Eine Woche vor dem Bürgerentscheid über die Schulreform des schwarz-grünen Senats in Hamburg haben mehrere Kultusminister der Union an ihre Länderkollegen appelliert, mit immer neuen Reformen Schluss zu machen. "Systemkonstanz ist entscheidend für gute Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler", wird der Präsident der Kultusministerkonferenz, der bayerische Ressortchef Ludwig Spaenle (CSU), in der "Welt am Sonntag" (WamS) zitiert. Das habe die jüngste Bildungsvergleichsstudie der Bundesländer eindeutig gezeigt.
In Hamburg wird am 18. Juli darüber abgestimmt, ob eine Primarschule eingeführt und die Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre verlängert werden soll. Spaenle sagte dem "WamS"-Bericht zufolge, aus bayerischer Sicht sei der Hamburger Weg falsch. "Wir dürfen nicht die Einheitsschule vorbereiten, sondern müssen die individuelle Förderung der Kinder verbessern, das leistet das differenzierte, mehrgliedrige Schulsystem."
Niedersachsens neuer Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) pflichtete Spaenle bei: "Ziel muss es sein, die Unterrichtsstrukturen und die Qualität von Unterricht zu verbessern. Statt ständiger Bildungsreformen braucht Schule Kontinuität."
Sächsischer Kultusminister kritisiert eigene Partei
Der sächsische Kultusminister Roland Wöller (CDU) forderte einen Stopp der Hamburger Reform. Kritik übte Wöller auch an seiner eigenen Partei, die nach vielen Landtagswahlen leichtfertig das Bildungsressort an die kleineren Partner abgetreten habe: "Es geht nicht, nur die Bildungsrepublik auszurufen und dann nichts zu liefern. Meine Partei muss zu ihrer Verantwortung stehen."
Die baden-württembergische Ressortchefin Marion Schick (CDU) warb für das Gymnasium: "Die Gefahr besteht, dass das Gymnasium auf der Strecke bleibt. Es gibt kein überzeugendes Modell für ein Gymnasium mit weniger als acht Jahren." Aus ideologischen Gründen werde der Fantasie angehangen, dass die Gemeinschaftsschule die soziale Schichtung abbauen würde. Dafür gebe es keine empirisch hinreichenden Beweise, betonte Schick.
Reformgegner liegen in Hamburg knapp vorn
Bei dem Hamburger Volksentscheid zeichnet sich eine knappe Entscheidung ab. Nach einer Umfrage im Auftrag von "Bild", "Welt" und Sat.1 Nord liegen die Reformgegner mit 41 Prozent knapp vor dem parteiübergreifenden Befürworter-Bündnis, das auf 38 Prozent kommt. Rund 1,2 Millionen Wahlberechtigte sind zur Wahl aufgerufen.
Die Bürgerschaft hatte sich fraktionsübergreifend für die Schulreform ausgesprochen. In der Primarschule sollen Jungen und Mädchen künftig sechs Jahre lang gemeinsam lernen, bevor sie auf eine weiterführende Schule wechseln. Die Klassen sollen kleiner werden, Englisch wird ab der ersten Klasse unterrichtet. Das Vorhaben ist ein zentrales Projekt der schwarz-grünen Koalition in der Hansestadt unter Bürgermeister Ole von Beust (CDU).
Die Gegner hatten durch ein erfolgreiches Volksbegehren den Volksentscheid erzwungen, dessen Ergebnis für den Hamburger Senat politisch bindend ist. Das Bürgerbündnis aus Hamburger Eltern fordert, dass die weiterführenden Schulen ab Klasse fünf erhalten bleiben und Eltern nach der vierten Klasse wählen können, auf welche Schule ihr Kind geht.