Eigentlich sollte es beim Parteitag der baden-württembergischen CDU am Samstag in Karlsruhe um deren Zukunftsmodell gehen. Geprägt wurde das Treffen zunächst jedoch in erster Linie durch Vergangenheitsbewältigung: Die Parteigrößen bezogen Position in der EnBW-Affäre um Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus. Mal offen, mal verdeckt setzten sie ihre Spitzen gegen den ehemaligen Landesvater, gegen den seit eineinhalb Wochen die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue ermittelt.
"Ich will nicht, dass der Eindruck entsteht, dass da etwas unter den Teppich gekehrt wird", sagte der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl am Rande des Parteitages. Unterm Teppich lag zu lange viel zu viel, das nun seiner Partei schweren Schaden zufügt. Die Ermittlungen gegen Mappus sind der Höhepunkt einer Affäre, deren Umstände Stück für Stück ans Licht kommen: Für 4,7 Milliarden Euro hatte das Land unter Mappus' Federführung im Dezember 2010 in einem Geheimgeschäft dem französischen EdF-Konzern dessen Anteil am Energieversorger EnBW abgekauft.
Dieses Geschäft arbeitet seit Monaten ein Untersuchungsausschuss im Landtag auf. Dass bei dem Deal der Landtag außen vor blieb, bewertete der Staatsgerichtshof im Oktober 2011 als nicht verfassungskonform. Zweifel am Preis untermauerte ein Gutachten im Auftrag der mittlerweile grün-roten Landesregierung: Demnach zahlte das Land 840 Millionen Euro zu viel. Hinzu kommen peinliche E-Mails von Mappus' Freund Dirk Notheis, dem damaligen Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley. Die Bank hatte das Land beraten, Notheis gab Mappus zudem dezidierte, zum Teil höchst fragwürdige Handlungsanweisungen.
Mappus-Schelte ohne Mappus
Aufgrund der Geschehnisse habe die CDU in Baden-Württemberg "eine der schwersten Bewährungsproben in der Geschichte der Partei zu bestehen", gab sich Strobl in seiner Rede an die Delegierten geläutert. "Ungeheuerlich" sei der Verdacht der Untreue gegen Mappus. Die Partei solle "nicht der Versuchung erliegen, etwas zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist", wandte sich Strobl klar von Mappus' Machenschaften ab.
Der so Gescholtene war selbst nicht zum Parteitag in Karlsruhe erschienen - wohl aber mit Volker Kauder einer seiner namhaftesten Sympathisanten. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mappus zählen zum konservativen Flügel der Südwest-CDU. Entsprechend sanft fiel Kauders Äußerung zur EnBW-Affäre aus. "Wo Fehler gemacht worden sind und wo Fehler in Zukunft gemacht werden, müssen sie offen angesprochen werden", sagte er. Vorverurteilungen dürfe es aber keine geben. Das sollte genügen.
Im Gegensatz zu Mappus und Kauder zählen Strobl und Landtagsfraktionschef Peter Hauk zum liberaleren Lager. Die Grabenkämpfe zwischen beiden Flügeln begleiten die Union in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten, mal mehr mal weniger. Seit der historischen Landtagswahlniederlage vom März 2011 sind sie wieder offenbar: Es gab im vergangenen Jahr Kampfabstimmungen um Fraktions- und Landesverbandsspitze. Die EnBW-Affäre trägt zur Befriedung nicht bei.
Seitenhiebe auf Mappus' Führungsstil
So verpasste in Karlsruhe Fraktionschef Hauk dem abgewählten Ministerpräsidenten noch einen Seitenhieb gegen dessen Politikstil - verdeckt allerdings. Ohne den Namen Mappus an kritischen Stellen seiner Rede zu nennen, beklagte Hauk beispielsweise einen Verlust an Diskussionskultur in der Union. "Wer Beteiligung ernst meint in der Partei und in der Führung der Fraktion, der muss auch Kritik zulassen", forderte Hauk. Mappus war bekannt gewesen für seine barsche Führungskultur.
Mit dieser ging beim EnBW-Kauf nach Hauks Auffassung ein in Jahrzehnten gewachsenes "Grundvertrauen" der CDU-Fraktion in ihre Landesregierungen verloren. "Dieses Grundvertrauen wurde nie enttäuscht, weder bei Lothar Späth oder bei Erwin Teufel noch bei Günther Oettinger", betonte Hauk. Dann kam Stefan Mappus und der - so der Tenor - der zerstörte es dann.