Nach ihrer Schlappe in Niedersachsen sucht die Linke ihr Heil in einem Wahlkampfteam: Mit einer achtköpfigen Mannschaft an der Spitze zieht die Partei, die bei der Landtagswahl vom Sonntag mit 3,1 Prozent kläglich scheiterte, in den Bundestagswahlkampf. Natürlich ist Fraktionschef Gregor Gysi dabei - die Funktion des alleinigen Spitzenkandidaten blieb ihm aber verwehrt.
Neben Gysi werden seine Stellvertreter Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, der Ex-Parteichef Klaus Ernst, die beiden heutigen Vizechefs Caren Lay und Jan van Aken sowie die Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke und Diana Golze dem Spitzenteam angehören. Parteichef Bernd Riexinger macht bei der Vorstellung der Mannschaft unmissverständlich klar, dass Gysi zumindest formal nicht die erste Geige spielen wird in der Wahlkampfmannschaft. Er sei "selbstverständlich Mitglied" des Spitzenteams, konstatiert Riexinger knapp.
Der Fraktionsvorsitzende, der den Solo-Auftritt bevorzugt, will sich aber von einer Niederlage nichts anmerken lassen. Er spricht von einer "guten Lösung" und schwärmt von der Kompetenz des Teams, das ausschließlich aus Bundestagsabgeordneten besteht. Schließlich wird der erfahrene Linken-Frontmann, der in der vergangenen Woche seinen 65. Geburtstag feierte, kaum Mühe haben, seinen Platz ganz vorne im Wahlkampf zu finden.
Zeit der "einsamen Häuptlinge" ist vorbei
Dabei ist die achtköpfige Wahlkampfmannschaft ein echter Kompromiss: Gysi wollte unter allen Umständen eine Spitzenduo aus ihm und seiner Stellvertreterin Wagenknecht vermeiden, mit der er sich früher erbitterte Auseinandersetzungen geliefert hatte. Wagenknecht war damals - zu Zeiten der Linken-Vorgängerpartei PDS - die Symbolfigur der dogmatischen Kommunisten.
Der linke Flügel der heutigen Partei wiederum wollte den eher reformorientierten Gysi nicht in einer Solo-Rolle sehen. Die Zeit der "einsamen Häuptlinge" sei vorbei, sagte Parteichef Riexinger kürzlich. Er selbst wird ebenso wie seine Ko-Vorsitzende Katja Kipping nicht dem Spitzenteam angehören.
Das Wahlkampfteam mag dem innerparteilichen Frieden dienen. Ob es der vor allem im Westen schwächelnden Partei auf die Beine hilft, bleibt abzuwarten. Denn die Bilanz am Tag nach der Landtagswahl in Niedersachsen fällt bitter aus, zumal die Linke zuvor schon in anderen westdeutschen Bundesländern gescheitert war.
Ohne Kernwählerschaft droht Zitterpartie
Regelrecht "zerrieben worden" sei die Linke zwischen den Lagern Schwarz-Gelb und Rot-Grün, analysiert Wagenknecht nach der Wahl. Den Menschen sei das Gefühl vermittelt worden, eine Stimme für die Linke sei eine verschenkte Stimme. Dies habe sich schließlich als "selbsterfüllende Prophezeiung" erwiesen.
Wie das bei der Bundestagswahl anders werden soll, weiß bei den Linken derzeit niemand so richtig. Zwar hat die Partei im Osten ein solides Wählerpotenzial im zweistelligen Bereich, doch ohne Kernwählerschaft im Westen wird die Bundestagswahl zur Zitterpartie. Und gerade die Stammwähler der Linken sind bei der Niedersachsen-Wahl am Sonntag zu Hause geblieben.
Für die Doppelspitze Kipping - Riexinger ist das Resultat von Niedersachsen auch deshalb besonders enttäuschend, weil sie es eigentlich geschafft hatte, seit ihrer Wahl im vergangenen Jahr Ruhe in die streitfreudige Partei zu bringen. Kipping sieht die Schlappe von Hannover denn auch als Nachwirkung der Flügelkämpfe. "Bergab kann es sehr schnell gehen", analysiert sie mit Blick auf die einstige Existenzkrise. Aber "bergauf ist es ein sehr steiniger Weg". Viel Zeit bleibt der Linken nicht, um den Aufstieg zu schaffen: In acht Monaten ist Bundestagswahl.