Ich war auf der Demonstration der Normalbürger und Langweiler. Im Schutz der einsetzenden Dunkelheit hatten sich mit mir ungefähr 300 Menschen auf die Straße gewagt. Es wurden Lieder gesungen und Leuchtmittel eingesetzt. Die Polizei sorgte für einen geordneten Ablauf und sperrte die Straßen entlang der Demo-Strecke. Ein berittener Soldat führte den Zug an. Zu Handgreiflichkeiten kam es nicht.
Dicht an dicht waren hier Menschen unterwegs, die sonst nur selten auf Demos unterwegs sind. Die Gespräche drehten sich ausnahmsweise mal nicht um die Sondierungsgespräche der Ampel-Koalition oder Gendersprache, sondern darum, dass es morgens so spät hell wird – und abends so schnell wieder dunkel.
Menschen halten sich an Regeln, weil es das Leben erleichtert
Bei der stimmungsvollen Abschlusskundgebung vor einer Kirche gab es Gebäck, das geteilt werden sollte. Alles coronagerecht natürlich. Während der Ansprache wurden die leisen Gespräche eingestellt. Man war aufmerksam. Es war eine Demo der Menschen, die sich an Regeln halten. Weil sie wissen, dass Regeln das ganz normale Leben erleichtern. Wenn sich jeder dran hält.
Es ist eigentlich ein Wunder, dass noch niemand meiner Mitdemonstranten und mich für die steigenden Corona-Zahlen verantwortlich gemacht hat. Bis jetzt haben wir ja schon einige Schuldige identifiziert: Skifahrer, Partygänger, Spaziergänger, Picknicker, Glühweintrinker, Mallorca-Urlauber, Parkbank-Sitzer, Ungeimpfte und neuerdings die Karnevalisten.

Frank Schmiechen
Seit mehr als 30 Jahren ist Frank Schmiechen Journalist. Unter anderem war er stellvertretender Chefredakteur der "Welt" und Chefredakteur von "Gründerszene". Heute arbeitet er als Senior Advisor bei der Kommunikationsberatungsagentur WMP Eurocom. Schmiechen liebt Popmusik und Fußball.
Auf meiner Demo ging man mit Maske, Abstände wurden so gut wie es ging eingehalten. Hier waren Menschen unterwegs, die Verantwortung für sich selbst und für ihre Familien übernehmen. Wahrscheinlich war sogar das Pferd an der Spitze des Zuges geimpft, geboostert und getestet.
Und dann erklang die eingängige Parole der Demo ein letztes Mal: "Ich gehe mit meiner Laterne. Und meine Laterne mit mir. Da oben leuchten die Sterne. Und unten leuchten wir." Das sind einfache Wahrheiten. Immer wieder überzeugend und nachvollziehbar. Und wie es sich gehört leuchteten dazu die Kinderaugen, in denen sich das elektrische Licht ihrer Laternen spiegelte.
Aus Sicherheitsgründen gibt es schon lange keine echten Kerzen mehr.