Sondierungsgespräche "Laschet-Union ist die Pechmarie": So blicken die Medien auf die Frage, Jamaika oder Ampel?

Armin Laschet
Für Armin Laschet und seine CDU nehmen die Sondierungen bislang nicht den gewünschten Verlauf
© Sean Gallup / Getty Images
Für die Grünen stehen die Zeichen nach der ersten Sondierungsrunde auf "Ampel". Die Union hatte sich nach durchgestochenen Gesprächsinformationen weiter ins Aus katapultiert. Für die Medien steht der große Verlierer damit fest.

Nach der Bundestagswahl haben Grüne und FDP wiederholt bekräftigt, gemeinsam Grundlagen für einen politischen Aufbruch und Veränderungen schaffen zu wollen. Am Mittwoch zogen die Grünen nach der ersten Gesprächen zur Koalitionsbildung Bilanz. Die Partei strebt eine Ampel-Koalition an und will FDP und SPD "Dreiergespräche" vorschlagen. Die FDP, die sich bislang der Union zugeneigt zeigte, will sich im Laufe des Vormittags dazu äußern.

Entgeisterung löste am Dienstag eine Indiskretion aus dem schwarz-grünen Treffen aus. Die "Bild"-Zeitung berichtete über Einlassungen der Grünen bei den Themen EU-Finanzen, Migration und Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Die Grünen warfen CDU/CSU daraufhin einen Bruch der vereinbarten Vertraulichkeit vor – am Tag zuvor hatte bereits die FDP über Indiskretionen geklagt.

So sehen auch die Medien nach der ersten Sondierungsrunde einen großen Verlierer. Die Pressestimmen.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Ein frühzeitig clever geschmiedetes Bündnis jener beiden Parteien der politischen Mitte, die am schlechtesten abgeschnitten haben, erlaubt es ihnen, den Spieß umzudrehen und ihrerseits auszusuchen, mit wem sie lieber regieren wollen. Es war schon ein seltsamer Moment, als der CDU-Vorsitzende Armin Laschet am Dienstag nach dem Treffen mit den Grünen formulierte, ob der Weg in Richtung eines Jamaika-Bündnisses weitergegangen werde, entschieden "natürlich" FDP und Grüne. Natürlich! Sollte es sich bei dem Manöver von Grünen und FDP nicht nur um einen kurzlebigen Trick handeln, (…) so könnte es ungemütlich auch für einen Kanzler Scholz werden, käme es zu einer Ampel. Seine Partner könnten auch in der Legislaturperiode Drohpotential mit einem Fingerzeig Richtung Jamaika entwickeln.

"Kölner Stadt-Anzeiger": So sehr die Zeichen auf Ampel stehen, so sehr stehen sie für die Union auf Opposition. Es sind nicht nur das Wahlergebnis und aktuelle Umfragedaten, die diese Rolle nahelegen. Vielmehr ist es der Zustand der CDU nach 16 Jahren an der Macht. Durch die Übernahme oder die Beteiligung an einer Regierung mag sich eine Partei stabilisieren können – insbesondere eine wie die CDU. Neu aufstellen und für jüngere Wählerschichten wieder attraktiv machen kann sie sich so nicht. Es ist Zeit für einen harten Schnitt und echten Neustart.

"Leipziger Volkszeitung": Die nächsten Tage der Entscheidung sind für die FDP die schwierigsten. Wenn sie tatsächlich in Koalitionsverhandlungen für eine Ampel-Regierung geht, wird die Erwartungshaltung in der Bevölkerung gigantisch sein, dass diese auch glücken – anders als die Jamaika-Sondierungen 2017. Trotz aller vertrauensbildenden Maßnahmen der vergangenen Tage liefert sich Lindner mit einem Ja zu Ampel-Verhandlungen SPD und Grünen aus. Klar, könnte er abermals einen Rückzieher machen, wenn er inhaltlich nicht genug erreichen kann – dann wären aber seine Tage als FDP-Chef gezählt.

Sondierungen: FDP sucht nach Gründen für Jamaika-Absage

"Münchner Merkur": Die Laschet-Union ist so etwas wie die Pechmarie der deutschen Politik: Was immer sie anfasst, geht schief. Jetzt also auch die Jamaika-Sondierung mit der FDP. So ärgerlich die Durchstechereien auch sein mögen: Das enorme Aufhebens, das die FDP nun darum macht, liefert Hinweise, dass die Liberalen schon jetzt nach Begründungen für eine Jamaika-Absage suchen. Die Ampel ist für viele FDP-Wähler nicht erste Wahl, ein Lagerwechsel hin zu Rotgrün heikel. Wenn Christian Lindner springt, braucht er gute Argumente. Die liefert ihm die ebenso zerstrittene wie geschwätzige Union am laufenden Band. Setzte Lindner Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU durch und erwiesen sich diese später als die befürchteten unsicheren Kantonisten, wäre auch der FDP-Chef beschädigt. Und die SPD? Die genießt – und schweigt.

"Nordwest-Zeitung": In der CDU gibt es offenbar massive Kräfte, die gegen Jamaika agitieren. Anders sind die Durchstechereien nach den Gesprächen mit der FDP vom Sonntag nicht zu erklären. Das Ziel dieser Aktion ist klar: Manche wollen den gescheiterten Kanzler-Kandidaten und Parteivorsitzenden Armin Laschet stürzen und selbst an die Hebel der Macht in der CDU kommen. Ob nun Friedrich Merz, der den Traum vom Parteivorsitz immer noch in seinem Herzen trägt, oder zahlreiche jüngere Kräfte wie etwa Jens Spahn, Junge-Union-Chef Tilman Kuban oder auch Carsten Linnemann von der Union-Mittelstandsvereinigung – sie alle wollen auf der parteiinternen Karriereleiter nach oben klettern. Und die besten Chancen hätten sie, wenn alles ordentlich kracht und die Machtverhältnisse neu justiert würden. Diese Gemengelage beweist: Die CDU ist derzeit nicht regierungsfähig. Sie muss zunächst intern ordnen, wer das Sagen hat, bevor sie wieder die Regierung im Land übernimmt.

"Rhein-Neckar-Zeitung": Die Union hat die Bundestagswahl nicht nur verloren. Sie verhält sich auch so. Die Durchstechereien nach den Sondierungen mit der FDP, die demonstrative Unlust von CSU-Chef Söder nach dem gestrigen Gespräch mit der Grünen-Spitze: Das alles verfestigt das Bild einer Übergangspartei, die sich erst einmal selbst sortieren muss, ehe sie wieder als attraktive Koalitionspartnerin antreten kann. Vor allem die CDU wirkt zerstritten. Zu viele wollen Armin Laschet beerben, wobei die Spahns, Merz' und Röttgens anscheinend vergessen haben, dass die Menschen zwar den Verrat, nicht aber den Verräter lieben. Und das ist auch die politische Überlebensgarantie für Laschet – inklusive seiner wirklich beachtlichen Nehmerqualitäten: Es wäre klug, ihn den Übergang noch moderieren zu lassen. Ob die Partei dazu allerdings die Kraft aufbringen wird, ist eher zweifelhaft.

"Süd-West-Presse": Sicherlich: Die FDP favorisiert immer noch Jamaika. Das soll Lindner in den Sondierungen mit Laschet und Söder gesagt haben. Die Grünen brauchen ihrerseits die Option auf das schwarz-grün-gelbe Bündnis als Druckmittel für die SPD und den harten Verhandler Olaf Scholz. Deshalb gaben sich Baerbock und Habeck nach den Gesprächen mit der Union zurückhaltend. Es könnte also sein, dass Liberale und Grüne Jamaika nicht so schnell aus der Hand geben und mit beiden Parteien parallel verhandeln werden. Laschet jedenfalls wird dabei wenig bis gar nichts zu sagen haben.

DPA · AFP
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