Horst Seehofer in Berlin Berlin soll von Bayern lernen

  • von Sebastian Kemnitzer
Bei der Bundeswehrreform musste er eine herbe Niederlage einstecken. Seine Partei, die CSU, liegt nur noch bei mickrigen 38 Prozent. Und was macht Horst Seehofer? Stimmung!

In Bayern ist die Welt noch in Ordnung. Alles läuft rund im Freistaat. Kaum Kriminalität, die Wirtschaft brummt und die CSU regiert selbstherrlich mit einer absoluten Mehrheit. Halt! Spätestens hier taucht der erste Fehler auf. Seit 2008 regiert die CSU nicht mehr mit absoluter Mehrheit. Aktuell würde die Partei, der Horst Seehofer vorsteht, nur noch 38 Prozent der Stimmen bekommen. Blamabel. Horst Seehofer selbst gilt in der eigenen Partei als wankelmütig und sprunghaft, ist längst nicht mehr unumstritten. Doch für ihn scheint die Welt noch vollkommen in Ordnung zu sein. Jedenfalls vermittelt er dieses Bild bei der Hauptstadtrede mit dem Thema: "Berlin und wir. Was wir von der Hauptstadt erwarten."

Horst Seehofer redet 65 Minuten, strahlt immer wieder und gibt seine Tipps für Berlin. Kurz zusammengefasst: Berlin kann von Bayern so einiges lernen, insbesondere beim Thema Finanzen, aber eigentlich überall. Denn Bayern ist ein "5-Sterne-Land, bei dem alle Sternen leuchten", meint jedenfalls Horst Seehofer. Fast überall herrsche Vollbeschäftigung. Seine Bayern seien Tiefwurzler, natürlich trotzdem modern. "Auf welchen Kontinent ich auch komme, von China bis Afrika, die Bayern sind schon da." Entscheidend für Seehofer sind die christlichen Normen. Und Werte. Und Traditionen. Und die Liebe zum Vaterland. Das Ganze gipfelt nach knapp einer Stunde in dem Satz: "Treten Sie bitte ein in den Zug der Optimisten."

Horst Seehofer scheint auch seine eigene Position optimistisch zu sehen. Immer wieder nimmt er Bezug zu einem seiner Vorgänger, Franz Josef Strauß. Gleich zweimal zitiert ihn Horst Seehofer mit dem gleichen Satz: "Bayern ist unsere Heimat. Deutschland unser Vaterland. Europa unsere Zukunft." Großzügig, wie Horst Seehofer nun einmal ist, zitiert er auch noch den Preußen Otto Fürst von Bismarck. "Der Staatsmann muss die Dinge rechtzeitig herannahen sehen und sich darauf einrichten."

Ausländer sollen Deutsch lernen

Markige Worte findet Seehofer beim Thema Integration. Multi-Kulti sei eine Illusion, Migranten hätten eine Bringschuld, Deutsch zu lernen. Unter Rot-Grün sei das als Zwangsgermanisierung diffamiert worden. Toleranz dürfe insgesamt nicht mit falscher Anbiederung verwechselt werden. Bayern stehe demnach zu seinen Werten und akzeptiere keine Lehrerinnen mit Kopftuch. Auch muslimische Feiertage lehnt Horst Seehofer ab. Dagegen steht er eine "islamisch religiöse Unterweisung in deutscher Sprache". Das helfe gegen eine Verführung in den Hinterhöfen - wieder ein kleiner Seitenhieb auf Berlin.

Wer Horst Seehofer erlebt, könnte meinen, der Mann hat keine Probleme. Dabei musste er in Sachen Bundeswehrreform eine herbe Niederlage gegen den Politstar in den eigenen Reihen, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, einstecken. Horst Seehofer erwähnt Guttenberg in seiner Rede genau einmal, in einem Atemzug mit Angela Merkel. Außerdem sei der Wegfall der Wehrpflicht richtig. Komisch, das aus seinem Mund zu hören. Vor ein paar Wochen noch galt Horst Seehofer als glühender Verfechter eben jener Wehrpflicht.

Umfragen sind egal, jetzt wird gearbeitet

Zu den desaströsen Umfragen in Bayern äußerte sich Horst Seehofer mit keiner Silbe. Nur nach der Rede gab er noch ein kurzes Statement für die Presse ab. 38 Prozent? "Es gibt auch andere Umfragen" Was müsse jetzt geschehen? "Lasst uns mal bis Weihnachten arbeiten", fordert Seehofer und verschwindet. Vorbei das Gespräch. Generalsekretär Alexander Dobrindt lobt im Gespräch mit stern.de noch einmal brav seinen Chef. Er habe beeindruckend den Überbau herausgearbeitet. Fraglich aber, ob Horst Seehofer in Zukunft noch genügend Unterbau hat.

Sebastian Kemnitzer