CDU und CSU machen nach der Wahlniederlage alles andere als eine gute Figur. Die politischen Gegner mögen sich die Hände reiben, doch der Zustand der Union ist nicht trivial. Es muss Sorgen machen, wenn die Partei, die die Geschicke des Landes seit dem Weltkrieg maßgeblich bestimmt hat, und trotz allem eine starke politische Kraft bleibt, derart mit sich selbst zu tun hat. Nicht zuletzt, weil sie dennoch eine Koalition unter ihrer Führung anstrebt. Ist eine zerstrittene, weitgehend planlose und von den Wähler:innen abgestrafte Partei wirklich regierungsfähig? Selbsterkenntnis wäre der erste Schritt zur Besserung. Wirklich Verantwortung fürs Land zeigen, wenn die Union das Kanzleramt freigeben würde. Fünf Gründe für den Gang in die Opposition.
Eine ausgelaugte Partei
Es liegt in den Genen der Union, sich durch demonstrative Geschlossenheit und Loyalität zur eigenen Führung in einen Zustand zu manövrieren, wie sie ihn derzeit vorführt. Zum Ende der Ära Kohl war es nicht viel anders. Ein würdiger Nachfolger war durch und neben der Überfigur des Kanzlers der Einheit nicht aufgebaut, die Partei zerstritten und von Skandalen erschüttert. Immer wieder zeigt die Union den Hang, sich so lange an eine erfolgreiche Machtfigur zu klammern, bis sie programmatisch, strukturell und personell ausgelaugt ist. Durch eine weitere Kandidatur Angela Merkels konnte man das vor vier Jahren noch kaschieren, doch es gelang in den vergangenen vier Jahren nicht, das Versäumte nachzuholen. Spätestens im Wahlkampf wirkte auch die Kanzlerin selbst ausgebrannt, ja bisweilen desinteressiert. So aber verkommt Machtanspruch zum reinen Selbstzweck. Höchste Zeit, sich neu aufzustellen. Dass dies auch in der Regierung gelingen kann, wie Unionspolitiker jetzt gerne betonen, hat die letzte Merkel-Amtsperiode bereits weitgehend widerlegt. Es ist Zeit für CDU und CSU, von der Macht zu lassen.
Laschet ist längst verbrannt
Armin Laschet ist nach dem aufreibenden internen Machtkampf um den Parteivorsitz, den offenen Konflikt um die Kanzlerkandidatur mit Markus Söder, dem weitgehend inhaltslosen und verbockten Wahlkampf (Stichwort: Grinsen im Flutgebiet) und der deftigen Wahlniederlage längst verbrannt. Dass er dem Wahlsieger Olaf Scholz (SPD) immer noch nicht klar und öffentlich gratuliert hat, demonstriert zu allem Überfluss schlechten Stil – was ihm CSU-Chef Söder indirekt öffentlich unter die Nase rieb. Aus der eigenen Partei, aus der CSU sowieso, steht Laschet längst unter Beschuss. Selbst wenn es dem Mann aus Aachen-Burtscheid gelingen sollte, eine Jamaika-Koalition zu schmieden, scheint seine politische Zukunft keineswegs gesichert. Schon bringt sich sogar der bereits mehrfach unterlegene Friedrich Merz wieder für eine weitere Kandidatur um den Parteivorsitz in Stellung. Dass eine derart angeschossene Figur wie Laschet immer noch die Führung der Regierung anstrebt, ist geradezu verantwortungslos. Gestalten ist so jedenfalls nicht möglich – zumal der 60-Jährige inhaltlich für wenig konkret Erkennbares steht. Sein groß präsentiertes Zukunftsteam ist schon wieder Geschichte.
Kein verlässlicher Koalitionspartner
Die Schwäche Laschets ist die Schwäche der Union. Gedankenspiele, dass eine Jamaika-Koalition gebildet und dann von Markus Söder als Bundeskanzler geführt werden könnte, legen offen, wie sehr CDU und CSU sich an die Macht klammern. Und sie belegen erneut, wie sehr die Union mit sich selbst beschäftigt ist. Söder mag Umfragen entsprechend der bessere Kanzlerkandidat gewesen sein, doch er stand nicht zur Wahl. Ein solcher Schritt wäre eine klare Missachtung des Wählerwillens, an den sich zumindest diejenigen, die solche Gedankenspiele öffentlich machen, offenbar kaum gebunden fühlen. Dass potenzielle Koalitionspartner da mitspielen würden, ist ohnehin ausgeschlossen. Doch die Gedankenspiele allein belegen schon: Die Union wäre kein verlässlicher Koalitionspartner. Ein Regierungsbündnis, das jederzeit auseinanderbrechen könnte, kann sich das Land schon allein wegen der drängenden Herausforderungen durch die Klimakrise nicht leisten.
Ankreuzen, falten, einwerfen: schöne und skurrile Bilder aus den Wahllokalen

Ungeklärter Richtungsstreit
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff brachte es auf den Punkt: "Die Wahl wurde im Osten entschieden". In Sachsen und Thüringen wurde die AfD bei der Bundestagswahl zur stärksten Kraft – ein massiver Schuss vor den Bug der Union. Die Kandidatur des ehemaligen Verfassungsschutzchefs und Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen für die CDU in Thüringen war eine Belastung im Wahlkampf; zumal Armin Laschet es nicht vermochte, sich klar dazu zu positionieren. Tendenzen in den CDU-Landesverbänden im Osten zu einer Annäherung an die AfD haben schon Laschets Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur gekostet. Im Wahlkampf hat Laschet zwar jede Zusammenarbeit oder auch nur Annäherung an die AfD ausgeschlossen, doch die erzkonservative "Werte Union" stichelt weiter und Friedrich Merz kokettiert immer wieder mit seiner Nähe zu den Menschen im Osten – und, siehe oben, mit dem Parteivorsitz. Wie weit nach rechts will die Union driften? Auch dieser Richtungsstreit muss geklärt werden, ehe die Partei wieder bereit sein kann, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
Schlechte Bilanz
Nach 16 Jahren Union mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze steht das Land keineswegs gut da. Viele Brücken und Straßen sind marode, viele Schulen in beklagenswertem Zustand (und immer noch nicht Corona-gerecht ausgerüstet), die Flutkatastrophe an der Ahr zeigt einmal mehr, dass wir auf den Klimawandel nicht vorbereitet sind, in der Digitalisierung hinkt Deutschland im weltweiten Vergleich hinterher, da sind Pflegenotstand, Ärtzenotstand auf dem Land, unerschwingliche Mieten in der Stadt, eine überbordende und zudem veraltete Bürokratie, jedes fünfte Kind lebt in einem der reichsten Staaten der Welt in Armut und die Bundeswehr ist am Rande der Einsatzbereitschaft. All' das zeigt: Die Union war zuletzt nicht in der Lage, die Probleme anzupacken. Dazu: Maut-Debakel, Maskenskandal, Aserbaidschan-Lobby-Affäre, rechtswidriges Räumen des Anti-Kohle-Protestcamps im Hambacher Forst. Es ist keine neue Erkenntnis: Wer zu lange an der Macht war, neigt dazu, diese zu missbrauchen. Vor allem, wenn das bei Wahlen (lange) keine Konsequenzen hat. Nicht zuletzt deshalb: Höchste Zeit für Demut, höchste Zeit für Erneuerung, höchste Zeit für den Gang in die Opposition.