Nach Alkoholfahrt Käßmann tritt am Nachmittag vor die Presse

Der Rat der Kirche stellte sich hinter die Bischöfin. Dass sie im Amt bleibt, ist aber längst nicht sicher. Eine Pressekonferenz am Nachmittag dürfte Aufschluss darüber geben.

Nach der Alkoholfahrt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann ist ihr Verbleib in kirchlichen Spitzenämtern weiter offen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sprach seiner Vorsitzenden nach einer nächtlichen Krisenberatung das Vertrauen aus, teilte die EKD am Mittwoch mit. Abschließend will der Rat an diesem Freitag und Samstag auf seiner regulären Sitzung in Tutzing bei München über das Vergehen beraten, sagte eine Kirchensprecherin.

Über ihren Verbleib im Amt solle Käßmann danach selbst entscheiden. "In ungeteiltem Vertrauen überlässt der Rat seiner Vorsitzenden die Entscheidung über den Weg, der dann gemeinsam eingeschlagen werden soll", hieß es vielsagend in der am Mittwoch verbreiteten Mitteilung der EKD in Hannover. Welcher Weg das ist, darüber könnte eine Pressekonferenz von Käßmann am Nachmittag in Hannover Aufschluss geben. Um 16 Uhr tritt die Bischöfin vor die Presse.

In einer in der EKD-Geschichte einmaligen Telefonkonferenz, an der auch Käßmann selbst teilnahm, hatten sämtliche 14 Ratsmitglieder der Landesbischöfin von Hannover ihr Vertrauen bekundet. Auch bei der hannoverschen Landeskirche berieten sich die Kirchengremien, um der Bischöfin ihre Unterstützung zu bekunden.

Staatsanwalt rechnet mit schnellem Verfahren

Käßmann war am Samstagabend mit 1,54 Promille am Steuer ihres Dienstwagens gestoppt worden. Die EKD-Chefin hatte zuvor im Zentrum von Hannover über eine rote Ampel gefahren. Sie hat ihre Alkoholfahrt zutiefst bedauert und erklärt, sich den rechtlichen Konsequenzen zu stellen. Für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ist die Stellungnahme von Käßmanns Verteidiger von Bedeutung. Klarheit gibt es dann möglicherweise auch zu den Umständen ihrer Alkoholfahrt. Ob sie dienstlich oder privat unterwegs war, und warum sie niemand von der Fahrt abhielt, ist noch nicht bekannt. Zumeist lenkt ein Chauffeur den Dienstwagen von Käßmann.

Die Staatsanwaltschaft rechnet mit einem zügigen Abschluss des Verfahrens. Da im Moment nicht davon auszugehen sei, dass die EKD-Ratsvorsitzende bei ihrer Fahrt andere konkret gefährdet habe, sei alleine der ermittelte Wert von 1,54 Promille relevant, sagte Staatsanwalt Jürgen Lendeckel am Mittwoch. Käßmann hatte einen Beifahrer. Dessen Personalien seien aber nicht aufgenommen worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Hannover. Die Begründung: Ein Beifahrer spielt nur dann als Zeuge eine Rolle, "wenn der Fahrer völlig kontrollunfähig ist". Dies sei hier offensichtlich nicht der Fall gewesen, so der Sprecher von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der noch Samstagnacht von dem Vorfall informiert worden war.

Das Ermittlungsverfahren werde geführt wie bei jedem anderen Verkehrsteilnehmer, so die Staatsanwaltschaft. Eine Trunkenheitsfahrt ohne konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer werde in der Regel mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen bestraft. Hinzu komme der Entzug der Fahrerlaubnis für zehn Monate bis zu einem Jahr. Das Strafverfahren werde in der Regel schriftlich abgewickelt und ende mit einem Strafbefehl.

EKD-Präses nennt Alkoholfahrt "nicht akzeptabel"

Am Dienstagabend hatte sich erstmals ein führendes EKD-Mitglied zu der Trunkenheitsfahrt öffentlich geäußert. "Das ist nicht akzeptabel, dass man mit 1,5 Promille Auto fährt", sagte die Präses der EKD-Synode und Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt in der ARD- "Tagesschau". Sie wisse aus persönlichen Gesprächen mit Käßmann, dass diese über ihr Fehlverhalten selbst am meisten betroffen sei. "Und deswegen respektiere ich, dass sie sich jetzt zurückzieht für eine Zeit." Käßmann hat in dieser Woche sämtliche Termine abgesagt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Göring-Eckardt betonte, sie schätze wie viele andere auch die Arbeit Käßmanns als EKD-Ratsvorsitzende "außerordentlich". Als Präses der Synode, des EKD-Kirchenparlaments, steht Göring-Eckhardt an der Spitze einer der wichtigsten EKD-Gremien.

"Frau Käßmann genießt einen großen Sympathievorsprung"

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hofft, dass auch die Landeskirche Käßmann Rückendeckung geben. "Ich hoffe, dass die Gläubigen der Landeskirche Niedersachsen und die Bischofskollegen der EKD zu Frau Käßmann stehen und sie stützen. Dann wird sie auch diesen groben Fehler heil überstehen", sagte Thierse den "Stuttgarter Nachrichten" und der "Kölnischen Rundschau". Geistliche seien auch nur Menschen, die Heiligkeit der Kirche beziehe sich nicht auf die Heiligkeit der Amtsträger.

"Frau Käßmann genießt durch ihre öffentlichen Bekenntnisse zu ihrer Scheidung und Krebserkrankung einen großen Sympathievorsprung. Ich glaube nicht, dass dieser Vorsprung nun aufgebraucht ist", sagte Thierse weiter. Er bedauerte eine verbreitete Häme als Grundton der politischen Kommunikation: "Ein bevorzugtes Objekt ist jeder, der in irgendeiner Weise moralische Autorität beansprucht oder besitzt. Moralische Autoritäten sind offenbar für hämische Menschen schwer zu ertragen. Wenn es Anlass gibt, stürzen sie sich drauf."

DPA
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