Er hat einen Aufstieg geschafft, wie er steiler kaum geht. Erst einer der jüngsten Uni-Rektoren Deutschlands, keine vier Wochen später Verfassungsrichter - und nun Präsident des höchsten deutschen Gerichts. Als Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wird der Freiburger Staatsrechtsprofessor Andreas Voßkuhle das Amt von Hans-Jürgen Papier übernehmen, der mit 66 Jahren ausscheidet. Zu Kopf gestiegen ist dem 46-jährigen Voßkuhle diese Karriere bislang nicht: der groß gewachsene Mann mit dem jungenhaften Lächeln gilt als unkompliziert und ist bei Kollegen und Mitarbeitern beliebt.
Sein Lebenslauf weist den in Detmold geborenen Voßkuhle als zielstrebigen Spitzenjuristen aus. Seine wissenschaftlichen Arbeiten - er hat in Bayreuth und München studiert - wurden mit Auszeichnungen bedacht. 1995 ging er als Referent ins bayerische Innenministerium, 1998 wechselte er an die Freiburger Universität. Dort wurde er ein Jahr später zum Direktor des Instituts für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie berufen.
2007 wurde der parteilose Jurist, der sich eigenen Angaben zufolge "der Sozialdemokratie nahe" fühlt, zum Rektor der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg gewählt. Voßkuhle trat den Posten am 1. April 2008 an. Nur wenig später wurde der selbstbewusste, aber in keiner Weise eingebildete Jurist in das höchste Richteramt gewählt. Der Wahl vorausgegangen waren monatelange Querelen, weil die CDU/CSU den eigentlichen Wunschkandidaten der SPD, den Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier, ablehnte. Ersatzkandidat Voßkuhle erhielt die nötige Zweidrittelmehrheit.
Bei den Verhandlungen in Karlsruhe fiel der Vorsitzende des Zweiten Senats bislang durch eine straffe Verhandlungsführung auf. Werden die Ausführungen der Prozessbeteiligten zu lang, greift er durchaus ein. Bei den internen Beratungen wird ihm Ausgewogenheit und Verhandlungsgeschick nachgesagt.
Voßkuhles Schwerpunkte liegen im Verwaltungs- und im Umweltrecht, aber er hat sich in zahlreichen Veröffentlichungen auch bei anderen Themen einen Namen gemacht. Seine Dissertation trug den provokanten Titel "Rechtsschutz gegen den Richter". Dass er auch in Karlsruhe Kritik nicht scheut, wurde durch das umstrittene "Lissabon-Urteil" zur Verfassungsmäßigkeit des EU-Reformvertrages deutlich.
Der gebürtige Westfale ist mit einer Richterin verheiratet und hat keine Kinder. Privat schätzt er Opern und Kunstausstellungen. Abstand vom Tag versucht der Jurist, der eine markante Horn-Brille trägt, am Abend mit leichter literarischer Kost zu finden.