Nach ihrer Einlassung, die ihr Anwalt am 249. Verhandlungstag des NSU-Prozesses verlas, steht Beate Zschäpe nicht in jenem Licht da, das ihre Verteidiger sich erwünscht hatten. Die Presse betrachtet nun das Bild, das von der Angeklagten gezeichnet wurde und fragt: Wozu zweieinhalb Jahre lang schweigen, wenn es doch gar nichts zu verschweigen gab? Eine Presseschau.
Süddeutsche Zeitung
"Was Zschäpe am Mittwoch im NSU-Prozess von ihrem Anwalt erklären ließ, hörte sich an, als wäre sie die eingebaute Opposition im NSU gewesen. Das gute, brave Frauchen, das nur eines wollte: Liebe. [...] Hier wird das Frauenbild der Fünfzigerjahre wie eine Kulisse vor eine knallharte, neonazistische Realität geschoben, die Hunderte Zeugen sehr einhellig bestätigt haben. In der Realität nämlich marschierte Zschäpe auf Neonazi-Demos, beteiligte sich an provokativen Aktionen und hatte Waffen in der Wohnung sowie Sprengstoff in der Garage. Außerdem war sie es, die das Enttarnungs-Video des NSU verschickte und die gemeinsame Wohnung anzündete. Das ist mittlerweile nicht mehr zu widerlegen. Und sie hat es auch so eingeräumt."
Frankfurter Rundschau
"Zschäpe hat rund zweieinhalb Jahre benötigt, um am 249. Verhandlungstag ihr Schweigen nicht etwa zu brechen, vielmehr einen ihrer neuen Verteidiger eine 50-seitige Erklärung vortragen zu lassen, in der sie sich als dreifaches Opfer inszeniert. Nach der Verlesung fragt sich nicht nur, worin der Grund für das Schweigen bestanden haben könnte, wenn Zschäpe gar nichts zu verschweigen hatte. Vor allem fragt sich, warum ihr ihre beiden neuen Verteidiger offenbar dazu geraten haben, zwar zu reden - aber nichts oder möglichst wenig zu sagen. Zschäpes Aussage war weder plausibel noch hat sie die wichtigsten Fragen beantwortet. Mit anderen Worten: Zschäpes Aussage war ein schwerer Fehler."
Tagesspiegel
"Geständnis, Reue, Aufklärung - an diesen Maßstäben misst das Publikum die nach den Worten ihrer neuen Anwälte nunmehr zwingende Einlassung der Angeklagten, und sie produziert damit, wie konnte es anders sein, Enttäuschung. Zweieinhalb Jahre nach Verlesung der Vorwürfe bricht die Protagonistin ihr Schweigen, unter dem Eindruck einer Beweisaufnahme, die ihre Beteiligung an den Mordtaten wie Puzzlestücke zusammensetzt. Nun greift Zschäpe zum Pinsel und möchte das in kleinteiliger Arbeit mühevoll entstehende Bild großflächig übermalen. Sie selbst als Opfer - irgendwie verführt, hingerissen, ängstlich."
Stuttgarter Nachrichten
"Das Gericht ist nicht zu beneiden. Die erste Einlassung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe hat den Münchener NSU-Prozess um eine Posse, aber nicht um Erkenntnisse ergänzt. Leider steht damit fest: Die Faktenbasis bleibt schmal, auf der das Gericht wird entscheiden müssen. Umso bedeutender wird damit die Arbeit der parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschüsse - nicht zuletzt in Baden-Württemberg. Es wäre erschütternd für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats, sollten statt Antworten nur Leerstellen bleiben."
Weser-Kurier
"Recht und Gerechtigkeit, so heißt es, seien zwei verschiedene Dinge. Selten wurde die Wahrheit dieser Aussage so deutlich wie am Mittwoch beim NSU-Prozess in München. Ja, Beate Zschäpe darf ihre Rolle bei den Verbrechen der Terrortruppe kleinreden. Sie muss sich vor Gericht nicht selbst belasten. Das hat mit geltendem Recht sehr viel, mit Gerechtigkeit jedoch nichts zu tun. Wer so blauäugig war und Erhellendes über die Mordserie und Zschäpes Rolle dabei erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht. Das Kalkül hinter ihren Einlassungen - das geringstmögliche Strafmaß - war überdeutlich. Zschäpe gab nur zu, was ohnehin nicht zu widerlegen ist; alles andere bestritt sie. Und wenn sie nach zweieinhalbjährigem Schweigen die Angehörigen der Opfer um Entschuldigung bittet, dann ist das am Ende einer solchen Aussage an Zynismus nicht zu überbieten. Nun ist es wieder am Gericht, die Wahrheit über die NSU-Mordserie herauszufinden. Wenn Beate Zschäpe nicht mehr aussagen will, als sie am Mittwoch von ihrem Anwalt verlesen ließ, hätte sie besser weiter geschwiegen."
Mitteldeutsche Zeitung
"Zschäpes Aussage war nicht nur unplausibel, sie verweigert auch die Antwort auf einige der wichtigsten Fragen dieses Prozesses. Eine lautet: Da es unmöglich ist, über Jahre hinweg ohne Hilfe von außen im Untergrund zu leben und die längste terroristische Mordserie in der Geschichte der Bundesrepublik vorzubereiten und auszuführen - wer waren die Unterstützer? Die zweite lautet: Welche Rolle spielten die Sicherheitsbehörden? Hier hat Zschäpe einen interessanten Hinweis gegeben. Tino Brandt war in den 90ern nicht nur Kopf des Neonazi-Netzwerks 'Thüringer Heimatschutz', er war auch V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes, mit dessen Geld - angeblich rund 100.000 Euro - er das Netzwerk finanzierte."
Nürnberger Nachrichten
"Bei Zschäpe geht es um lebenslänglich im Wortsinn. Oder um Freiheit nach einem guten Dutzend Jahren. Es mag sein, dass ihre neuen Anwälte glauben, sie könnten das Gericht mit der Aussage dorthin bewegen. Doch dafür wirkt das Geständnis nicht nur zu konstruiert. Es wirft vor allem die Frage auf, warum die mutmaßliche NSU-Terroristin nicht viel früher das Wort ergriffen, warum sie sich vier Jahre hat in Untersuchungshaft nehmen lassen, wenn die Vorwürfe gegen sie falsch sind. Vielleicht hat sie sich um Kopf und Kragen geredet."

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Südwest Presse
"Das Entsetzen der Angehörigen der NSU-Opfer über die Aussage von Beate Zschäpe ist mehr als verständlich. Es klingt wie eine Verhöhnung der Ermordeten und des Gerichts, wenn Verteidiger Mathias Grasel anderthalb Stunden lang die Versuche der 40-Jährigen verliest, sich aus der strafrechtlichen Verantwortung für die Taten der NSU-Bande zu winden. Dreizehn Jahre lang will Zschäpe von den Taten ihrer Mitbewohner Böhnhardt und Mundlos immer erst im Nachhinein erfahren haben. Mitglied einer Terrorgruppe sei sie nie gewesen. Statt echter Aufklärung gibt es nur eine jämmerliche Entschuldigung gegenüber den Opfern. Seit zweieinhalb Jahren treibt Beate Zschäpe das Gericht und die Öffentlichkeit vor sich her und macht eine vernünftige Führung des Prozesses nahezu unmöglich. Hinter den Wendungen und Volten der Angeklagten steht nur ein Ziel: Distanz zu den Mittätern zu schaffen, um ihre Verstrickung in die Taten zu verharmlosen und damit das Strafmaß zu drücken."
Freie Presse
"Im Fall Zschäpe - bezogen auf die Morde des NSU - wäre ein Komplett-Leugnen schon wegen der etlichen Beweise unmöglich gewesen, die ihre Kenntnis von Überfällen, Morden und Anschlägen belegen. Um solche galt es, in den vergangenen Monaten jene Erklärung drumherum zu stricken. Eine Erklärung, die all das, was der Prozess bisher zweifelsfrei bewiesen hat, zwar einräumt, aber allem dennoch einen unschuldigen Dreh geben soll. (...) Doch ist da ein Umstand, der Zschäpes Version vom hilflosen Opfer letzte Glaubwürdigkeit raubt: An der angeblich so willenlosen Beate Zschäpe vermisst man eines nämlich voll und ganz - jegliches Anzeichen von Mitgefühl für die Opfer."