Anzeige
Anzeige

Kolumne "Fünf Minuten smart" Ein Hoch den Schuldenmachern! Helden des Fortschritts

Steve Jobs zeigte im Januar 2008 das erste Macbook Air
Genialer Schuldenmacher: Steve Jobs
© Jeff Chiu/ / Picture Alliance
Wer Schulden macht, hat einen schlechten Ruf. Völlig zu Unrecht, findet unser Autor. In Wahrheit seien sie die Helden des Fortschritts.

Liebe Schuldenmacher,

ich muss Euch verteidigen. Ständig werdet Ihr angepöbelt, Ihr seid "Zerstörer“, ruiniert Staat und Gesellschaft, sitzt in den Parteien, in Notenbanken, in Unternehmen, in Berlin, in Brüssel, in Washington, in Peking, und eines Tages werden wir alle unter Brücken schlafen, in Lumpen gehüllt, von Essensresten leben, Regenwasser trinken, und alles, alles, alles liegt an Euch. Den bösen Schuldenmachern. 

Das ist Quatsch. Ihr wisst das, aber viele Menschen glauben es. Sie vergessen, dass die Crash-Propheten in Parlamenten, Redaktionen oder Universitäten eigene Interessen verfolgen. Sie wollen Wähler gewinnen, Bücher verkaufen, sich im Rampenlicht sonnen.

Angst verkauft sich gut

Angst verkauft sich gut. Das liegt an unserer Herkunft, sagen Evolutionsforscher. Wir lieben Geschichten, weil wir so Erfahrungen austauschen und Gefühle erleben, und Angst ist ein Gefühl, das uns fesselt. Wir lesen deshalb lieber negative als positive Nachrichten.

Angst ist gut, weil sie uns vor Gefahren warnt. Aber Angst ist auch schlecht, weil zu viel davon passiv macht oder panisch. Wir sehen nicht mehr klar. Denn Ihr Schuldenmacher seid die Helden des Fortschritts.

Ohne Schuldenmacher kein Smartphone

Ihr haltet das für übertrieben?

Schaut in die Hosentasche. Genau, das Smartphone, meine ich. Ohne Schulden gäbe es kein Handy samt Apps. Nur weil in den 70er Jahren ein gewisser Steve Jobs in seiner Garage werkelte und sich eine Viertelmillion Dollar borgte, entstand Apple. Den Mann müsst ihr übrigens zu Eurer Ikone küren, sagte über ihn Apple-Mitgründer Steve Wozniak: "Er war ein Junge, der kein Geld hatte."

Oder erzählt von Zalando. Heute ein Konzern mit über 14.000 Arbeitnehmer und acht Milliarden Euro Umsatz, doch vor 13 Jahren gab es in der Torstraße in Berlin-Mitte nur eine WG, wo sich ein paar junge Leute ein Lager für Schuhe eingerichtet hatten. Sie liehen sich Geld, der Rest ist bekannt.

Immer begann der Aufstieg mit Schulden

Ob Facebook oder Google – immer begann der Aufstieg mit Schulden. Die ganze Digitalwirtschaft lebt vom Pump, ja die Geschichte des Kapitalismus ist eine Geschichte der Schulden. Die einen haben Ideen, aber kein Geld, die anderen haben Geld, aber keine Ideen. Und dann kommt ihr, die Schuldenmacher. Ihr schafft Fortschritt.

Nehmen wir den Staat. Wie soll er ohne Kredite Straßen, Schulen oder Krankenhäuser bauen? Den Bürgern erst das Geld über Steuern und Abgaben abknöpfen und dann investieren? Welcher Politiker wird dafür in einer Demokratie gewählt? Eben. Wachstum geht nur auf Pump. Sonst wächst nichts.

Ohne Schulden erstarrt die Welt

Eine Welt ohne Schulden ist eine erstarrte Welt. Erinnern wir uns doch an die Zeit vor dem Kapitalismus, vor mehr als 300 Jahren. Damals wuchs die Wirtschaft kaum. Im Jahr 1500, schreibt der israelische Historiker Yuval Noah Harari, lag die Pro-Kopf-Produktion bei umgerechnet 550 Dollar, heute bei 8800 Dollar. Der Grund? Der seid Ihr, die Schuldenmacher. "Kredit erlaubt uns, die Gegenwart auf Kosten der Zukunft zu erschaffen", sagt Harari. Die Last von heute, wird zum Gewinn von morgen, Ihr Schuldenmacher seid Brückenbauer zwischen Gegenwart und Zukunft. Wegen Euch leben viele Deutsche nicht mehr in zugigen Hütten, sondern in beheizten Wohnungen mit Geschirrspüler.  

Natürlich habt Ihr unter Euch auch Schwindler. Der Staatschef, der sich etwas borgt, um Günstlinge zu bezahlen, der Unternehmer, der mit Geliehenem seine Hobbys finanziert. Das sind keine Helden, das sind Betrüger. Aber ist deshalb Schuldenmacherei grundsätzlich falsch? Nur weil Donald Trump ein narzisstischer Rassist ist, sind nicht alle 46 US-Präsidenten narzisstische Rassisten gewesen.

Immer mehr Deutsche rutschen in die Schuldenfalle (Symbol)

Die moderne Welt geformt

Natürlich können Schulden Not erzeugen. Wenn sich die Mahnbriefe häufen, wenn die Gläubiger im Nacken sitzen, doch wann dieser Zeitpunkt tatsächlich erreicht ist, lässt sich nicht einfach sagen. Der Internethändler Amazon hatte sieben Jahre nur Schulden angehäuft, bevor er erstmals Gewinn machte, der Streamingdienst Spotify knapp zehn Jahre, und bei dem Fahrzeugdienstleister Uber warten die Geldgeber seit zwölf Jahren auf einen Gewinn. Dafür haben sie Milliarden von Dollar gezahlt.

Schauen wir auf die Staaten. Japan hat gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) den höchsten Schuldenberg der Welt (256 Prozent des BIP) und kann sich dennoch leicht Geld besorgen. Oder Griechenland. Der Staat war 2008 praktisch pleite, doch der Schuldenberg war damals niedriger als heute (2008: 110 Prozent des BIP, 2021: 213 Prozent des BIP) Heute sind die Schuldtitel von Griechenland sogar gefragt. Sechsmal mehr als geplant hätte das Land kürzlich an "Anleihen" verkaufen können, die Gläubiger vertrauen dem Staat wieder. Bei Schulden geht es um Psychologie, nicht so sehr um Fakten.  

Liebe Schuldenmacher, Ihr habt die moderne Welt geformt, aber die Menschen mögen Euch nicht. Deshalb wehrt Euch. Erzählt von den Werten, die Ihr geschaffen habt, von Steve Jobs und dem Smartphone und fragt die Menschen, ob sie auf Internet, Auto, Fernseher verzichten und in die Hütten zurückkehren wollen.

Vergesst nicht, Ihr Schuldenmacher seid die Guten, nicht die Crash-Propheten.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel