Leibwächter, Kameraleute, Parlamentarier werden durch den Landtag gedrückt, durch das Gebäude dringt ein Jubelschrei: Die Hoffnungsträgerin der SPD betritt das Parlamentsgebäude in Düsseldorf. Hannelore Kraft hat gerade die SPD zur mit Abstand stärksten Partei in Nordrhein-Westfalen gemacht, sie kann ihr rot-grünes Bündnis fortsetzen und nennt dies auch ein Signal für die Bundestagswahl 2013. SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht Kraft bereits zu, das Zeug für eine Kanzlerkandidatur zu haben. "Ich widerstehe", sagte die strahlende Ministerpräsidentin indes - sie habe ihr Wort gegeben, dass sie in Nordrhein-Westfalen bleibe, und dazu werde sie auch stehen. Damit unterstreicht sie zentrale Werte, um die herum sie ihren Wahlkampf strukturiert hatte: Glaubwürdigkeit und Bodenständigkeit, so lauteten ihre Botschaften. Kurz: Sie mache "Politik für die Menschen".
Vorsorgende Politik statt Reparaturstaat
"Currywurst ist SPD", warb ihre Partei. "NRW im Herzen", warb die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin, für fast 22 Monate Chefin einer rot-grünen Minderheitsregierung, um Stimmen. Sie kehrte heraus, dass sie aus kleinen Verhältnissen kommt - als Beweis dafür, dass der sozialdemokratische Lebenstraum Wahrheit werden kann. Sie wolle kein Kind zurücklassen, lautete einer ihrer Werbesprüche, mit denen sie 2010 an die Macht kam - und auf den die 50-Jährige auch erfolgreich im laufenden Wahlkampf setzte. Nur im Fußball setzt sie sich von Ruhrgebiets-Traditionen ab: Kraft ist bekennende Anhängerin von Borussia Mönchengladbach.
Sie stamme aus einer "wirklichen Ruhrgebietsfamilie", stellt Kraft immer wieder heraus. 1961 in Mülheim geboren, steht sie für eine Geschichte vom Aufstieg. Der Vater Straßenbahnfahrer, die Mutter Schaffnerin, dazwischen Hannelore, auf die der Opa habe aufpassen müssen. Nach dem Gymnasium machte sie eine Banklehre, studierte, wurde Diplom-Ökonomin. Es sei die Politik der SPD gewesen, die das Bildungssystem durchlässig gemacht habe, wirbt sie mit sich für ihre Partei.
In die SPD tritt sie aber erst spät im Jahr 1994 ein. Ihre Karriere verläuft umso rascher. 2000 wird sie Mitglied des Landtags, im Jahr darauf macht der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement sie zur Ministerin. Nach der verlorenen Wahl 2005 zieht sie an die Spitze der Landtagsfraktion und übernimmt Anfang 2007 auch die Führung der Landespartei.
Der Wahlkampf der Sozialdemokraten war ganz auf Kraft zugeschnitten. Sie bereiste unermüdlich die Parteibasis und machte die SPD nach eigenen Worten zur "Kümmerpartei", die ihre Politik "geerdet" habe. Die Mutter eines inzwischen 19-jährigen Sohnes besuchte als SPD-Landeschefin und später auch als Ministerpräsidentin immer wieder Betriebe, wollte in den Arbeitsalltag der Normalbürger hineinschnuppern. Zur Ansprache an die Bürger nutzt sie nun auch Internet-Medien wie Twitter. Mit ihrem Wahlkampf zeigte sie der SPD, wie es gelingen kann, die Konkurrenz der Linken wieder aus Landtagen herauszubringen.
Kraft und die B-Frage
So freundlich und zugewandt Kraft wirkt, in der SPD gilt sie durchaus als machtbewusst und zielstrebig. Sie hat das Wort von einem "vorsorgenden Politikansatz" geprägt, der sich nicht nur sozialpolitisch auszahle, sondern auf lange Sicht auch bei den Finanzen, weil der Staat weniger reparieren müsse. Diese Politik wolle sie nun in Düsseldorf fortsetzen, kündigte sie an.
In der Führungsriege der Bundes-SPD ist die Mülheimerin fest verankert. Bei ihrer Bestätigung im Amt als Parteivize im vorigen Jahr kam sie auf ein Traumergebnis von 97 Prozent. Nach der erfolgreichen Landtagswahl kommen nun die Spekulationen wieder auf, dass sie die Männer-Troika der SPD-Kanzlerkandidatenanwärter auf ein Quartett vergrößern könnte. Kraft wird noch öfter um ihrer Glaubwürdigkeit willen beteuern müssen: "Nein, ich gehe nicht nach nach Berlin!"