K-FRAGE Westerwelle tritt als Kanzlerkandidat an

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle will seine Partei als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf führen. Das Führungsgremium unterstützte den Parteichef einstimmig in dem Vorhaben.

Genscher fordert Westerwelle zur Kanzlerkandidatur auf

Der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher hat seinen Nachfolger Guido Westerwelle als Kanzlerkandidat der Freien Demokraten vorgeschlagen. In einer mit Ovationen aufgenommenen Rede kurz vor Ende des dreitägigen Parteitages im Mannheimer Rosengarten sagte er heute, die Freidemokraten träten an, Deutschland zu erneuern und Europa als »unsere gemeinsame Zukunft« zu einen. Westerwelle sei »ein Mann der Zukunft«. Es sei kein Nachteil, dass er jünger als seine Gegenspieler von SPD und CDU/CSU sei.

Genscher verlas den am Morgen gefassten einstimmig beschlossenen Antrag des Parteivorstandes. Danach möge der Bundesparteitag beschließen, als »Partei für das ganze Volk«, unabhängig, ohne Koalitionsaussage und mit einem eigenen Kanzlerkandidaten in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Der Parteitag sollte nach der Abschlussrede Westerwelles, die in unmittelbarem Anschluss aufgerufen wurde, darüber abstimmen.

In seiner mit Ovationen aufgenommene Rede hatte Genscher zuvor erklärt, Deutschland brauche den Aufbruch zu neuen Ufern. Es gebe eine Suche nach geistiger Orientierung. SPD und Union bekämen immer mehr zu spüren, dass »die Zeit geistiger Traditionskompanien zu Ende« gehe. Die großen Parteien versuchten nun, sich mit der Personalisierung des Wahlkampfes in das Muster von Präsidentschaftswahlkämpfen nach amerikanischem oder französischem Vorbild zu retten.

Jede Partei habe das legitime Recht, sich für eine Person zu entscheiden, die sie für den besten Bundeskanzler halte. Er fügte hinzu: »Aber wo steht geschrieben, dass dieses Recht nur CDU/CSU und den Sozialdemokraten zusteht?« Mit der Benennung Westerwelles als ebenbürtiger Bewerber nehme die FDP die Herausforderung der anderen Parteien an.

Bundesvorstand nominiert den FDP-Chef einstimmig als Kanzlerkandidaten

Seinen Entschluss gab Guido Westerwelle heute auf einer Sondersitzung des FDP-Bundesvorstands in Mannheim bekannt. Das Führungsgremium unterstützte den Parteichef einstimmig in dem Vorhaben, wie Parteisprecher Martin Kothe bekannt gab. Der Bundesparteitag der Liberalen wurde unterdessen mit der Beratung des außenpolitischen Teils für das Bundestagswahlprogramm fortgesetzt.

In dem Beschluss des FDP-Vorstands vom Morgen heißt es: »Als Partei für das ganze Volk treten wir mit einem eigenen Kanzlerkandidaten an.« Die FDP wolle die Bundestagswahl am 22. September mit Guido Westerwelle zum Erfolg für Deutschland machen. Nach den Worten Kothes hat der FDP-Chef den Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher gebeten, ihn dem Parteitag als Kanzlerkandidaten vorzuschlagen. Genscher habe sich dazu bereit erklärt und wolle heute um 11.00 Uhr vor die Delegierten treten. Nach der darauf folgenden Schlussrede Westerwelles werde der Parteitag dann am Mittag über die Kanzlerkandidatur abstimmen.

Situation hat sich geändert

Auf dem letzten FDP-Parteitag vor einem Jahr in Düsseldorf hatte Westerwelle die Benennung eines eigenen Kanzlerkandidaten der FDP noch entschieden abgelehnt und sich in einer Kampfabstimmung gegen einen entsprechenden Vorschlag seines Stellvertreters Jürgen Möllemann durchgesetzt. Inzwischen sei die Situation aber eine andere, sagten er und andere führende FDP-Politiker vor allem nach dem Wahlerfolg von Sachsen-Anhalt, wo die Liberalen am 21. April auf 13,3 Prozent gekommen waren. Auch Möllemann hatte Westerwelle am Samstag auf dem Parteitag ausdrücklich zur Kandidatur ermuntert und ihm dafür jedwede Unterstützung angeboten. Eine Rivalität zwischen ihm und dem Parteichef gebe es nicht mehr, er wolle »Kurfürst Guido dienen«, sagte Möllemann.

Heute setzte der Parteitag die Beratung des Bundestagswahlprogramms fort. Dessen außenpolitischer Teil wurde ohne Änderungen einstimmig verabschiedet. Bereits am Samstag hatten die mehr als 600 Delegierten die Abschnitte zur Wirtschafts-, Familien-, Bildungs-, Verkehrs- sowie der Innen- und Rechtspolitik beschlossen. Nach einer persönlichen Intervention Westerwelles fand ein Antrag eine große Mehrheit, wonach der große Lauschangriff von der Partei kritisch begleitet und die Informationspflicht über die Abhörpraxis verbessert werden soll. Damit wurde die von einem Arbeitskreis empfohlene Abkehr der FDP vom großen Lauschangriff abgelehnt. Vor einem derartigen Schwenk um 180 Grad hatte Westerwelle ausdrücklich gewarnt.