Für Befürworter:innen des Rechts auf Abtreibung ist die Freude groß. Die künftige Ampel-Koalition kündigte an, das viel kritisierte Informations- und Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abzuschaffen. "Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen", heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Der entsprechende Paragraf 219a soll aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.
Laura Sophie Dornheim, 37, arbeitet als Managerin in einem Software-Unternehmen und ist Bundestagskandidatin der Grünen. Anlässlich des 50-jährigen "Wir haben Abgetrieben"-Jubiläums erzählte Dornheim dem stern ihre eigene Geschichte. Wie geht es ihr am Tag nach der Ampel-Verkündung?
Frau Dornheim, Sie setzen sich schon lange für das Recht auf Abtreibungen ein. Was war ihre erste Reaktion, als Sie am Mittwoch von der Streichung von 219a erfahren haben?
Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut. Allerdings wäre alles andere auch eine grobe Enttäuschung gewesen, weil sich das alle verhandelnden Parteien ins Programm geschrieben haben. Trotzdem eine sehr, sehr gute Nachricht und ein weiterer wichtiger Schritt, um das Thema zu enttabuisieren
Sie selbst haben schon einmal abgetrieben und dem stern damals erzählt, dass das Schlimmste daran der "behördliche Spießrutenlauf" war. Was bedeutet die Gesetzesänderung für Sie persönlich?
Für alle, die in diese Situation kommen, ist das eine große Erleichterung, weil man sich dann endlich über die gewohnten Wege über einen Abbruch informieren kann. Wenn man nicht schon selbst in der Situation gesteckt hat, kann man das gar nicht glauben, dass man für diesen medizinisch extrem häufigen Eingriff bislang im Zweifelsfall auf Informationen von nicht seriösen Quellen zurückgreifen musste. In meiner Frauenarztpraxis zum Beispiel, von der ich weiß, dass sie Abbrüche durchführt, liegen dazu keine Informationsblätter aus. Das ist total unfassbar!
Neben der Streichung von 219a sollen unter anderem Krankenkassen künftig Abbrüche übernehmen, für sogenannte Gehsteigbelästigungen soll es gesetzliche Maßnahmen geben und auch die ärztliche Ausbildung soll verbessert werden. Welcher der Aspekte ist für Sie am wichtigsten?
Die Übernahme durch die Krankenkassen ist wahnsinnig wichtig, weil das zur Normalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen beiträgt und zeigt, dass diese Teil der Gesundheitsversorgung sind. Es kann doch nicht sein, dass bei einem der häufigsten gynäkologischen Eingriffe, Menschen, die weniger verdienen, noch ein extra Behördenmarathon auferlegt wird. Denn bislang ist es so, dass man nicht nur darum betteln muss, dass man den Abbruch durchführen darf, sondern auch nachweisen muss, dass man unter die Einkommensgrenze fällt, damit die Kosten übernommen werden. Und auch für diejenigen, die den Abbruch selbst zahlen können, ist das nochmal eine Bestrafung on top.
Am allerwichtigsten finde ich jedoch, dass der Paragraf 218 von einer Kommission überprüft werden soll. Denn dieser Paragraf, der Abbrüche im Strafgesetzbuch verankert, ist für mich nach wie vor die Wurzel allen Übels. Deswegen bin ich extrem froh, dass dieser Schritt gegangen wird.
Sie twitterten bereits "Tschüss §218. (Langsam aber sicher.)". Was würde die Abschaffung konkret bedeuten?
Die Streichung von §218 würde die endgültige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bedeuten und damit auch die Selbstbestimmtheit legalisieren. Im Gegensatz zur aktuellen Gesetzeslage, wonach Schwangere, die einen Abbruch wollen sowie Ärzt:innen, die diesen durchführen, sich de facto zu Straftäter:innen machen. Das ist so aus der Zeit gefallen und absolut ungerecht!
Diesen Paragrafen loszuwerden wäre also ein längst überfälliger Schritt und ein wahnsinnig wichtiges Zeichen für echte Gleichberechtigung. Schon Ruth Bader Ginsburg wusste, dass so lange Schwangere nicht selbst über ihren Körper entscheiden können, man nicht von echter Gleichberechtigung sprechen kann.
Wie realistisch ist ein baldiges Aus für Paragraf 218? Rechnen Sie in den nächsten vier Ampel-Jahren damit?
Natürlich hätte ich mir schon hier im Koalitionsvertrag eine klarere Aussage gewünscht. So wie ich das lese, wollen zwei Parteien den Paragrafen abschaffen – die dritte setzt sich nur bedingt dafür ein. Trotzdem bin ich was die Kommission angeht optimistisch und glaube, das Ende von §218 war noch nie so nah wie jetzt.
Allerdings sehe ich es noch lange nicht als gesetzt, das wird von der Arbeitsweise und auch der Gestaltung der Kommission abhängen. Deswegen wird umso wichtiger sein, zu verfolgen, ob sich diese aus medizinischen Fachpersonen, Menschen aus der Zivilgesellschaft und möglicherweise auch Stimmen von Betroffenen zusammensetzen wird, sodass eine objektive Basis besteht.
Es gibt also noch viel zu tun, aber trotzdem war das am Mittwoch ein schöner Etappensieg.