Die Politiker der AfD nennen die anderen Parteien nur "Altparteien". Was im Umkehrschluss heißen soll: Wir sind neu, wir sind frisch, wir machen es anders. Diese rebellische Pose hat zum Beispiel Hans-Olaf Henkel perfekt drauf. Kaum war er ins Europaparlament gewählt, gab er die ihm zugeteilte Bahncard 1. Klasse zurück. Auch beim Fliegen nutzt er seine Privilegien nicht. Er setzt sich in die Holzklasse statt in die Business-Class. Das Tagesgeld in Höhe von 304 Euro, das jeder Abgordnete bekommt, hält Henkel für einen "Skandal".
Mal abgesehen davon, dass der Mulitmillionär Henkel persönlich auf keinen einzigen Cent seines Abgeordnetenverdienstes angewiesen ist: Es ist nicht unehrenhaft auf die teils üppigen Privilegien von Europaparlamentariern hinzuweisen und diesen persönlich zu entsagen. Wer würde behaupten, dass es bei der Finanzierung der Politik nicht reichlich Korrekturbedarf gäbe?
Mit derselben Attitüde trat im Wahlkampf um das Landesparlament Thüringen der dortige AfD-Verband auf. Er forderte, den Landtag deutlich zu verkleinern - von 88 auf 62 Sitze. Das durchaus plausible Argument: Im Vergleich zu anderen Bundesländern gäbe es in Thüringen viel zu viele Abgeordnete. Mehrere Millionen Euro könnten so gespart werden. Aber Spitzenkandidat Björn Höcke ahnte auch, dass seine Forderung versanden wird: "Die Altparteien haben große Angst, dass ihr Kuchen nicht mehr mehr genug Stücke für sie abwirft."
Die Altparteien. Der Kuchen. Merkwürdig allein, dass die AfD, kaum verzeichnet sie ein paar Wahlerfolge, selbst an die Kuchentheke drängelt. Deswegen handelt sie seit dieser Woche mit Gold.
Stimme oder Einnahme
Was wie ein schlechter PR-Gag der Eurokritiker klingt, hat einen handfesten Hintergrund, den die AfD auf ihrer Homepage auch unumwunden zugibt: Es geht darum, der Partei zusätzliche Staatsknete zu sichern. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass Parteien für jede eingeworbene Stimme einen bestimmten Betrag erhalten. Die Gesamtsumme darf jedoch nicht die Eigeneinnahmen überschreiten. Zu den Eigeneinnahmen zählen Mitgliedsbeiträge und Spenden. Das Problem der AfD: Laut Stimmenanteil würden ihr fünf Millionen Euro zustehen. Sie hat bislang aber nur drei Millionen Eigeneinnahmen. Holt sie bis Jahresende nicht noch zwei Millionen rein, verfällt ihr Anspruch auf das schöne Steuergeld.
So kam sie auf die Idee, sich mal eben als Edelmetall-Dealer zu verdingen. Und tatsächlich läuft das Geschäft Bombe. Stand Freitag, 18 Uhr, hat die Partei nach eigenen Angaben bereits rund 270.000 Euro umgesetzt. Die goldene D-Mark-Münze war zwischenzeitlich vergriffen, ist aber nach Angaben der Parteizentrale wieder lieferbar. Ihre Gewinnmarge beziffert die AfD auf ein bis fünf Prozent. Wer den Preise der AfD-Pretiosen mit den aktuellen Börsenkursen für Gold vergleicht, kommt auf etwa acht Prozent, aber Zwischenhandel und Vertrieb kosten ja auch was. Zudem weist die Partei dezidiert darauf hin, dass der Preis auch dabei helfe, "die AfD zu unterstützen". Sprich: Ein kleiner Teil ist Spende.
Demokratie oder Privileg
Die Frage ist nur: Wie verträgt sich der Goldrausch eigentlich mit dem AfD-Image, auch mit dem Finanzierungsgebaren der "Altparteien" aufzuräumen? Eine Stimme der bürgerlichen Vernunft und Bescheidenheit zu sein? Bundessprecher Christian Lüth hat sich eine feinsinnig differenzierte Antwort zurecht gelegt. "Es ist schon ein Unterschied, ob eine Partei oder ein Einzelner gefördert wird", sagt er. "Die Parteienförderung dient der Demokratie, die Privilegien einzelner Politiker tun das nicht." Aus dieser Logik heraus ist Henkels Anti-Erste-Klasse Revolte sinnvoll, der Verzicht auf zwei Millionen Staatsknete aber nicht. Es gehe ja auch darum, den Wettbewerb zwischen den Pareien fair zu halten, sagt Lüth. Und wenn die AfD die Staatsgelder nicht nehme, würden sie den anderen, den "Altparteien", zugute kommen. Das kommt ihm dann doch etwas zu uneigennützig vor.
Natürlich geht die Gleichung: Partei=Demokratie / Abgeordneter=fragwürdige Privilegien nicht auf. Beim Europaparteitag der AfD im März disktutierten die Delegierten leidenschaftlich über die Berechtigung einer parteinahen Stiftung. Einige waren der Meinung, es handele sich dabei um eine enorme Verschwendung von Steuergeldern. Parteichef Luck argumentierte: "Das ist zwar verdeckte Parteienfinanzierung, aber weil die anderen das auch machen, sollten wir aus Gründen der Konkurrenz nicht darauf verzichten." Der Parteitag segnete den Aufbau einer Stiftung schließlich ab. Für die eigenen Vorsätze hungern wollte die Mehrheit nicht.

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Umsatz oder Gewinn
Ob und wie der aktuelle Deal mit dem Gold gelingt, ist allerdings noch offen. Das Geschäft scheint legal zu sein, aber welche Anteile daraus als Eigeneinnahmen anrechenbar sind, prüft derzeit die Bundestagsverwaltung. Ihr abschließendes Urteil wird laut Sprecher Lüth in zirka vier Wochen erwartet. Die entscheidende Frage ist: Gilt bereits der Umsatz als Eigeneinnahme oder nur der Gewinn? Sollte letzteres zutreffen, müsste die AfD schon Gold im Wert von zig Millionen verticken, um an die ersehnten Staatsgelder zu kommen. Der Weg zur Altpartei ist eben manchmal steinig.