Vielleicht wird es irgendwann einmal heißen, dass dies die Augenblicke waren, die den Ausschlag gegeben haben. Und vielleicht wird Armin Laschet irgendwann mit einer abgeklärten Milde auf diese Momente zurückblicken können, wenn die Zeit die nötige Distanz dafür geschaffen hat. Ganz gleich, wie das nun alles ausgehen mag.
Der Ausgang ist zwar noch offen, doch die nächsten Schritte sind klar definiert: Grünen und FDP wollen nach parteiinternen Beratungen in ein erstes Dreiergespräch mit der SPD gehen. Das teilten die Grünen-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck und anschließend FDP-Chef Christian Lindner am Dienstag mit. Ein Ampelbündnis unter SPD-Führung wird somit wahrscheinlicher – und eine Jamaika-Koalition, Laschets letzte Chance auf's Kanzleramt, zunehmend unrealistisch.
Nun waren die Umstände für ein Jamaika-Bündnis nie wirklich günstig. Die Union im Allgemeinen und Laschet als Kanzlerkandidat im Besonderen hatten als Wahlverlierer einen bescheidenen Führungsanspruch anzumelden. Nur echte Zuneigung vonseiten der Grünen und FDP würden die Koalition ermöglichen – und die wurde nun womöglich durch Indiskretion verspielt.
Die Suche nach dem Leck
"Schön ist es nicht" und "es nervt", sagte Laschet in den vergangenen Tagen dazu. Nun würde die Analyse auch andere Umstände treffend beschreiben, denen sich der ohnehin angezählte CDU-Parteichef derzeit ausgesetzt sieht – die demütigenden Worte, mit denen er aus den eigenen Reihen bedacht wird, würden zweifellos dazuzählen.
Doch Laschet, der auch um sein politisches Überleben kämpft, hatte ein anderes akutes Problem dazubekommen: einen Maulwurf, womöglich aus den eigenen Reihen. Sicher lässt sich das nicht sagen.
Wirklich belastbar ist hingegen, dass Durchstechereien aus den ersten Sondierungen – sowohl aus denen mit der FDP als auch den Grünen – die Gespräche, nun ja, schwer belastet haben. Beide Parteien zeigten sich angesichts der Indiskretion verärgert.
Vor den Gesprächen wurde absolute Vertraulichkeit vereinbart. Ein Desaster wie 2017 sollte sich nicht wiederholen, seinerzeit scheiterten die Jamaika-Gespräche. Auch, weil vertrauliche Informationen regelmäßig nach außen getragen wurden. "Vertrauen ineinander ist das wichtigste Kapital der Politik", gab FDP-Mitverhandler Marco Buschmann daher als Losung für den aktuellen Austausch aus.
Dass dennoch Details aus den ersten Sondierungstreffen an die Öffentlichkeit gelangten, nervte daher nicht nur Laschet. Ganz gleich, wer diese durchgestochen hat: Das Leck ist ein Beweis dafür, dass jemand die Vertraulichkeit gebrochen hat. Noch schwerwiegender ist womöglich, wo das Leck vermutet wird.
Sowohl Politiker von Grünen als auch FDP verorteten es offenkundig bei der Union. "Es gab vergangenes Wochenende drei Sondierungsgespräche, an denen ich für die FDP auch teilgenommen habe. Aus zweien liest und hört man nix. Aus einem werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union - und es nervt!", twitterte zunächst FDP-Vize Johannes Vogel. Einen Tag später äußerte sich auch Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der den Tweet praktisch reproduzierte. Auch er wählte die Worte: "Das fällt auf, liebe Union – und es nervt". Und dankte Vogel "für die Vorlage".
Es ist nicht geklärt, in welcher Partei geplaudert wurde – doch die Union wird unter Verdacht gestellt. Warum? Auch darüber lässt sich nur spekulieren. Allerdings lässt der formulierte Argwohn von Grünen und FDP möglicherweise auch Rückschlüsse darauf zu, wie dort die Verfassung der Schwesterparteien bewertet werden könnte.
Abschied, leichter gemacht?
CDU und CSU wirken derzeit nicht geschlossen. Unlängst ist eine Debatte über Kurs und Personal entbrannt. Eine unübersichtliche Gemengelage, die Laschet kaum noch im Griff hat. Allein: In den eigenen Reihen wird schon über die Zeit nach ihm diskutiert, so der Eindruck – es kursieren offenbar "Putschpläne in der CDU", wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtete. Dabei ist Laschet, nach allem, was man weiß, immer noch CDU-Parteichef mit (wenn auch geringen) Chancen aufs Kanzleramt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wäre es für Grüne und FDP opportun, einen geschwächten Parteichef (und abgestraften Spitzenkandidaten) ins Kanzleramt zu befördern? Das müsste immerhin auch den eigenen Wähler:innen als gewinnbringend vermittelt werden.
Insofern könnte die Plauderei, woher sie auch kam, der FDP sogar geholfen haben: Die Liberalen betonten immer wieder, ein Jamaika-Bündnis angesichts größerer Schnittmengen mit der Union zu favorisieren. Auch die eigenen Anhänger:innen wünschten sich mehrheitlich ein Bündnis mit der Union statt SPD. Die FDP könnte bei einem Abschied von Jamaika nun argumentieren, dass die Vertrauensbasis für ein solches Bündnis fehle – die Liberalen stünden nicht als Sündenböcke da, wie es etwa 2017 der Fall war, als man die Sondierungsgespräche beendete.
Welche Rolle die Indiskretionen für die Entscheidung von Grünen und FDP gespielt haben? Dazu hielten sich die Parteivorsitzenden am Dienstag weitestgehend bedeckt. "Vertrauen bedeutet natürlich auch, dass nicht alles danach in der Zeitung steht", sagte etwa Grünen-Co-Chefin Baerbock. "Aber wir vergeben keine Haltungsnoten, weder für uns noch für andere." FDP-Chef Lindner antwortete später: "Die haben wir zur Kenntnis genommen."