Rund 100 Tarnfirmen sind nach Schätzungen von Sicherheitsbehörden in Deutschland mit illegalem Rüstungsexport in den Iran beschäftigt. Entsprechend äußerten sich der baden-württembergische Verfassungsschutzchef Johannes Schmalzl und der Präsident des Zollkriminalamts Köln, Karl-Heinz Matthias, in der ARD-Sendung "Report Mainz".
"Wir laufen der Entwicklung hinterher", sagte Schmalzl. "Wenn ich gesagt habe, 100 Tarnfirmen, dann können Sie sich vorstellen, wenn wir eine aufdecken und der Generalbundesanwalt klagt an, dann sind wir froh und klopfen uns auf die Schulter, aber 99 andere gehen weiter ihrem Geschäft nach", beklagte der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz in Stuttgart.
Raketen- und Flugzeugteile
Matthias sagte, derzeit seien zehn Ermittlungsverfahren anhängig. In vier Fällen gehe es dabei um konventionelle Rüstungsgüter, in den anderen um Teile für Raketen- und Nukleartechnologie. Erst vor vier Wochen waren im Auftrag von Generalbundesanwalt Kay Nehm Objekte in Frankfurt am Main und elf weiteren Orten in vier Bundesländern durchsucht worden. Nach Erkenntnissen des Magazins standen sie ebenfalls in Zusammenhang mit der illegalen Beschaffung von Raketen- und Flugzeugteilen für den Iran.
"Sollten das so stimmen, wäre ich empört", sagte der SPD-Rüstungsexperte und Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer gegenüber stern.de. Zu den konkreten Vorwürfen gegen deutsche Firmen wollte er sich jedoch nicht äußern.
Aus der Redaktion des Fernsehmagazins vorliegenden Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass das Verteidigungsministerium in Teheran, eine Organisation für militärische Raketentechnologie sowie der iranische Geheimdienst verdächtigt würden, diverse Aufträge erteilt zu haben. Ein seinerzeit in Frankfurt festgenommener mutmaßlicher Agent soll demnach hauptamtlicher Mitarbeiter einer iranischen Beschaffungsorganisation gewesen sein. Ihm habe wiederum eine in Ettlingen ansässige Firma die Möglichkeit verschafft, sich als ihr Angestellter auszugeben.
Auf der Wunschliste der zu beschaffenden Rüstungsgüter hätten unter anderem Ersatzteile für die Bewaffnung des iranischen Kampfflugzeugs amerikanischer Bauart vom Typ F14 "Tomcat" sowie eine Anlage zum Schweißen von Treibstofftanks für das Raketenprogramm Teherans gestanden. Weiter seien die Iraner an Nachtsichtgeräten und Notstromaggregaten interessiert gewesen.
Ersatzteilbeschaffung problematisch
Vor allem die Ersatzteilversorgung für die F14-Kampfflugzeuge stellt ein Problem für den Iran dar. Zwar haben die USA den F14-Bomber erst 2004 außer Dienst gestellt und für einen möglichen Weiterverkauf eingelagert, jedoch ist der Iran mit einem US-Embargo belegt. Das bedeutet, dass niemand straffrei Teile der Flieger oder sogar ganze Flugzeuge aufkaufen darf, um sie dann an den Iran weiter zu verkaufen.
Nach Experteneinschätzung gibt es zahlreiche mittelständische Rüstungsfirmen in Deutschland, an den Iraner beteiligt sind. Firmen, die das US-Embargo umgehen wollen, müssten die F14-Ersatzteile in anderen Ländern beschaffen und illegal über ein Drittland in den Iran transportieren. Ein solcher Handel könnte allerdings auch unbemerkt von amerikanischen oder internationalen Kontrollgremien stattfinden, weil die telefonischen Absprachen nicht offen, sondern über Codewörter getroffen werden.
Die iranische Waffentechnologie stammt zum Großteil aus den Siebziger Jahren, wie etwa die amerikanischen F14-Kampfflugzeuge. Seit den Neunziger Jahren kommen die Waffen für den Iran vor allem aus Russland und China, zum Teil aus iranischer Eigenproduktion.