdienste für die Partei eine zweite Chance. Inzwischen lautet die Einschätzung: "Wir sind bereits im Bereich der dritten Chance."
Auch wenn Rösler es nicht forciert, könnte es für Westerwelle vielleicht noch eng werden. Ab Dienstag trifft sich die FDP-Fraktion zur Herbstklausur auf Schloss Bensberg bei Köln. Die Parteispitze will keinen "eruptiven Ausbruch", doch ein Misstrauensvotum der 93 Abgeordneten würde Westerwelle wohl kaum überstehen.
Gegen eine Ablösung spricht die Berliner Großwetterlage. Die FDP entscheidet zwar allein über ihre Minister. Doch die Kanzlerin dürfte kein Interesse daran haben, dass vor den Euro-Schicksalswochen der deutsche Chefdiplomat vom Hof gejagt wird.