Medizinerhonorare steigen Ärzte sahnen kräftig ab

Tausende Mediziner gehen heute gegen die Gesundheitsreform auf die Straße. Die Ärzte jammern auf hohem Niveau: Ihre Honorare stiegen zuletzt weitaus stärker als die restlichen Löhne.

Viele Arztpraxen in Deutschland bleiben heute geschlossen. Tausende Ärzte streiken und demonstrieren auf Großkundgebungen wie in Essen und Sindelfingen gegen die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). In Essen sagte der Chef des rheinischen Hausärzteverbandes Dirk Mecking: "Die Politiker werden erst wach, wenn der Hausarzt vor Ort weg ist. Es ist Krieg gegen die Hausärzte." Nach der Demonstration in Essen wollten mehrere Ärzte in einem Autokorso unter dem Motto "Exodus deutscher Hausärzte" in die Niederlande fahren. Dort seien die Bedingungen für Hausärzte besser.

Die Mediziner fürchten um ihr Auskommen, wenn Rösler seine Gesundheitsreform durchsetzen kann. "Die Ärzte wollen ein Zeichen setzen", sagte der Vorsitzendes des hessischen Hausärzteverbandes Dieter Conrad. "Eine solche Unterversorgung könnte in fünf Jahren zum Alltag gehören." Durch die Sparpläne sehen sich die Mediziner in ihrer Existenz bedroht.

Doch der Protest der Ärzte erscheint wie Jammern auf hohem Niveau. Die Honorare der 149.000 Ärzte und Psychotherapeuten stiegen zwischen 2007 und 2009 um elf Prozent, wie die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf eine ihr vorliegende Auswertung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) berichtet. Die Aufstellung erfasst erstmals das gesamte Jahr 2009 und bestätigt die Einschätzung, dass die Mediziner-Honorare in den vergangenen drei Jahren sehr viel stärker stiegen als der Durchschnitt der Löhne und Gehälter in Deutschland.

20 Prozent plus - für Ärzte im Norden

Der Anstieg der Honorare hängt vom Praxisstandort ab. Während Hamburger Ärzte bis zu 24 Prozent mehr kassieren und auch die Niedersachen mit 20 Prozent ein ordentliches Honorarplus verzeichnen können, stiegen die Honorare in Baden-Württemberg um 3,5 Prozent, die der bayerischen Kollegen lediglich um 2,6 Prozent. Laut GKV kommt ein niedergelassener Arzt durchschnittlich auf ein Jahreseinkommen von 164.000 Euro, einschließlich der Behandlungen von Privatpatienten.

30,8 Milliarden Euro - etwa 20.000 Euro pro Arzt - erhielten die Mediziner laut "Süddeutscher Zeitung" von den Krankenkassen im vergangenen Jahr. Das waren drei Milliarden Euro mehr als 2007. Gleichzeitig mühte sich die Wirtschaft des Landes mit den Folgen der Finanzkrise, viele Unternehmen meldeten Kurzarbeit an, Arbeitnehmer verzichteten auf Lohnerhöhungen. In den 30,8 Milliarden sind noch nicht die Einnahmen aus den Hausarztverträgen eingerechnet, die die Mediziner mit den Kassen schließen und ihnen höhere Honorare garantieren. Eben diese sollen mit der Reform wegfallen. "Die Hausarztverträge sollen ausgebremst werden, bevor sie bundesweit ihre Wirkung entfalten konnten", so Ulrich Weigeldt, Chef des Hausärzteverbandes.

Arzneimittel wurden ebenfalls teurer

Auch die Arzneimittelausgaben sind weiter gestiegen. Nach dem am Dienstag veröffentlichten Arzneiverordnungs-Report 2010 erreichten sie infolge hoher Pharmapreise mit einem Plus von 4,8 Prozent das neue Rekordniveau von 32,4 Milliarden Euro. Die Kosten für Arzneimittel sind demnach in Deutschland teilweise bis zu sechsmal so hoch wie etwa in Schweden.

Im Rahmen der Gesundheitsreform sollen sowohl die Ärztehonorare als auch die Arzneimittelausgaben gesenkt werden. Rösler betonte in der "Rheinischen Post", dass es nicht darum gehe, den Ärzten etwas wegzunehmen. Der Anstieg der Honorare solle zeitlich befristet werden. Rösler rechnet damit, dass die Krankenkassen im kommenden Jahr keine Zusatzbeiträge mehr benötigen. "Ob eine Krankenkasse dennoch zusätzliche Zusatzbeiträge erheben muss, hat die Krankenkasse selbst zu entscheiden."

swd mit DPA