Wie schlecht es um die Ausrüstung der Bundeswehr derzeit steht, wird in dem Jahresbericht der Wehrbeauftragten Eva Högl mehr als deutlich. Der Bericht war bereits im März vorgestellt worden und wurde am Freitag im Bundestag diskutiert. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte angesichts der neuen Erkenntnisse, die massiv gewachsene Dringlichkeit hinreichender Fähigkeiten zur Landesverteidigung. "Es war noch nie so wichtig, in der Geschichte unseres wiedervereinten Landes, wehrhaft zu sein", hob sie in der anschließenden Debatte hervor.
"Handeln ist gefragt, mehr denn je", sagte Lambrecht. "Wir sehen jeden Tag die Grausamkeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und wir können heute noch nicht sagen, wie weit Putin seinen Großmachtswahn treibt", begründete dies die Ministerin. Auch andere Politikerinnen und Politiker verwiesen auf die massiven Ausrüstungsmängel bei der Truppe.
Wehrbeauftragte: "Bündnis- und Landesverteidigung werde jetzt konkret"
Für die schnelle Modernisierung der Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro Sondervermögen müssen nach Einschätzung der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) die gesamten Verwaltungsverfahren gestrafft werden. "Priorität sollte vor allem die persönliche Ausstattung sein. Helme, Schutzwesten, Bekleidung, Rucksäcke", sagte Högl im Bundestag. Die dafür bereitgestellten 2,4 Milliarden Euro müssten schnell und vollständig in der Truppe ankommen. "Auch die 100 Milliarden Euro können nicht in den hergebrachten Verfahren ausgegeben werden. Das Vergaberecht muss vereinfacht werden. Und wir brauchen in der Bundeswehr weniger Bürokratie."
Ihr Jahresbericht war im März vorgestellt worden und listet Probleme in den Streitkräften auf. So bezeichnet Högl Mängel und materielle Defizite bei den Einsätzen im Ausland als "alarmierend". "Die Einsatzbereitschaft von Großgeräten betrug teilweise nur knapp 50 Prozent. Alltägliche Ausrüstungsgegenstände wie Schutzwesten oder Winterjacken wurden mitunter erst in das Einsatzgebiet nachgeschickt." Im Grundbetrieb – also dem Dienst in Deutschland – sehe es nicht anders aus. Vom Anspruch "Train as you fight" ("Trainiere wie du kämpfst") sei die Bundeswehr weit entfernt.
Högl begrüßte am Freitag verstärkte Bemühungen um die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. "Der entsetzliche Krieg in der Ukraine verändert alles. Für die Soldatinnen und Soldaten bedeutet es, dass es ernst werden kann, dass es schnell gehen muss und dass sie immer einsatzbereit sein müssen", sagte sie. Die Bündnis- und Landesverteidigung werde jetzt konkret", sagte Högl. Es werde deutlich, wofür Deutschland die Bundeswehr brauchen. "Unsere Soldatinnen und Soldaten verteidigen Frieden, Freiheit, Demokratie und Sicherheit."
Lambrecht wirbt für Bundeswehr-Sondervermögen
"Wir brauchen eine voll ausgestattete und einsatzbereite Bundeswehr, die uns und unsere Bündnispartner schützt", stellte auch Verteidigungsministerin Lambrecht klar. Es sei daher gut und wichtig, dass der Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) die bestehenden Mängel offenlege. Man müsse "wissen, wo es hakt", um gegensteuern zu können. Es bestehe ein massiver Investitionsbedarf, von der persönlichen Ausstattung bis hin zum Großgerät oder der Infrastruktur, räumte die Ministerin ein.
Sie warb erneut um Unterstützung für das geplante Bundeswehr-Sondervermögen, denn "wir sind nach Jahren des Mangels auf diesen Booster dringend angewiesen, um die Einsatzfähigkeit schnell zu erhöhen". Die gelte für die beschlossene Neuausstattung der Soldatinnen und Soldaten mit persönlicher Schutzausstattung bis 2025, für die 2,4 Milliarden Euro eingeplant sind, ebenso wie für den Kauf bewaffneter Drohnen, US-Kampfflugzeugen des Typs F-35 sowie die Anschaffung schwerer Transporthubschrauber.
Die CDU-Fachpolitikerin Kerstin Vieregge sagte, angesichts der neuen Sicherheitslage benötige eine einsatzbereite und "kaltstartfähige" Bundeswehr nicht nur modernere Ausstattung. Wenn jetzt mehr von den Soldaten verlangt werde, sei es auch unabdingbar, bessere soziale Rahmenbedingungen etwa für Familien zu schaffen. Nach bisherigen meist planbaren Auslandseinsätzen rede man nun auch über kurzfristige Verlegungen Tausender Soldaten. Betreuungsangebote seien gut, aber nicht für solche Größenordnungen angelegt. Vieregge betonte, es brauche dauerhaft mehr Mittel für den Verteidigungsetat über das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden Euro hinaus.
Auch die CDU-Politikerin Serap Güler mahnte an, Deutschland müsse zusätzlich zu dem geplanten Sondervermögen dauerhaft mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Haushalt für die Bundeswehr bereitstellen und dafür den regulären Verteidigungsetat deutlich erhöhen. "Das Geld wird dringend gebraucht", hob sie hervor.