Der Krieg in der Ukraine geht weiter, und es ist noch lange kein Ende in Sicht. Besonders in der Ostukraine sei die Lage sehr schwierig, wie Präsident Selenskyj zuletzt sagte. Unterdessen wächst auch der Druck auf die Bundesregierung – allen voran auf den Bundeskanzler. Olaf Scholz (SPD) bleibt dabei, dass die Ukraine den Krieg nicht verlieren dürfe. Für einen Sieg der Ukraine spricht sich der Kanzler aber weiterhin nicht aus. Im Bundestag sorgte Scholz am Mittwoch dennoch für eine Überraschung, als er die Lieferung eines Flugabwehrsystems an die Ukraine zusagte. Aber ist das schon genug, um der Ukraine zum Sieg zu verhelfen? Maybrit Illner ließ ihre Gäste deshalb über die Frage "Schwache Sanktionen, alte Waffen – hilft das der Ukraine?" diskutieren.
Zu Gast bei "Maybrit Illner":
- Robert Habeck (B´90/Die Grünen), Vize-Kanzler, Bundeswirtschaftsminister
- Kevin Kühnert (SPD), Generalsekretär
- Roderich Kiesewetter (CDU), MdB, Oberst a. D. der Bundeswehr
- Johannes Varwick, Professor für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle-Wittenberg
- Eva Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin Hauptstadtbüro Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)
- Katrin Eigendorf, ZDF-Auslandsreporterin
Wie lief die Diskussion?
Viel zu lange bremste Gastgeberin Maybrit Illner dabei eine richtige Debatte aus und fragte ihre Gäste stattdessen munter über Olaf Scholz aus. Robert Habeck (Grüne) fragte sie, ob Scholz etwa ein "unsicherer Kantonist" sei – eine Person, auf die man sich nicht verlassen könne. Von Kevin Kühnert wollte sie wissen, ob Scholz ein "Ankündigungskanzler" sei. Beide verneinten und stellten klar, dass Bundesregierung und Bundeskanzler auf einer Linie miteinander seien. Die Journalistin Eva Quadbeck bestritt die Aussagen der beiden Politiker nicht. Quadbeck sei auch nicht der Ansicht, dass Deutschland nichts tun würde. Dennoch sei klar, "dass wir im hinteren Feld liegen, wenn es darum geht, unseren Worten Taten folgen zu lassen".
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Muss Deutschland also mehr Waffen liefern, damit die Ukraine den Krieg gewinnen kann? Dieser Meinung ist jedenfalls Roderich Kiesewetter (CDU). Der Bundestagsabgeordnete fordert Unterstützung für die Ukraine. Deutschland müsse selbst Waffen liefern und nicht auf komplizierten Ringtausch setzen. Dies sei "unserem Land nicht würdig". Ganz anders sieht das Johannes Varwick. Die Waffenlieferungen sind dem Politikwissenschaftler ein Dorn im Auge.
Varwick: "Wir machen der Ukraine falsche Hoffnungen"
Varwick forderte mehrmals, den Krieg mit mehr "Nüchternheit und Realismus" zu betrachten. Sein vermeintlich nüchterner Blick bringt ihn zu der Forderung, man müsse "den Konflikt einfrieren". Dafür fordert Varwick, die Ukraine nicht weiter mit unseren Waffen dazu zu bringen, "einen aussichtslosen Kampf weiterzuführen". Dies mache seiner Meinung nach schlichtweg keinen Sinn. Kiesewetter schüttelte den Kopf, ohne dem etwas entgegenzubringen. Varwick legte nach und sagte, Deutschland lasse den Krieg durch die Waffenlieferungen "länger und blutiger" werden.
Obwohl Varwick mehrmals für mehr Nüchternheit plädierte, wirkten die Worte des Politikwissenschaftlers ziemlich undifferenziert. "Wir müssen die Ukraine lenken", forderte Varwick. Die Ukraine sei verloren, wenn sie keine weiteren Waffen bekommen würde und müsse dann irgendwann Zugeständnisse machen. Bei dieser Aussage kamen bereits erste Zweifel darüber auf, auf welcher Seite Varwick überhaupt steht. Doch damit nicht genug: Varwick forderte einen Interessenausgleich mit Putin – zur Not auch "ein schmutziger Interessenausgleich". Der Westen hätte dies schon vor dem Krieg anvisieren müssen.
Empörung bei ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf
"Wir hätten akzeptieren müssen, dass die Ukraine nicht vollständig ins westliche Lager kippt", sagte Varwick. Zum dauerhaften Kopfschütteln von Kiesewetter gesellte sich nun auch das von ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf dazu. Die empörte Reporterin fragte, ob Varwick die Souveränität der Ukraine in Frage stellen wolle und wollte wissen, worin denn ein Interessenausgleich mit Putin bestünde. "Russland war schon vor dem Krieg ein totalitäres Regime", warf Eigendorf ein. Doch für Varwick war offenbar selbst diese Aussage strittig, und so stellte er der Reporterin die merkwürdige Gegenfrage: "Woher wissen Sie das denn?"

Zum Ende der Sendung wurde es sogar noch kurioser. "Russland darf nicht als Gewinner vom Platz gehen", sagte Varwick. Doch Russland habe mit diesem Angriffskrieg seinen eigenen Interessen am meisten geschadet. Dies sei ein Desaster. Varwick kam daher zum Urteil: "Wir müssen Russland helfen, da wieder rauszukommen. Wir dürfen jemanden, der schon in der Ecke sitzt, nicht weiter treten." Kiesewetter schien ebenso wie die anderen Gäste sprachlos. "Die Ukraine sitzt in der Ecke", fügte der CDU-Politiker nur noch treffend hinzu.