Entspannt sitzt Klaus Wowereit (SPD) im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Regierende Bürgermeister erläutert zusammen mit dem SPD-Vorsitzenden Jan Stöß und mit Fraktionschef Raed Saleh an diesem Donnerstag ein gemeinsames Strategiepapier zur aufstrebenden Stadt Berlin. Sicher ist das angenehmer, als den Bundestagsabgeordneten zur selben Zeit im Verkehrsausschuss zum Flughafen-Debakel Rede und Antwort zu stehen. Diese Aufgabe hat jetzt Wowereits brandenburgischer Amtskollege Matthias Platzeck (SPD). Er hat seit Mittwoch den Vorsitz im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft von Wowereit übernommen.
Wowereit soll sich nach dem Willen seiner Partei jetzt ganz auf seine Regierungsarbeit konzentrieren. Die SPD möchte nach all der Häme und Kritik zum Flughafen-Chaos wieder mit Sacharbeit punkten. Denn kein Politiker der drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund hat in der unendlichen Geschichte des verkorksten Flughafenbaus mehr Prügel bezogen als der Berliner Regierungschef und bisherige Chef-Kontrolleur. Nicht nur Wowereits Popularität sackte dramatisch ab. Auch die Berliner SPD befindet sich im Sinkflug und liegt mit 24 Prozent in den jüngsten Umfragen hinter ihrem Koalitionspartner CDU.
SPD diskutiert darüber, wo sie als Partei steht
Da kommt ein "Zukunftspapier" gerade recht. Ein Schelm, der den programmatischen Titel "Berlin - Stadt des Aufstiegs" als Wunschdenken der SPD und ihres Bürgermeisters für die eigene Situation interpretiert. Die SPD-Spitze bestreitet vehement einen Bezug zu den aktuellen Ereignissen. Seit Monaten stünden sie in einem intensiven Diskussionsprozess, um aufzuzeigen, wofür die SPD 2013 und den folgenden Jahren steht, beteuert das Trio. Das Papier soll parteiintern nun breit beraten werden.
Einzelne Punkte wie der Vorschlag eines Altschuldenfonds für alle Bundesländer, der aus dem Solidarbeitrag gespeist wird, sollen möglichst auch in das Wahlprogramm der Bundes-SPD einfließen. Ansonsten enthält das Papier neben bekannten Positionen - Mietenanstieg dämpfen, soziale Spaltung verhindern, mehr Arbeitsplätze zu fairen Löhnen - auch neue Ansätze. Die drei machen sich für ein Privatisierungsverbot von landeseigenen Betrieben der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Landesverfassung stark. Danach sollen künftig die Bürger das letzte Wort haben, ob ein Wasserbetrieb oder städtisches Krankenhaus verkauft werden dürfen.
Die SPD demonstriert Geschlossenheit
Die SPD-Spitze demonstriert mit diesem Auftritt vor allem eines: Ihre Geschlossenheit, die immer wieder bezweifelt wird. Partei und Fraktion stehen fest an der Seite des deutlich angeschlagenen Regierenden Bürgermeisters, lautet die in diesen turbulenten Tagen gebetsmühlenhaft wiederholte Botschaft von Stöß und Saleh. Vehement dementieren die beiden neuen und jungen Chefs an der Spitze von Partei und Fraktion alle Berichte, Wowereit habe nach der zum vierten Mal verschobenen Eröffnung des Flughafens seinen Rücktritt angeboten. Ebenso strikt weisen sie Berichte zurück, sie hielten schon eifrig nach einem Nachfolger für den beschädigten "Sonnenkönig" Ausschau.
Diese demonstrative Unterstützung Wowereits hat auch andere Gründe. Wäre der 59-Jährige von Bord gegangen, hätte es die Partei ganz unvorbereitet getroffen. Weder Saleh (34) noch Stöß (39) sind bisher in der Stadt so bekannt oder beliebt, dass sie mühelos Wowereit ersetzen könnten. Im beginnenden Bundestags-Wahlkampf hätte ein so spektakulärer Wechsel an der Spitze der Hauptstadt-SPD auch die Bundesgenossen nicht amüsiert. So bleiben jetzt nur die Mühen der Sacharbeit, mit der auch die SPD wieder aufsteigen will.