Kaum hatte der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in einer Berliner Journalistenrunde gesagt, wie er die Bundestagswahl im Herbst doch noch gewinnen will, verpasste ihm der aktuelle stern-RTL-Wahltrend eine eiskalte Dusche: Demnach hat der Sozialdemokrat kaum noch Chancen auf einen Wahlsieg im September. Seine Partei liegt bei lausigen 23 Prozent. Erstmals seit Ende 2009 hat Schwarz-Gelb wieder eine eigene Mehrheit.
Um ihn persönlich steht es nicht viel besser. Im Gegenteil: Bei den Sympathiewerten liegt Kanzlerin Angela Merkel schier uneinholbar vorn. Könnten sie den Kanzler direkt wählen, würden sich 19 Prozent der Bundesbürger für Steinbrück entscheiden. Und 57 Prozent für Merkel.
Der Slogan der Leiharbeitsfirma
Diese für die SPD wenig erfreuliche Umfrage wird in der Berliner Parteizentrale auch deshalb mit Sorge betrachtet, weil Steinbrück am Wochenende einen großen Auftritt hat: Auf dem Wahlparteitag in Augsburg soll mit viel Tamtam das "Regierungsprogramm" präsentiert und beschlossen werden. Es steht unter der Überschrift "Das WIR entscheidet". Diesen Slogan, peinlich für die SPD, nutzt auch eine Leiharbeitsfirma.
Steinbrück, der sich bisher als Solist einen Namen machte, setzt damit im Wahlkampf stimmungsmäßig auf Gemeinschaftsgefühl. "Mehr wir, weniger ich", erläuterte Steinbrück in Berlin den Slogan. In der politischen Landschaft der Bundesrepublik gäbe es einen gefühlten "Gezeitenwechsel", es sei wieder ein "stärkerer Gemeinsinn als Grundströmung" spürbar.
Diesen Gemeinsinn sollen auch die Themen spiegeln, die im Regierungsprogramm erfasst sind. Vorgesehen sind:
- Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von mindestens 8,50 Euro
- mehr Investitionen in die Bildung
- Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen
- Kindergeld vor allem für Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen
- stärkere Bekämpfung des Steuerbetrugs
- Kontrolle der Finanzmärkte
- eine Solidarrente von 850 Euro
- Begrenzung des Preisanstiegs bei Mieten
- eine Strompreisbremse
- höherer Spitzensteuersatz
- Erbschafts- und Vermögenssteuer.
Mit diesen Maßnahmen wollen die Sozialdemokraten das Land sozial gerechter machen, die Schere zwischen Arm und Reich soll sich wieder schließen. Steinbrück will die Inhalte in einem "Tür-zu-Tür-Wahlkampf" an die Frau und an den Mann bringen, der unmittelbar nach dem Parteitag in Augsburg eröffnet werden soll. Zum Glück sei es so, dass "was sozial gerecht ist, auch meist ökonomisch sinnvoll ist", sagte Steinbrück.
Der SPD-Kanzlerkandidat machte noch einmal klar, dass er für ein anderes Regierungsbündnis als Rot-Grün nicht zur Verfügung steht. Offen ließ er, wann er sein Begleitteam vorstellt, aus dem auch Ministerposten besetzt werden könnten. Fragen danach will er vorerst auf keinen Fall beantworten und er werde sich dabei auch von niemand unter Druck setzen lassen. Mitte Mai will er eine Wahlkampfreise durch die Bundesländer starten.
Steinbrücks Problem bei Wählerinnen
Die Frage, wie er seine schwachen Sympathiewerte bei Frauen verbessern will, beantwortete Steinbrück den Journalisten nicht. "Vielleicht können Sie mir einen Rat geben", antwortete er lächelnd. Wie Umfragen belegen, empfinden vor allem Frauen den Kandidaten Steinbrück als zu kalt und technokratisch. Steinbrück lehnt es jedoch bislang strikt ab, künftig mehr den Schmusebären zu zeigen. Er will vor allem mit Themen punkten.

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Grundsätzlich schloss er aus, dass er seinen politischen Stil noch ändern wird. Die schwachen Umfragen beunruhigen ihn offensichtlich nicht ernsthaft. Seine Aufgabe sei jetzt: "Kämpfen, kämpfen, kämpfen".