Parteitag in Leipzig SPD-Chef Gabriel hält Steinbrück Stinkefinger vor

Unmittelbar vor dem Parteitag in Leipzig rechnet SPD-Parteichef Gabriel mit der vergeigten Bundestagswahl ab. Insbesondere Ex-Kandidat Steinbrück und sein "Stinkefinger" kommen schlecht weg.

SPD-Chef Sigmar Gabriel führt das enttäuschende Wahlergebnis seiner Partei auch auf die Diskussion über das "Stinkefinger"-Foto von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zurück. Steinbrück habe sich im Fernsehduell mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) "großartig geschlagen", wodurch sowohl er selbst als auch die SPD "deutlich populärer" geworden seien, sagte Gabriel der "Leipziger Volkszeitung" - "bis dann plötzlich die Debatte über den Stinkefinger kam".

Steinbrück hatte die im Wahlkampf auf ihn einprasselnde, teils beißende Kritik gegen den Rat seines PR-Beraters im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" mit dem ausgestreckten Mittelfinger gekontert.

Zwar hätten ebenso viele über die Geste gelacht, wie sie sie unangemessen fanden, sagte Gabriel der "Leipziger Volkszeitung". Das eigentliche Problem sei aber gewesen, "dass damit die politische Diskussion wieder unterbrochen wurde. Auf einmal wurde nicht mehr über Löhne, über soziale Sicherheit, über Steuergerechtigkeit, über Europa geredet. Es wurden wieder nur Haltungsnoten verteilt."

Gabriel stellt sich zur Wiederwahl

Allerdings sieht der SPD-Vorsitzende auch eine Reihe anderer Gründe für die große Stimmenkluft zwischen den Sozialdemokraten und Unionsparteien bei der Bundestagswahl. Dazu gehöre "die enorme Popularität von Frau Merkel" ebenso wie der Ärger über die von Gerhard Schröder angestoßene Agenda 2010 und damit verbundene Einschnitte im sozialen Netz. Zwar hätten letztere "maßgeblich zur aktuell guten wirtschaftlichen Lage beigetragen", seien von vielen Wählern aber eben auch als Verstoß gegen die "Prinzipien" der SPD wahrgenommen worden.

Gabriels Interview dürfte auch für Gesprächsstoff auf dem dreitägigen Bundesparteitag sorgen, den die SPD an diesem Donnerstag in Leipzig beginnt. Gleich am ersten Tag stellt sich der Gabriel den 600 Delegierten zur Wiederwahl.

Gabriel führt die SPD seit vier Jahren. 2009 in Dresden erhielt er 94,2 Prozent Zustimmung, 2011 in Berlin waren es 91,6 Prozent. Am Freitag wird die komplette restliche Parteiführung neu gewählt.

Insbesondere die Frage des Eintritts in eine große Koalition als Juniorpartner der Union dürfte das zentrale Thema des Parteitags werden. Am Ende entscheiden darüber sämtliche rund 473.000 SPD-Mitglieder per Briefwahl.

Nahles sieht "unüberbrückbare Differenzen" zur Union

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zeigte sich vor Beginn des Parteitags unzufrieden mit dem Stand der Gespräche. "Wir haben bislang noch nicht genügend Konkretes durchgekämpft, um guten Gewissens den Abschluss des Koalitionsvertrages empfehlen zu können", sagte sie der "Frankfurter Rundschau". Zwar habe sie das Gefühl, dass beide Seiten eine Einigung wollten. Bei einigen Fachthemen seien die Differenzen aber "noch nahezu unüberbrückbar", fügte sie hinzu. "Das wird noch weitere schwere Auseinandersetzungen mit sich bringen, zum Beispiel in der zentralen Frage der Bildung und Ganztagsschulen."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Union lehnt bislang zahlreiche Forderungen der SPD ab, darunter die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro oder die doppelte Staatsbürgerschaft ohne Optionszwang. Zudem sind CDU und CSU gegen höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende zur Finanzierung von mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur.

Juso-Chef Vogt stellt große Koalition infrage

Juso-Chef Sascha Vogt hält daher auch eine Zustimmung der SPD-Mitglieder zu einem Koalitionsvertrag mit der Union für völlig offen. "Wenn man heute die Mitglieder über eine große Koalition befragen würde, dann würde es sehr schwierig werden, eine Mehrheit zu gewinnen", sagte Vogt der "Rheinischen Post". Der Unmut gegen eine große Koalition sei immer noch enorm. "Die wirklich wichtigen Punkte haben wir noch nicht klären können."

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kng/DPA