In Lützerath ist die Stimmung aufgeheizt. Die Polizei hat damit begonnen, das von Klimaaktivisten besetzte Dorf im rheinischen Braunkohlerevier für die geplante Räumung zu umstellen. Wie das zuständige Polizeipräsidium Aachen bei Twitter schrieb, ist mit dem Umstellen der Ortslage Lützerath am Mittwochvormittag begonnen worden. Der Aachener Polizeipräsident hatte zuvor dem Sender radioeins des Rundfunks Berlin-Brandenburg gesagt, der Räumungseinsatz stehe unmittelbar bevor.
Am Mittwochmorgen schallten Sirenen und Alarmglocken durch den besetzten Ort. "Wir glauben, dass es gleich losgeht, weil hier viele Polizeiwagen langgefahren sind", sagte eine Sprecherin der Aktivisten. "Durch den Tagebau fährt eine nicht endende Kette von Polizeiwagen", hieß es im Telegram-Kanal "Lützerath Lebt! Infokanal".
Räumung durch Polizei kann bis zu vier Wochen dauern
Die bevorstehende Räumung des Protestdorfs ist nach Einschätzung von Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach einer der herausforderndesten Einsätze der letzten Jahre. Die Polizei erhält dafür Unterstützung aus dem ganzen Bundesgebiet. "Wir planen mit bis zu vier Wochen, hoffen aber, dass es nicht ganz so lange dauert", sagte Weinspach am Dienstagabend.
Lützerath ist ein Ortsteil der 43.000-Einwohner-Stadt im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der inmitten von Feldern gelegenen Weiler befindet sich inzwischen unmittelbar an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler. Die darunter liegende Kohle soll zur Stromgewinnung gefördert werden.
Bei einer Informationsveranstaltung über den Einsatz in Erkelenz meldeten sich am Dienstagabend unter den rund 300 Teilnehmern vor allem Vertreter örtlicher Klimaschutz-Initiativen, die den Tagebau strikt ablehnen. Sie forderten angesichts des bevorstehenden Räumungsbeginns ein Moratorium und zogen die Gutachten in Zweifel, auf die sich die Inanspruchnahme des Ortes für den Braunkohletagebau stützt. Anwohner der Nachbardörfer beschwerten sich über Hubschrauber der Polizei, die dicht über ihre Häuser flogen. Auch das Auftreten eines privaten Sicherheitsdienstes wurde kritisiert.
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NRW-Innenminister Herbert Reul: "Ich mache mir auch ständig Gedanken um die Sicherheit unserer Beamten"
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sorgte sich vorab um die Sicherheit der Einsatzkräfte. "Wir haben in Lützerath einen gewissen Anteil an gewaltbereiten Aktivisten. Ihre Anzahl schwankt aktuell täglich", sagte Reul der "Rheinischen Post". "Daher ist ein solcher Einsatz für die Polizei immer gefährlich, und ich mache mir auch ständig Gedanken um die Sicherheit unserer Beamten." Die Einsatzkräfte seien aber gut geschult und ausgebildet. Logistisch und personell sei die Polizei gut vorbereitet.
Er führte aus: "Wir wissen nicht, was die Polizistinnen und Polizisten in den Häusern in Lützerath erwartet. Gibt es Fallen oder andere Barrikaden, die wir von außen nicht sehen? Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen sich den Einsatzkräften in den Weg stellen werden." Reul fügte hinzu: "Vorsicht ist das Gebot dieser Tage."
Lützerather Gelände und Gebäude gehören RWE
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt mahnte einen friedlichen Protest an. Dieser dürfe sich "durch unbedachte Aktionen nicht delegitimieren", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zugleich verteidigte sie die Beharrlichkeit der Klimaaktivisten. "Die Protestierenden in Lützerath oder auf den Straßen als Verrückte zu brandmarken, sie zu Kriminellen zu machen, ist inakzeptabel."
Die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land NRW haben mit dem Energiekonzern RWE einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg vereinbart. Außerdem sollen fünf bereits weitgehend leerstehende Dörfer am Tagebau Garzweiler in der Nachbarschaft von Lützerath erhalten werden. Der kleine Ort Lützerath an der Kante des Tagebaus darf abgebaggert werden. Gelände und Häuser gehören seit langem RWE. Die juristischen Auseinandersetzungen sind in letzter Instanz geklärt.
Wegen der derzeitigen Energiekrise wurde die Stromerzeugung mit Braunkohle für das europäische Stromnetz zuletzt wieder ausgeweitet. Im Rheinland gibt es mit Hambach und Inden zwei weitere Braunkohletagebaue.
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