Koalitionsausschuss Zaudern, zögern - Chance vertan

  • von Hans Peter Schütz
Anstatt Entscheidungen zu Rente, Strompreis und Betreuungsgeld zu treffen, gründete der Koalitionsausschuss Arbeitsgruppen und vertagte sich. Die Koalition sollte sich lieber in Gänze vertagen,

Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler könnte die Worte, die er vor drei Monaten gesprochen hat, locker wiederholen. Damals hatte der schwarz-gelbe Koalitionsausschuss das letzte Mal getagt. Und anschließend tönte er von einem "Signal der Handlungsfähigkeit" des Regierungsbündnisses von Union und FDP. Nach dem jüngsten Treffen der Koalition sollte er schlicht und einfach von einem "Signal der Handlungsunfähigkeit" sprechen.

Denn herausgekommen ist beim Koalitionstreffen am Freitagabend wenig. Dass die schwarz-gelbe Koalition sich auf den 22. September als Tag der Bundestagswahl festgelegt hat, widerspricht der koalitionspolitischen Null-Bilanz nicht. Die Bayern hatten sich schließlich festgelegt, eine Woche zuvor zu ihrer Landtagswahl zu bitten. Da gab es keinen Spielraum mehr.

Große Ankündigungen, keine Taten

Mit welchen politischen Inhalten, Themen oder gar Entscheidungen die neun Monate bis dahin konkret gefüllt werden könnten, darüber wussten die Spitzenmänner der schwarz-gelben Koalition nichts mitzuteilen. Mehr noch: Aus den Ankündigungen von vor drei Monaten, was noch vor dem Ende der Legislaturperiode zu regeln sei, ist definitiv nichts geworden. Es sollte schließlich über Mindestlöhne und Rentenprobleme geredet und entschieden werden, über Altersarmut und Lebensleistungsrente - geschehen ist nichts.

Auch über den alle Bürger betreffenden Vorstoß von Bundesumweltminister Peter Altmaier zum Thema Strompreise scheint es keine Einigkeit gegeben zu haben. Er wurde beauftragt, intensive Gespräche mit Wirtschaftsminister Rösler zu führen. Mit welchem Ziel? Unbekannt.

Gründen wir eine Arbeitsgruppe

So bleibt die Frage: Weshalb hocken diese Koalitionäre eigentlich überhaupt zusammen, wenn sie sich nichts mehr zu sagen haben? Es geht schließlich bis zur Bundestagswahl um Probleme, welche uns Bürger erheblich belasten könnten. Sollen wir bei den Strompreisen weiter zum Vorteil der Großindustrie so abgezockt werden, wie dies im derzeit geltenden Gesetz vorgesehen ist? Wie steht es um die sozialpolitisch absolut gerechtfertigte Frage, ob nicht die Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bei der Rente besser zu stellen sind? Sie werden eindeutig benachteiligt, weil sie nur ein Erziehungsjahr angerechnet bekommen. Seit langem hatte die CDU angekündigt, diese Ungerechtigkeit "schrittweise" zu beseitigen. Und jetzt? Man gründet eine Arbeitsgruppe. Das heißt: vertagt, vertagt. Auch über die letztlich unbezahlbare, systemwidrige Lebensleistungsrente der Ministerin von der Leyen gab es wieder keine Entscheidung.

Es offenbart sich, was der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler schon unmittelbar nach der Niedersachsenpleite der CDU in seiner wie immer unmissverständlichen Sprache ausgesprochen hat: "Die schwarz-gelbe Koalition ist ein tot gerittenes Pferd." Tatsache ist, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel sich nicht länger damit rühmen sollte, die derzeitige Regierung sei die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung.

Koalition sollte sich selbst vertagen

Die Wahrheit ist: Die Republik steht vor zentralen sozialen und wirtschaftspolitischen Fragen, die mit der rundum angeschlagenen FDP als Partner offenbar nicht zu lösen sind. Und nicht mit einer Kanzlerin, die sich scheut, in der deutschen Innenpolitik klare Positionen zu beziehen und durchzusetzen. Und die schon gar nicht von einer Koalition zu lösen sind, die glaubt, ein ganzes Jahr Regierungsunfähigkeit werde den Wählern und der Republik schon nicht schlecht bekommen. Vertagen – das kann diese Koalition. Sie sollte sich jedoch am Ende selbst vertagen.

Mit den 120 Millionen Euro, die von der Koalition für die Versorgung von Contergan-Opfern bereitgestellt wurden, kann man sich kein besseres politisches Zeugnis kaufen.