In seiner ersten Bund-Lände-Runde als Bundeskanzler hat Olaf Scholz (SPD) mit seinen Länderkolleginnen und -kollegen eine Reihe von Themen besprochen. Hauptsächlich ging es am Donnerstag aber um das Thema Corona. Scholz hat gemeinsame Anstrengungen mit den Ländern zugesichert, um die Corona-Impfungen in Deutschland deutlich zu beschleunigen. Auch angesichts des Wissens um Veränderungen des Virusgeschehens sei es umso dringender, dass nun möglichst viele eine Auffrischimpfung bekämen, sagte der SPD-Politiker in Berlin nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten mit Blick auf die neue Omikron-Variante.
Eine Sitzung des neuen Krisenstabs mit den Ländern solle in der kommenden Woche stattfinden, um weitere Impfangebote zu unterstützen, sagte Scholz. Auch der vorgesehene Corona-Expertenrat solle in der nächsten Woche zusammentreten. Die Lage solle immer aktuell verfolgt werden. Es sollten dann auch kurzfristig Entscheidungen von Bund und Ländern getroffen werden können.
Scholz bekräftigte das Ziel, bis Jahresende bis zu 30 Millionen Erst-, Zweit- und Auffrischimpfungen zu erreichen.
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Die Bürger und Bürgerinnen müssen sich nach Ansicht von Scholz auch langfristig auf Corona-Impfungen einstellen. "Wir werden wohl noch länger impfen müssen." Deshalb sei es sinnvoll, dass die Impfstrukturen, die nun etabliert würden, nicht so schnell wieder heruntergefahren würden. Scholz erwähnte Impfzentren in Kommunen, mobile Impfteams und auch Impfungen etwa in Apotheken, die jetzt gesetzlich ermöglicht werden. "Vielleicht ist es jetzt tatsächlich so, dass wir uns darauf einrichten müssen, dass wir immer mal wieder uns einen Piks beschaffen müssen, damit wir gut genug geschützt sind."
Wüst fordert schnellere Umsetzung der Impfpflicht
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat angesichts der zugespitzten Corona-Lage die neue Bundesregierung zu einer schnellen Umsetzung der Impfpflicht aufgefordert. Es gebe wissenschaftliche Zweifel, dass die bestehenden Corona-Schutzmaßnahmen ausreichten, wenn sich die Omikron-Variante weiter ausbreite, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).
Die Impfpflicht in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen zum Schutz besonders gefährdeter Menschen müsse "so schnell wie möglich" umgesetzt werden. Auch die Beratung über die allgemeine Impfpflicht dürfe sich nicht verzögern. Wegen der vierten Corona-Welle brauche es Tempo, um vor allem ältere Menschen zu schützen. "Das Impfen ist und bleibt die stärkste Waffe im Kampf gegen das Virus", sagte Wüst.
Wüst dankte der neuen Ampel-Koalition, das Infektionsschutzgesetz zu verschärfen und den Ländern mehr Möglichkeiten zu geben, die Menschen zu schützen. Es müsse weiter Voraussicht herrschen. "Wir müssen das Fernlicht nutzen und nicht nur auf Sicht fahren", sagte der CDU-Politiker.
Neues Infektionsschutzgesetz nimmt letzte Hürden
Das neue Infektionsschutzgesetz, das unter anderem eine Impfpflicht für das Personal von Krankenhäusern und Altenheimen vorschreibt, soll am Freitag die letzten Hürden nehmen: Der Bundestag (09.00 Uhr) berät abschließend darüber, danach soll es der Bundesrat (13.00 Uhr) billigen. In der Bundestagsdebatte wird der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine erste Rede nach Amtsantritt halten.
Mit dem neuen Gesetz können die Länder zudem Schließungen von Clubs und Diskotheken, aber auch von Restaurants, anordnen. Um die Auffrischungsimpfungen zu beschleunigen, sollen künftig auch Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker vorübergehend Impfungen gegen das Coronavirus verabreichen dürfen. Neben der Novelle des Infektionsschutzgesetzes entscheiden Bundestag und Bundesrat über eine Verordnung, die Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene ermöglichen soll.

Keine zusätzlichen Corona-Auflagen für Weihnachten – vorerst
Bund und Länder planen vorerst keine zusätzlichen Corona-Beschränkungen über die Weihnachtsfeiertage, wollen die Lage aber weiter beobachten. In der nächsten Woche soll ein vorgesehener Expertenrat auch für genauere Einschätzungen zur neuen Virusvariante Omikron zusammenkommen, wie Wüst deutlich machte. Wenn nötig, solle mit diesem Erkenntnisgewinn dann auch agiert werden.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, neue allgemeine Kontaktbeschränkungen hätten in der Runde keine Rolle gespielt. Er betonte, dass es nicht nötig sei, sich zu Weihnachten einzugraben. "Man kann Familie und Freunde treffen, die Frage ist: Wie?" Es sei nicht klug, mit 20 und mehr Menschen zusammenzukommen, ohne auf Schutz zu achten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, man wolle zunächst wissenschaftliche Expertise einholen und schauen, ob die Maßnahmen ausreichten. Notfalls würden kurzfristig auch weitere Entscheidungen auf die Tagesordnung kommen. Er betonte, dass die beschlossenen, sehr weitreichenden Beschränkungen vor allem für Ungeimpfte auch über die Weihnachtstage und das neue Jahr gelten.
Wüst: Arzneimittel-Strategie könne eine zweite Säule sein
Wüst hat zudem die Bedeutung einer gemeinsamen Bund-Länder-Strategie zur Beschaffung von Corona-Medikamenten unterstrichen. Dabei gehe es darum, dass Medikamente direkt nach einem positiven Corona-Test schnell beim Patienten ankämen, sagte der NRW-Ministerpräsident. Außerdem müsse Tempo gemacht werden bei den Zulassungen und möglicherweise auch die Arzneimittelforschung in diesem Bereich gezielt gefördert werden.
Eine gemeinsame Arzneimittel-Strategie könne eine zweite Säule sein neben dem Impfen, um besonders schwere Krankheitsverläufe und eine Überlastung der Intensivstationen zu verhindern. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe das bestätigt. Lauterbach war nach Angaben aus Teilnehmerkreisen zugeschaltet.
Immer mehr Corona-Medikamente kämen in die Zulassung und auf den Markt, sagte Wüst. "Entscheidend ist dabei immer, dass frühe Behandlung erfolgt, nicht erst wenn die Menschen mit Atemnot zum Arzt gehen." Dafür sei Aufklärungsarbeit nötig.
Bund und Länder wollen gegen Hass im Netz handeln
Bund und Länder befürworten zudem schärfere Maßnahmen gegen die zunehmende Hetze und Verschwörungstheorien im Netz in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Die MPK sprach sich dafür aus, dass Kommunikationsdienste, die sich faktisch zu einem "offenen sozialen Netzwerk mit Massenkommunikation" entwickelten, gesetzlich "angemessen" reguliert werden sollten.
Die Länderchefs und Scholz erklärten ihre Solidarität gegenüber den Betroffenen von Hetze und Hass. "Morddrohungen und Fackelaufzüge vor Privathäusern sind inakzeptabel", hieß es in dem gemeinsamen Beschluss. Es seien "eine ganze Reihe von Verrohungen" zu beobachten, sagte Scholz. Zwar gebe es schon eine "sehr entschiedene Gesetzgebung". Aber es bestehe von Länderseite der Wunsch, "ganz gezielt sicherzustellen, dass kein Netzwerk unbetrachtet bleibt".
Bund und Länder "sehen mit großer Sorge, dass über Kommunikationsdienste zunehmend Verschwörungstheorien, Lügen, Hetze, Anfeindungen und Aufrufe zu Gewalt verbreitet werden, die zeitgleich tausende Nutzerinnen und Nutzer erreichen", hieß es weiter. Die Verbreitung solcher Inhalte trage dazu bei, die Gesellschaft zu spalten und die freiheitliche demokratische Grundordnung zu gefährden. Wenn Rechtsverstöße in Kommunikationsdiensten nicht konsequent verfolgt und geahndet würden, konterkariere dies den "respektvollen und konstruktiven Austausch von Meinungen im Netz".
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