Nach Panne im AKW Krümmel Ministerpräsident Carstensen rügt Vattenfall-Chef

Nach einer tagelangen Pannenserie hat der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen Betreiber Vattenfall in aller Öffentlichkeit gerügt: "Ich bin stinksauer", sagte er nach einem Treffen mit Vorstandschef Tuomo Hatakka. Carstensen gibt dem Konzern nur noch eine Chance.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat den Druck auf den Betreiber Vattenfall nach einer tagelangen Pannenserie erhöht. "Ich bin stinksauer. Vattenfall hat allen, die mit einem vernünftigen Energiemix leben wollen, einen Bärendienst erwiesen", sagte er am Dienstag nach einem Gespräch mit Konzernchef Tuomo Hatakka in Kiel. "Das ist der letzte Versuch, den er hat. Wenn es dort wieder zu einer solchen Situation kommt, dann kümmere ich mich darum, dass dieses Kernkraftwerk abgeschaltet wird", sagte der Regierungschef.

Carstensen hatte Hatakka auf die Panne hingewiesen, nachdem er vom Lagedienst und vom Sozialministerium eine Meldung zur Schnellabschaltung des Reaktors erhalten hatte. "Sie können sich vorstellen, wie unangenehm es für einen Chef ist, wenn er nach eineinhalb Stunden vom Ministerpräsidenten über einen Störfall informiert wird", sagte Carstensen.

Vattenfall hatte am Dienstagmorgen neue Versäumnisse einräumen müssen: Der Kraftwerksleiter musste seinen Posten räumen, weil der Einbau einer hochmodernen Sicherheitsanlage vergessen wurde. Die Atomaufsicht will nun diese jüngste Panne in die laufende Zuverlässigkeitsprüfung von Vattenfall einfließen lassen. Im schlimmsten Fall droht dem schwedischen Energieversorger der Verlust der Berechtigung zum Betrieb von Atomanlagen. Krümmel wird nach dem Kurzschluss vom Samstag nun bis Mai 2010 stillstehen, weil Vattenfall für 20 Millionen Euro zwei neue Maschinentransformatoren kaufen will. Damit geht das Unternehmen auf eine Forderung der Atomaufsicht ein. Neue Transformatoren könnten frühestens Mai 2010 geliefert und eingebaut werden. Bis dann steht das Kraftwerk.

Das Unternehmen räumte am Dienstag ein, dass eine behördlich angeforderte Überwachungseinrichtung am vom Kurzschluss betroffenen Maschinentransformator nicht installiert war. Der Einbau sei "schlicht vergessen" worden, sagte eine Sprecherin. Die Atomaufsichtsbehörde in Kiel erklärte, die Montage genau dieses Gerätes sei fest mit Vattenfall vereinbart gewesen. Ein Kurzschluss an der Anlage war es, der am Samstag zur Notabschaltung von Krümmel geführt hatte.

Carstensen schwer verärgert über Abläufe bei Vattenfall

Die für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) erklärte, der Abgang des Kraftwerksleiters nach der Pannenserie reiche nicht aus. "Es gibt einen Mangel an Qualifikation und Kompetenz im Management von Vattenfall", sagte sie. Im Rahmen der laufenden atomrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung von Vattenfall müsse der Konzern sicherstellen, "dass das Management innerhalb des Konzerns hinreichend funktioniert".

Carstensen äußerte sich auch schwer verärgert über die Abläufe bei Vattenfall: Als er am Samstag um 13.30 Uhr anderthalb Stunden nach der Panne Hatakka angerufen habe, habe der Manager noch gar nichts davon gewusst. Krümmel ist seit einem Transformator-Kurzschluss am Samstag abgeschaltet. Nach der Panne kam es zu Störungen im Stromnetz von Hamburg und Schleswig-Holstein. Der Unfall hatte Ähnlichkeit mit dem schweren Unfall von vor zwei Jahren, als nach einem Brand der Reaktor für zwei Jahre stillstand.

Die neuen Fehler verlängern die Pannenliste nach dem Unfall: Zunächst gab es am Samstag um 12.02 Uhr den Unfall selbst. Dann versäumte Vattenfall es, die Atomaufsicht schnell zu informieren. Am Sonntag räumte Vattenfall drei Folgeschäden der Notabschaltung des Reaktors ein: Wegen eines defekten Brennelements kam es zu einer Erhöhung der Radioaktivität im Reaktorwasser. Außerdem kam es zu Problemen bei der Kühlung des Reaktorwasser-Reinigungssystems. Desweiteren war ein Elektronikteil kaputt, das der Sicherheit eines Steuerstabes dient. Das AKW Krümmel war nach einem Brand in einem der beiden Maschinentransformatoren im Sommer 2007 für zwei Jahre stillgelegt worden. Bei der Reparatur und den folgenden Wartungsarbeiten tauchten immer neue technische Probleme auf. Es war erst wenige Tage wieder in Betrieb, als der Zwischenfall am Samstag passierte.

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