"General-Anzeiger" (Bonn)
Schon jetzt hat das Ringen um die Zeit danach begonnen, das Feilschen um profitable Aufträge für den Wiederaufbau ebenso wie die Auseinandersetzung über die künftige politische Führung im Irak. An dieser Stelle werden die Grenzen der amerikanisch-britischen Partnerschaft sichtbar. Auch wenn Bush und Blair nicht müde werden, ihren Schulterschluss zu demonstrieren, ist doch klar, dass sie Unterschiedliches wollen: Washington will den Irak unter amerikanisches Kuratel stellen, London bringt die UN ins Spiel - Unilateralismus gegen Multilateralismus. Im Kampf an der Seite der Vereinigten Staaten, bei der Nachkriegsplanung auf Seiten der Europäer - Tony Blair wagt einen schwierigen Spagat. Er könnte, wenn dieser Kraftakt gelingt, jene Vermittlerrolle zwischen der alten und neuen Welt einnehmen, die so dringend besetzt werden muss.
"Kölner Stadt-Anzeiger"
Da wird sich das höchste Wesen, das wir - mit Bölls Doktor Murke gesprochen - verehren, aber schwer tun: Alle Amerikaner sollen den "Schutz für unsere Streitkräfte" erflehen, hat das US- Repräsentantenhaus beschlossen. Das ist doch wohl nichts anderes als ein Gebet um den Sieg im Irak-Krieg. Den der Herr verhüten möge - so skandieren es Abermillionen von Gläubigen in jener Weltgegend, wo sie Gott unter dem Namen Allah anrufen. Es soll Leute geben, die nicht den Sieg in der Schlacht für das wahre Geschenk Gottes halten. Vielleicht sollten die US-Abgeordneten einmal den Papst fragen, wofür der in diesen Tagen betet.
"Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg)
Amerika, das den Glauben an die konfliktlösende Kraft des Völkerrechts verloren hat, kämpft nun nicht mehr nur gegen den weltweiten Vorwurf, das Recht des Stärkeren an die Stelle des Willens der Weltgemeinschaft setzen zu wollen. Es kämpft jetzt auch gegen den verletzten Nimbus der technischen Überlegenheit und Unbesiegbarkeit. Deshalb auch wird die Schlacht um Bagdad bis zu Heranführung massiver Verstärkung und bis zur Konsolidierung der schwachen Nordfront aufgeschoben. Das bedeutet eine erhebliche Ausweitung des Krieges. Die Schreibtisch-Strategen, die den "irakischen Spaziergang" propagierten, an ihrer Spitze Verteidigungsminister Rumsfeld, haben gegen den Sachverstand ihrer Militärs jedenfalls schon mal eine herbe Niederlage erlitten.
"Die Welt" (Berlin)
Zehn Tage ist der Krieg erst alt. Dank dem 24-Stunden-Bombardement der Bilder und Berichte kommt es einem länger vor. So mancher Kommentator bekennt sich jetzt kriegsmüde und enttäuscht, weil sich die Fantasiegebilde eines unblutigen Einmarschs unter dem Jubel der Bevölkerung nicht realisieren. So mancher Politiker, der von "shock and awe" schwadronierte, wirkt selbst ein wenig schockiert und eingeschüchtert. Dabei gilt es festzuhalten: Die Operation war bisher ein militärischer Erfolg. Dass es keinen Widerstand geben würde, konnte nur glauben, wer die Natur des Regimes verkannte: Jede Diktatur stützt sich auf eine fanatisierte Basis und auf Terroreinheiten, die zu allem entschlossen sind.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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"Bild-Zeitung" (Hamburg)
"Was halten Sie eigentlich von diesen Montagsdemos in Leipzig?", wurde ich gefragt. Bevor ich antworten konnte, nächste Frage: "Nutzlos - oder? Kindergesichter." Ich mag Kindergesichter. Auf die in Leipzig bin ich stolz. Es tut mir gut als einem, der noch den Zweiten Weltkrieg erlebte und überlebte, dass unsere Enkel und Urenkel für den Frieden Flagge zeigen. Mag es nun nutzen oder nicht - diese Jugend demonstriert nicht nur gegen das Heute, sondern auch gegen das Gestern, gegen unsere blutige Geschichte für eine bessere Zukunft. Diese Jugend will Menschenrecht und Menschlichkeit. Und sie will es friedlich. Mit Gewaltlosigkeit Gewalt vertreiben, das hat schon öfter funktioniert - nicht nur in Leipzig. Ich bin kein Sachse, aber für jeden Deutschen ist es wie 1989 so auch heute ein gutes Gefühl, dass es Leipzig gibt.
"Nürnberger Nachrichten"
Es ist eine schöne Ironie der Geschichte, dass dieser überwiegend jugendliche Aufschrei gegen den Krieg seine stärkste Stimme in einem kranken alten Mann findet: Papst Johannes Paul II. ringt mit letzter, mit wachsender Kraft für den Frieden - für den Frieden unter Völkern wie unter Religionen. Er stemmt sich vehement dagegen, dass es zum befürchteten "Kampf der Kulturen", der Fundamentalismen kommt. Und inzwischen spricht selbst Kardinal Lehmann mit Blick auf Bush von einem "fundamentalen Zug", von einer "Instrumentalisierung" von Religionen. Da nämlich liegt eine Gefahr, die mit dem Ende des Krieges wohl wächst: Es wird "alle möglichen Extremismen entfesseln, auch den islamischen", warnte nun der vatikanische Außenminister Jean Louis Tauran - und man muss hinzufügen: auch den christlichen.
"Märkische Allgemeine" (Potsdam)
Mehr als eine Woche Feuer, mehr als eine Woche existenzielles Erschrecken über Bilder aus dem fernen Irak, die dem Begriff einer zivilisierten Welt Hohn sprechen. Bei all den widersprüchlichen Informationen, die auf den Beobachter einstürmen, lässt sich zumindest eines feststellen: Von der politischen und militärischen Führung der Vereinigten Staaten bis hinunter zum einfachen GI haben die meisten auf den schnellen Zusammenbruch des Regimes in Bagdad gesetzt und sich bitter getäuscht. Im Vergleich zum Golfkrieg 1991, in dem die Präsenz von Reportern auf den Gefechtsfeldern mit einigem Erfolg unterbunden worden war, schockieren heute Bilder eines schmutzigen Krieges mit schmutzigen Propagandatricks. Auch das ist Teil der Fehleinschätzung. Die Angst, das Staunen in den Gesichtern der Soldaten, dass alles anders als erwartet läuft, dass es kein Spaziergang nach Bagdad ist, teilt sich den Zuschauern dieser Tragödie mit.
"Hamburger Abendblatt"
Über die lang ersehnte Ankunft der, "Sir Galahad" mit ihrer tonnenschweren Hilfsladung in der südirakischen Hafenstadt Umm Kasr hatten nicht nur die durstenden und hungernden Iraker Grund zur Freude. Auch für die alliierten Streitkräfte der USA und Großbritanniens war dies ein wichtiger Tag. Endlich konnten sie nach Tagen des Bombardements und der Entbehrungen auf eine humanitäre Seite ihres Einsatzes verweisen. So hatten sie es den Irakern zuvor versichert. Doch die Alliierten sind mit ihren humanitären Versprechungen in eine Zwickmühle geraten. Solange sie militärisch nicht vorankommen und die Versorgungsrouten von der irakischen Armee angegriffen werden, können sie die Hilfsgüter nicht verteilen. Die humanitäre Katastrophe, vor der die Hilfsorganisationen warnen, ist deswegen nah. Die Welt wird die Bilder von hungernden irakischen Frauen und Kindern, die die USA auf jeden Fall vermeiden wollten, jetzt irgendwann sehen. Umso dringender ist es, dass die Weltgemeinschaft wenigstens auf diesem Gebiet wieder zusammenfindet und gemeinsam nach Lösungen sucht. Die UNO ist glücklicherweise auf einem Weg dahin.
"Süddeutsche Zeitung" (München)
Mit jedem Tag, den britische und amerikanische Panzer länger in Richtung Bagdad rollen, werden die Wahrnehmungsmuster vom feindlichen Westen populärer. Und sollte tatsächlich rund um die heiligen Stätten der Schiiten geschossen werden, könnte es ausgerechnet der ungläubige Zyniker Saddam Hussein schaffen, dass die islamische Gemeinschaft in Deutschland an ihren Rändern ausfranst, dass islamistische Gruppen neue Anhänger gewinnen, dass die Distanz zu Aufklärung, Demokratie, Menschenrechten eher wächst als abnimmt.
"Berliner Kurier"
Der Krieg im Irak bringt unsere Wirtschaft ins Trudeln. Und nicht nur die unsere. Die Weltwirtschaft beginnt, am Sieg der USA zu zweifeln. Ganz sicher ist, dass unser Wachstum durch den Krieg arg leiden wird. Ganz sicher ist auch, dass wir dadurch bald sehr nahe an die 6-Millionen-Marke bei den Arbeitslosen kommen werden. Wachstum heißt eben Konsum. Doch wer nicht konsumiert, kauft nicht. Und wo nicht gekauft wird, laufen keine Maschinen. Das ist das Einmaleins der Volkswirtschaft. Diese einfache Formel produziert aber binnen kurzer Zeit ein riesiges Heer von Arbeitslosen. Was also ist zu tun? Den Krieg können wir nicht stoppen. Die indirekten Kriegslasten wie Flüchtlinge, Care-Pakete werden auch über uns kommen. Das gebietet die Pflicht zur humanitären Hilfe. Die Folge ist daher ganz logisch: Noch mehr sparen, noch weniger staatliche Leistungen - und vielleicht höhere Steuern.
"B.Z." (Berlin)
Britische Soldaten der Scots-Dragoons machten im Süden des Irak bei der Stadt Az Zubair eine Entdeckung. Kriegsgefangene berichteten, in der Stadt befänden sich Al Qaida-Kämpfer, die das Feuer aus Granatwerfern und Geschützen gegen die Briten leiteten. Die im Süden des Irak lebenden Schiiten, welche die Masse von Al Qaida bilden, haben offene Rechnungen. Wenn Al Qaida-Kämpfer das Feuer leiteten, dann zwangen sie auch mit vorgehaltener Waffe unwillige Wehrpflichtige zum Kämpfen. Die Entdeckung erklärt nicht nur die unerwartete Zähigkeit der irakischen Truppen. Sie bestätigt auch, was Tony Blair - nicht anders als Bush - wiederholt zur Begründung des Irakkrieges anführte. Al Qaida und Saddam sind nicht wählerisch auf der Suche nach Verbündeten. Wenn der Bericht der angesehenen Zeitung "The Scotsman" sich bestätigt, dann sind Saddam und der Terrorfürst Osama Bin Laden Zweckverbündete. Dann gerät die Bundesregierung in Bedrängnis, nicht nur im Rückblick auf eine falsche Analyse vor dem Krieg, sondern noch mehr mit ihrer verfehlten Strategie im Krieg. Dann hilft nur noch bremsen und umdrehen.