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Mappus-Affäre in Baden-Württemberg CDU träumt schon wieder von Oettinger

Die CDU im Ländle trifft sich zum Landesparteitag. Es wird ein Trauerspiel werden, Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus hat nur Trümmer hinterlassen. Und so kommt, abrakadabra, ein neuer, alter Kandidat ins Spiel.
Von Hans Peter Schütz

In der baden-württembergischen CDU ist die Stimmung tief unter Null gesackt. Seit sich Stefan Mappus wegen Untreue verantworten muss, gehen die Parteifreunde miteinander um wie mit schlimmen Feinden. Da würden alte Rechnungen beglichen, schimpft der Ex-Ministerpräsident, vorneweg jene, "die zuvor gar nicht nahe genug bei einem sein konnten". Und während einige ein Parteiausschlussverfahren gegen Mappus fordern, erklärt er in einem "Focus"-Interview im herabsetzenden Ton: "Ich werde nicht wegen eines Herrn Hauck oder eines Herrn Strobl austreten." Soll wohl heißen: Vorher müssten die das Parteibuch abliefern. Peter Hauk ist CDU-Fraktionschef im Landtag, Thomas Strobl neuer CDU-Chef.

Volker Kauder, Urgestein der baden-württembergischen CDU, ist der Urlaub noch nie so schwer gefallen wie dieses Jahr. Zwar wandert er, wie immer in der Sommerpause, durch seinen Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen. Theoretisch steht die Sommertour 2012 unter dem Motto "Heimat und Kultur". Praktisch läuft in seinem Kopf ein ganz anderes Problem: Wie sag' ich es nur meiner CDU, dass es so nicht weitergeht?

An diesem Samstag muss er antreten und seinen Parteimann stehen. Auf dem CDU-Landesparteitag in Karlsruhe, wo sein Landesverband nach dem Machtverlust aufgemöbelt werden soll. Die Wunden sind tief und schmerzen unaufhörlich: 58 Jahre lang hatte die CDU das Ländle fest im Griff, 2006 holte sie noch 44,2 Prozent - und dann das Debakel. 39 Prozent bei den Landtagswahlen im März 2011, ausgerechnet ein Grüner eroberte die Villa Reitzenstein. Da die Legislatur fünf Jahre dauert, haben die Konservativen erst 2016 wieder eine Chance, ihr Unglück vergessen zu machen.

"Mir sind im Arsch"

Kauder, immerhin Unionsfraktionschef, soll seiner Partei in einem Grußwort zum Landesparteitag sagen, wie das klappen könnte. Ist denn das überhaupt möglich? Wer Kauder diese Frage stellt, hört zunächst einmal einen tiefen Seufzer. "Das wird ein ganz schwieriges Grußwort."

Der Grund dafür ist offensichtlich. Wegen der Mappus-Affäre liegt die Landes-CDU am Boden. Der zentrale Leitantrag, für den Kauder bei der Basis Stimmung machen soll, heißt: "Vielfältig, bodenständig, bürgernah. Moderne Bürgerpartei auf sicherem Fundament." Die hehren Worte übersetzen viele CDU-Mitglieder auf gut schwäbisch mit: "Mir sind im Arsch!" Dagegen soll Kauder anreden? In einem Grußwort?

Die Misere: Gegen Mappus ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreue, bei der dem Land Baden-Württemberg ein Schaden von 840 Millionen Euro entstanden sein könnte. Er hatte den Rückkauf der Aktien von dem französischen Energiekonzern Elecricité de France (EDF) hinter dem Rücken des Landtags durchgezogen. Das war verfassungswidrig, urteilte das Gericht. Geholfen hat Mappus sein Ex-Finanzminister Willi Stächele, der das Geschäft in der Nacht vor seinem Inkrafttreten unterschrieb, ohne zu wissen, um was es tatsächlich geht. Auch er ist jetzt wegen Untreue im Visier der Staatsanwälte. Als Landtagspräsident ist er deswegen schon "abgeschossen" worden. Und wg. Untreue dran ist auch Helmut Rau, einst Minister im Stuttgarter Staatsministerium, als Mappus dort amtierte.

"Endlich Klappe halten"

Was soll ein Kauder also sagen? Soll er die Worte benutzen, die wichtige CDU-Bundestagsabgeordnete gegenüber stern.de, Anonymität zugesichert, benutzen? Etwa: "Wenn der Stächele ein einziges Mal in seinem politischen Leben einen Arsch in der Hose gehabt hätte, hätte er das stoppen müssen." Doch Stächele habe gekniffen, statt Mappus zu sagen: Wenn meine Unterschrift erwartet wird, stelle ich mein Amt zur Verfügung. Dann hätte die baden-württembergische CDU, "jetzt wenigstens noch einen einzigen Helden".

So aber denkt die CDU-Basis; Wir haben doch nur noch Verlierer. Das derzeitige Führungsduo sei ja nicht mehr an den Mann, sprich: den Wähler, zu bringen. Zu diesem Ergebnis gelangt auch die selbstkritische Analyse der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, immerhin 37 Abgeordnete stark. Einige von ihnen müssen damit rechnen, nicht in den Bundestag zurückzukommen, wenn das Mappus-Tief bis zur Bundestagswahl im Herbst 2013 andauert.

Als die Landesgruppe am vergangenen Donnerstag aus Anlass der Spanien-Sondersitzung wieder einmal in Berlin zusammen saß, wurden vor allen die zahlreichen giftigen Interviews kritisiert, die zum Thema Mappus bereits abgesondert worden sind. "Wir müssten endlich mal die Klappe halten", stöhnte einer von ihnen, als er von stern.de um einen Kommentar zur Lage gebeten wurde.

"Schnell wieder regierungsfähig sein"

Besonders missfiel vielen, dass Unionsfraktionschef Kauder in der "Welt am Sonntag" erklärt hatte, Mappus habe als Ministerpräsident "eine Reihe wichtiger Entscheidungen voran gebracht". Auch der Milliarden-Deal, so Kauder, sei "in der Sache richtig." Darauf reagieren einige stocksauer: "Der muss ja solchen Unsinn reden, denn er war immer der dickste Mappus-Freund." Immerhin sei Kauder der Patenonkel eines der Kinder von Mappus.

Andere jammern über den neuen Parteichef Thomas Strobl und Landtagsfraktionschef Peter Hauk: "Die kommen einfach nicht an." Strobl habe zu viele Ämter an der Backe und sei der Generalsekretär von Mappus gewesen, Hauk habe ihm als Fraktionsvorsitzender kritiklos gedient. Fazit: "Die wissen beide, dass sie nur Funktionsträger des Übergangs sind." Dass die jetzt sagten, sie hätten mit Mappus nichts zu tun, "nimmt denen doch keiner ab". Besonders Hauk sei nicht glaubwürdig, "wenn er jetzt wild auf Mappus losgeht". Überhaupt: Mappus. Der begnüge sich mit "viel zu viel unkritischer Selbstbetrachtung und distanziert sich auch nicht von seinem Helfershelfer Dirk Notheis". Es fallen Sätze wie "War der CDU-Ministerpräsident nicht die Marionette eines windigen Bankers?" Oder: "Einer wie Mappus hätte niemals Ministerpräsident werden dürfen." Gleichwohl: Nun müsse Schluss sein mit dem öffentlichen Gefetze. Darunter leide das ohnehin gestörte Harmoniebedürfnis der CDU in Baden-Württemberg nur noch mehr. "Wer immer nur in den Rückspiegel schaut, kommt nie in der Zukunft an."

Wer aber könnte der CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2015 sein? Das sei die entscheidende Frage. Man müsse nur auf die CDU in Rheinland-Pfalz blicken. Weit über ein Jahrzehnt nach ihrem Zusammenbruch stehe die noch immer nicht wieder auf sicheren Beinen. "Man muss sich schnell wieder regierungsfähig machen", sagt ein CDU-Bundestagsabgeordneter. "Das ist die entscheidende Herausforderung für den Landesverband."

"Uns fehlt ein Moses"

Weit und breit ist jedoch kein potentieller Landesvater in Sicht. Fündig werden die suchenden Blicke nur in Brüssel. "Wir müssten mal mit Oetti reden", sagt einer, der häufiger mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten und heutigen EU-Kommissar Günther Oettinger zu tun hat. Leider habe der seine Rolle in Brüssel gefunden, wohin er auf Druck von Merkel auf abgeschoben worden war. "Der hat seinen Hafen gefunden", weiß der Oettinger-Kenner.

Trotzdem sorgt der Name - so kurios es ist - für Fantasie. Manche legen sich bereits ein Szenario zurecht: Sollte die CDU bei der kommenden Bundestagwahl verlieren und von Rot-Grün abgelöst werden, dürfte auch Oettingers EU-Vertrag nicht verlängert werden. EU-Posten werde die neue Regierung dann mit eigenen Leuten besetzen. Also wäre Oettingers 2015 ohne Job - genau rechtzeitig für die nächste Landtagswahl.

Das wäre dann eine besonders schräge Form des "Neuanfangs": Das Comeback eines alten Kopfes. Aber: Welche Alternativen hat der personalpolitisch ausgeblutete Landesverband? Ein CDU-Mann sagt: "Uns fehlt ein Moses, der uns ins gelobte Land führt." Sprich: Dringend gesucht ist ein Mann, mit dem sich der alte CDU-Spruch glaubwürdig verknüpfen ließe: zuerst das Land, dann die Partei, dann die Person. Bei Mappus hieß das: ICH, ICH, ICH.

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