GEW-Verhandlungsführer Andreas Gehrke hat die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst abgelehnt und mit weiteren Streiks gedroht. Dies ist die einzig gute Botschaft für 200.000 angestellte Lehrer in Deutschland. Für sie sieht das "Ergebnis" so aus:
Erstens: Rückwirkend zum 1. März 2015 sollen die 800.000 Angestellten im öffentlichen Dienst 2,1 Prozent mehr Gehalt bekommen, ab März 2016 dann noch einmal 2,3 Prozent, mindestens 75 Euro. Gefordert waren 5,5 Prozent und mindestens 175 Euro für alle.
Zweitens: Die Betriebsrente bleibt (zunächst) unangetastet. Dafür erhöht sich ihr Beitrag um 0,2 Prozent für 2015 und 0,3 für 2016. Damit sinkt die "Gehaltserhöhung" real auf 1,9 bzw. 2,0 Prozent vom Bruttolohn. Zur Erinnerung: Die Betriebsrente wurde 1967 eingeführt, um die Pensionsunterschiede von Angestellten und Beamten auszugleichen. Zwischen angestellten und beamteten Lehrern liegen diese Unterschiede nicht selten bei über 1000 Euro monatlich. Die durchschnittliche Betriebsrente liegt bei 350 Euro.
Drittens: Es wird keine Paralleltabelle geben, keinen "gleichen Lohn für gleiche Arbeit". So wie es zehntausende Lehrer wochenlang bei bundesweiten Streiks gefordert hatten. A12 bleibt ungleich E12.
Streikrecht mit Schweigegeld erkaufen
Viertens: Einen eigenen Tarifvertrag können sich die angestellten Lehrer ebenfalls vorerst abschminken. Damit kann weiterhin jedes Land allein entscheiden, wieviel Gehalt es seinen angestellten Lehrern zahlt, was Einkommensunterschiede von mehreren hundert Euro im Monat zur Folge hat. Ein Dutzend Binnenschiffer haben einen eigenen Tarifvertrag, 200.000 Lehrer nicht.
Statt Paralleltabelle und Tarifvertrag bieten die Länder mit ihrem Verhandlungsführer Jens Bullerjahn (SPD) den Lehrern 30 Euro Zuschlag pro Monat an. 30 Euro pro Monat! Bei Gehaltsunterschieden von rund 500 Euro gegenüber den beamteten Lehrern! GEW-Verhandlungsführer Andreas Gehrke spricht zu Recht von Schweigegeld und davon, dass die Länder den Lehrern ihr Streikrecht für ein Taschengeld "abkaufen" wollen. Mit 30 Euro pro Monat seien die Gehaltsunterschiede in 20 Jahren noch nicht ausgeglichen, so Gehrke. Darauf wollen die Lehrer nicht warten und schäumen in den Internetforen vor Wut.
Schlag ins Gesicht
Fünftens: Länderchef Jens Bullerjahn (SPD) argumentiert, dass für mehr Gehalt und einen einheitlichen Tarifvertrag mit einer besseren, weil gerechten Eingruppierung kein Geld da sei. Gleichwohl soll die Gehaltserhöhung nun schnell auf die 1,2 Millionen Beamten übertragen werden, fordern ausgerechnet Verdi-Chef Frank Bsirske und der Beamtenbund dbb. Ein Schlag ins Gesicht für die angestellten Lehrer, die sich verraten und verkauft vorkommen müssen. Sie haben wochenlang nicht für die Beamten, sondern für ihr Gehalt, für den Erhalt ihrer Alterssicherung und einen einheitlichen Tarifvertrag gestreikt.
"Grippewelle hat uns härter getroffen"
Verdi-Chef Frank Bsirske und der Deutsche Beamtenbund kündigten an, die GEW bei weiteren Streiks nicht zu unterstützen. Bsirske sichert der GEW zwar seine "Solidarität" zu, streiken müsse die Lehrergewerkschaft jedoch allein. Sie habe den Kompromiss schließlich abgelehnt und müsse nun die Konsequenzen tragen. Das ist keine Solidarität. Das ist im Regen-stehen-lassen. Und GEW-Verhandlungsführer Andreas Gehrke muss sich wie ein begossener Pudel vorkommen.

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Und was bleibt nun? Wen interessiert es außer in Sachsen, Thüringen und Berlin, wo die meisten Lehrer als Angestellte arbeiten, wenn sie streiken? Wenn sie es denn überhaupt tun und nicht - wie im Schnitt - von fünf Angestellten drei in der Schule bleiben?
Der Leiter einer Kölner Berufsschule hat im Kölner Stadtanzeiger offenbar die Schlagkraft der Lehrerstreiks richtig eingeschätzt: "Die Grippewelle hat uns härter getroffen." Da wünscht man sich schon einen Claus Weselsky, der die Loks einfach anhält.
Frank Gerstenberg ist seit 1995 freier Journalist und Redakteur (u.a. Deutsche Welle, Süddeutsche, taz, Stern), Schulbuchautor (Rechtschreibung) und seit 2006 beim Land NRW als Lehrer für Deutsch und Geschichte angestellt.