Die Sondersitzung des sächsischen Landtags hatte die Linksfraktion beantragt. Jahrelang hat der Verfassungsschutz Material gesammelt. Es soll Hinweise enthalten, wonach Justizbeamte, Polizisten und Politiker in Korruption, Amtsmissbrauch und Kinderprostitution verstrickt sind. Das Innenministerium schätzt, dass es noch mindestens bis Juli dauert, bis das komplette Material für die Staatsanwaltschaft aufgearbeitet ist.
Noch ist unklar, ob die Vorwürfe stimmen oder Verleumdungen sind. Aus Medienberichten ergibt sich ein Bild dunkler Machenschaften, deren Beginn in die frühen 90er-Jahre zurückreichen soll. Auch ein Krimiautor hätte sich die Anschuldigungen nicht besser ausdenken können. Das Material des Verfassungsschutzes soll Pressemeldungen zufolge rund 15.000 Seiten stark sein. Erst am Freitag übergab der sächsische Geheimdienst den Ermittlungsbehörden weitere Unterlagen zur Aufklärung.
Innenminister: Kriminelle Netzwerke arbeiten weiter
Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) geht davon aus, dass die kriminellen Netzwerke noch intakt und gefährlich sind. Allen, die gegen die Machenschaften in Sachsen kämpften, drohten Rufmordkampagnen, sagte Buttolo am Dienstag in der parlamentarischen Sondersitzung. Die Organisierte Kriminalität werde mit ihren Mitteln zurückschlagen und verleumden. "Sie wird Misstrauen säen, sie wird Gerüchte streuen, sie wird einschüchtern."
Die Liste der Vorwürfe ist lang. Von einem Filz ist die Rede, der sich zwischen Organisierter Kriminalität und sächsischen Amtsträgern gebildet habe. Ermittlungen seien verschleppt und verhindert worden. Mitarbeiter der Leipziger Stadtverwaltung sollen der Halbwelt bei ihren Geschäften geholfen haben, städtische Filetgrundstücke wurden angeblich auf dubiosen Wegen verkauft. Mysteriös auch der Fall eines leitenden Mitarbeiters einer Wohnungsbaugesellschaft. Er wurde niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt. Angeblich war er Drahtziehern krimineller Machenschaften im Wege.
Heimlich gedrehte Filme
Auch rege Kontakte von Amtsträgern ins Rotlichtmilieu habe es gegeben, berichteten Medien immer wieder. Das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete jüngst beispielsweise, tschechische Prostituierte hätten jahrelang im Leipziger Rathaus verkehrt.
Über den Fall "Jasmin" schrieb der Berliner "Tagesspiegel". Dabei geht es um ein Leipziger Bordell: Aus Unterlagen, die in Juristenkreisen kursieren und die der Zeitung vorlägen, gehe hervor, dass dort in den 90er Jahren minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen worden seien. Beamte und Politiker hätten in dem Puff verkehrt. Der Verdacht liege nahe, dass die Amtsträger mit heimlich gedrehten Sex-Videos erpresst worden sein könnten.
Am Wochenende fütterte die Presse ihre Leser mit neuen Details über den sächsischen Sumpf. "Leipziger Volkszeitung" ("LVZ") und "Süddeutsche Zeitung" meldeten, ranghohe Vertreter der Stadtverwaltung Leipzig seien regelmäßig bei einer "Tafelrunde" oder einem "Stammtisch" mit Immobilienmanagern zusammengekommen und hätten dabei "rechtswidrige Absprachen" über Grundstücksgeschäfte getroffen. Offiziell gab es dazu ein Dementi. So sagte ein Leipziger Stadtsprecher auf Nachfrage, ihm sei eine solche "Tafelrunde" nicht bekannt. Auch das sächsische Justizministerium nahm nicht Stellung. Die "LVZ" schrieb zudem, dass ein Anwalt Prostituierte, darunter Minderjährige, an mehrere Staatsanwälte und einen Strafrichter vermittelt haben soll. Außerdem werde einem Staatsanwalt vorgeworfen, aus dem Rotlichtmilieu mit Sex-Videos erpresst worden zu sein. Ferner stehen die Vorwürfe Strafvereitelung im Amt und Verletzung von Dienstgeheimnissen im Raum.