Die Delegierten nahmen am Mittwoch zum Abschluss des Parteitages in Bochum die finanz- und sozialpolitischen Teile des Leitantrags der Parteiführung an, der damit nach den Abstimmungen vom Dienstag zu anderen Teilen als Ganzes gebilligt wurde und die zentralen Reformprojekte der Regierung enthält. Doch sprach sich eine Mehrheit gegen den Willen der SPD-Spitze für die Ausweitung der Rentenversicherung auf alle Erwerbstätigen aus. Die Delegierten forderten zudem, bei der Berechnung des Beitrags zur Krankenversicherung künftig auch lohnunabhängige Einkünfte einzubeziehen. Schröder hatte sich zuvor gegen zu enge Vorgaben für das Regierungshandeln gewandt. Wie die SPD-Linke zog Schröder trotz schlechter Wahlergebnisse für Teile der Spitze eine positive Bilanz des Parteitags.
Der Leitantrag der Parteiführung wurde abgesehen von den sozialpolitischen Änderungen von den rund 500 Delegierten nach zweitägigen Beratungen ohne wesentliche Änderungen gebilligt. Die Parteiführung hatte sich von dem dreitägigen Treffen diese Unterstützung für die parteiintern strittigen Reformen von Schröders "Agenda 2010" und ein Aufbruchsignal für die Partei erhofft, die unter einem Stimmungs- und Umfragetief leidet.
Reformkurs mit Einschränkungen gebilligt
Am Schlusstag des Treffens stritten die Delegierten vor allem über die Renten- und die Gesundheitspolitik. Mit den Voten für die Ausweitung der Rentenversicherung auf alle Erwerbstätigen und für die Einbeziehung lohnunabhängiger Einkünfte beim Beitrag zur Krankenversicherung brachten sie der Parteispitze eine Niederlage bei. Damit legten sie diese in zentralen Fragen zur Bürgerversicherung stärker fest, als diese gewollt hatte.
Schröder selbst hatte sich in die Diskussion dazu mit der Warnung eingeschaltet, zu enge Festlegungen seien angesichts der noch am Anfang stehenden Debatte über die Bürgerversicherung nicht sinnvoll und könnten der Regierung das Handeln erschweren. Die Parteispitze hatte sich grundsätzlich für den Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung in eine Bürgerversicherung ausgesprochen, Details aber noch offen gelassen.
Die Delegierten stritten zudem über die Grundsatzfrage nach den Einschnitten bei der Rente und über die Anhebung des Alters der Frühverrentung. Sie folgten der SPD-Spitze in der Ablehnung eines steuerfinanzierten Gesundheitssystems. Forderungen nach einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer lehnten die Delegierten gemäß der Empfehlung der Parteispitze ab. Der von ihnen gebilligte Leitantrag sieht die stärkere Belastung großer Vermögen durch eine höhere Erbschaftsteuer vor. Der Parteitag bekräftigte zudem das Ziel, durch einen Ausbau der Kinderbetreuung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und damit vor allem Frauen bessere berufliche Chancen zu eröffnen.
Schröder zieht positive Bilanz
Trotz der heftigen Debatten und der Denkzettel für einige Vorstandsmitglieder bei den Wahlen werteten Schröder und die SPD-Linke den Parteitag als Erfolg. Schröder fühlt sich nach eigenen Angaben durch den Parteitag bestätigt: "Die Sozialdemokraten (...) unterstützen den Reformprozess", sagte er in seinem Schlusswort. Es sei deutlich geworden, dass die Sozialdemokraten gemeinsame Wertvorstellungen hätten. "Zur Realisierung gibt es immer wieder die Notwendigkeit, über die Wege dorthin zu streiten", ergänzte er.
Linken-Chefin Andrea Nahles sagte, die Partei habe sich auf die Reformnotwendigkeiten eingelassen. Der Reformprozess sei aber auch konkretisiert worden. "Die Partei hat ihr eigenes soziales Profil wieder aufgestellt." Dies sei festzumachen am Beschluss zur Ausbildungsabgabe und dem klaren Bekenntnis zur Tarifautonomie. Vize-Fraktionschef Michael Müller sprach von einem "Parteitag des Umbruchs".

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SPD-Generalsekretär Olaf Scholz räumte ein, dass sein eigenes schlechtes Wahlergebnis bei der Wiederwahl zum Generalsekretär sowie ein ähnlicher Denkzettel der Delegierten für den Vizevorsitzenden, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, das Bild vom Parteitag etwas getrübt hätten. Scholz war am Montag mit nur 52,6 Prozent bestätigt worden. Ihm werden von der Parteibasis schlechte Vermittlung der SPD-Politik und zu große Unterwerfung unter den Regierungskurs zur Last gelegt. In der SPD wurden Medienberichte bestätigt, wonach Schröder Niedersachsens SPD-Chef Wolfgang Jüttner vorgeworfen habe, das schlechte Wahlergebnis von Scholz mitorganisiert zu haben.
Kritik seitens der Union
CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erklärte, der Parteitag habe mit den Beschlüssen zu Erbschaftssteuer und Ausbildungsabgabe die letzten Hoffnungen auf eine wachstumsorientierte Politik zerschlagen.