Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Opel- Mutterkonzern General Motors (GM) scharf kritisiert und ein überzeugendes Sanierungskonzept gefordert. GM sei über Monate nicht in der Lage gewesen, "seiner Verantwortung als Mutterkonzern gerecht zu werden", sagte Merkel am Dienstag in ihrer Regierungserklärung im Bundestag.
Merkel machte dem US-Konzern klar, dass er den Hauptanteil der Sanierung selbst bezahlen muss. Der deutsche Steuerzahler werde nicht das meiste tragen. Sie schließt Staatshilfen aber nicht aus: Bund und Länder seien grundsätzlich bereit, Hilfen zu prüfen.
Die Opel-Beschäftigten hätten große Opfer gebracht und von GM Verlässlichkeit erwartet: "Sie wurden tief enttäuscht." Merkel machte keinen Hehl daraus, dass auch sie persönlich sich vom GM-Management getäuscht fühlt. Die Absage an den strategischen Investor Magna bedauere sie außerordentlich.
Magna war der erklärte Favorit der Bundesregierung gewesen. Es sah auch lange nach einem Zuschlag seitens GM aus, bevor der amerikanische Autobauer, derzeit mehrheitlich im Staatsbesitz, vergangene Woche erklärte, man wolle Opel doch behalten. GM hat das Insolvenzverfahren gestärkt überstanden. Für Merkel musste sich durch die Nachricht brüskiert anfühlen, weil sie Stunden vor der Meldung aus Detroit eine viel beachtete Rede vor dem US-Kongress in Washington gehalten hatte. Von Seiten der Regierung hatte sie jedoch nichts über die GM-Entscheidung erfahren, sondern erst im Flugzeug auf dem Weg zurück nach Berlin.
Fünf wichtige Punkte für das Regierungsprogramm
Die Kanzlerin nannte fünf wichtige Punkte für das Regierungsprogramm von Union und FDP. Als erstes müssten die Folgen der Krise überwunden werden. Zweitens gehe es um das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat. Auch müssten Antworten auf die Veränderungen beim Altersaufbau gefunden werden. Zudem müsse der Umgang mit den natürlichen Ressourcen geregelt und dafür ein globaler Ordnungsrahmen gefunden werden. Schließlich gehe es um das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit im Innern und Äußeren.
Hinsichtlich der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise kündigte die Kanzlerin eine "schonungslose Analyse" an. "Die neue Regierung will die Weichen für das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stellen", sagte Merkel. Die Bundesrepublik stecke in der schwersten Rezession ihrer Geschichte. Der Wachstumseinbruch sei fünfmal stärker als der größte Rückgang Anfang der 70er Jahre. Und die Krise werde ihre volle Wirkung erst im nächsten Jahr erreichen. Die Arbeitslosigkeit werde weiter steigen. Deshalb werde die Regierung die Antragsfrist für Kurzarbeit über Ende 2009 hinaus verlängern. Noch im Dezember solle über Maßnahmen gegen die eine Kreditklemme vor allem für mittelständische Unternehmen beraten werden.
Steinmeier: Merkel betreibt "Schuldenpolitik im Blindflug"
Merkel betonte, weltweit würden derzeit die Karten neu gemischt. Für Deutschland gelte es, jetzt die richtigen Karten, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. "Machen wir hierbei Fehler, dann sind sie kaum wieder gutzumachen. Machen wir es hierbei richtig, dann werden wir Deutschland zu neuer Stärke führen." Merkel rief Opposition, Wirtschaft, Kirchen und Gesellschaft auf, Deutschland gemeinsam "besser zu machen".
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Merkel vor, den sozialen Zusammenhalt zu gefährden, die Axt an die Solidarsysteme zu legen und "Schuldenpolitik im Blindflug" zu betreiben. Linke-Chef Oskar Lafontaine sagte, Merkel habe keine Vorschläge zur Bewältigung der Krise gemacht.

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Die Kanzlerin wies wachsende Zweifel an der geplanten großen Steuerreform zurück. "Deshalb werden wir auch im Jahr 2011 noch einmal einen weiteren Wachstumsimpuls setzen, und zwar in Form von Einkommensteuersenkungen." Dabei solle die Struktur des Steuersystems geändert werden. Im Koalitionsvertrag steht, dass eine Reform mit Stufentarif "möglichst" 2011 kommen soll. Die Länder haben Bedenken wegen der finanziellen Lasten.
Merkel dankt den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan
Merkel erteilte einem massiven Sparkurs trotz Rekordverschuldung eine Absage. Das "größte Streichungspaket" in der Geschichte Deutschlands sei theoretisch notwendig, aber keine Alternative. Sie bat den Bundestag um Unterstützung, damit das dritte Konjunkturpaket mit 8,5 Milliarden Euro Steuerentlastungen vor Weihnachten beschlossen wird. Damit seien insgesamt 22 Milliarden Euro Entlastung für 2010 geplant.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte in Brüssel am Rande von Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen allerdings zu, Deutschland wolle bis 2013 die Neuverschuldung unter die erlaubte Marke von drei Prozent drücken. Berlin werde die geplante EU-Vorgabe annehmen. Es sehe so aus, dass die EU-Kommission "für Deutschland empfehlen wird, ab 2011 das Defizit zu reduzieren bis 2013. Und das entspricht genau unseren Vorstellungen." Er halte einen Schuldenabbau bei gleichzeitigen Steuersenkungen für möglich.
Die Kanzlerin kündigte an, voraussichtlich zum UN-Klimagipfel in Kopenhagen zu reisen. "Ein Misserfolg der Weltklimakonferenz im Kopenhagen im Dezember würde die internationale Klimapolitik um Jahre zurückwerfen." Die Krise dürfe keine Ausrede für den Umweltschutz sein. "Jetzt erwarten wir Beiträge von den USA und Ländern wie China und Indien." Merkel bekräftigte, dass die Kernenergie für sie als Brückentechnologie unverzichtbar sei.
Die Bundeskanzlerin sprach sich für einen engen Dialog mit Russland aus. Sie teilte mit US-Präsident Barack Obama das Ziel einer atomwaffenfreien Welt. Merkel dankte den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Der Kampfeinsatz fordere Deutschland in besonderer Weise. Merkel gedachte der Toten und Verwundeten.