Streitthema "Innere Sicherheit" Schäuble soll das Schnüffeln lassen

  • von Hans Peter Schütz
Union und Liberale sprechen derzeit erstmals über Innen- und Justizpolitik. Hier wird es mächtig krachen. Denn die FDP will eine alte Tradition neu beleben: die Verteidigung der Bürgerrechte. Online-Überwachung und Internet-Sperren passen dazu gar nicht.

Nach dem ersten Koalitionsgespräch traten Politiker von CDU, CSU und FDP wie frisch Verliebte vors Publikum. Alle jubelten über die "sehr gute Stimmung", der CSU-Mann Peter Ramsauer schwärmte gar von "bester Stimmung". Wenn es jetzt aber um die Rechts- und Innenpolitik geht, kann die Harmonie schnell von Misstönen abgelöst werden. Denn bei Online-Schnüffelei und Bundeswehreinsatz im Innern wollen die Liberalen ihre Duftmarken setzen. Geführt werden sie dabei von Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Max Stadler, beide von hartem liberalem Zuschnitt beim Thema Rechtsstaat. Dass beide auch noch in Bayern in einer Koalition mit der CSU verbunden sind, macht das Zusammentreffen noch heikler. CSU-Chef Horst Seehofer prügelte im Wahlkampf am liebsten auf die Liberalen ein.

Hinzu kommt, dass das Thema "Innere Sicherheit" FDP-Chef Westerwelle sehr viel näher am Herzen liegt, als er im Wahlkampf erkennen ließ. Nach der Eroberung der Machtbeteiligung verfolgt er ein Ziel ganz energisch: Er will aus der "Einpunktpartei" FDP, die nur von Steuerreformen redet, wieder den Lordsiegelbewahrer des liberalen Rechtsstaats machen. Hauptgegner auf diesem Wege ist Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Der ist, ein bemerkenswerter Vorgang, erst in letzter Sekunde für die Arbeitsgruppe Innen/Justiz/Informationsgesellschaft nominiert worden.

1. Bundeswehreinsatz im Innern

Zuweilen schwärmt Schäuble über "das große Maß an Übereinstimmung" mit der FDP. Auf Granit beißen wird er jedoch bei den Liberalen mit dem politischen Projekt, für das er seit vielen Jahren kämpft: den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Im Kampf gegen den Terror müsse das bei hoher Gefährdung zugelassen werden. Ohne Änderung des Grundgesetzes ist dies jedoch nicht möglich.

Die FDP zeigt sich jedoch Nullkommanull kompromissbereit in diesem Punkt. "Die FDP lehnt das strikt ab", so ihr Rechtsexperte Max Stadler zu stern.de. Seine Partei wolle keine "Nationalgarde". Stattdessen sei die Polizei entsprechend auszurüsten. Bei Terrorangriffen aus der Luft sei der Einsatz der Bundeswehr ja bereits erlaubt. Weiterer Konfliktstoff: Die FDP verlangt den schnellen Umbau der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee, die Union besteht weiterhin auf der Wehrpflicht.

2. Anti-Terror-Gesetze

Alle Gesetze, die in den vergangenen Jahren unter den Innenministern Schily und Schäuble beschlossen worden sind, will die FDP auf den Prüfstand stellen. Die Union möchte daran kein Komma ändern. Ein massiver Konflikt droht hier allerdings nicht, da die FDP nur davon spricht, sie wünsche "eine neutrale Examinierung".

3. Online-Durchsuchung

Ein großer Stein des Anstoßes für die Liberalen ist die Absicht der Union, die - jetzt schon dem Bundeskriminalamt erlaubte - heimliche Durchsuchung von Computerfestplatten auszuweiten. Was der Rechtsstaatsliberale Gerhart Baum eine "grundgesetzwidrige Schnüffelei" nennt, will Schäuble künftig auch dem Verfassungsschutz gestatten. Der soll außerdem heimlich Kameras in Wohnungen aufhängen dürfen, um so die Bürger zu bespitzeln. Die FDP-Rechtsexpertin Gisela Piltz: Schäuble "geht es um einen Eingriff in die virtuelle Persönlichkeit eines Menschen, um das Ausschnüffeln seiner ganz persönlichen Dateien, Kontakte, Termine, Fotos".

Die FDP kann ihren Widerstand mit einer Vorgabe des Verfassungsgerichts rechtfertigen: Das hat entschieden, dass die Schnüffelei nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr für "ein überragend wichtiges Rechtsgut" erlaubt sein könne. Nicht zu erwarten ist, dass sich die FDP mit ihrer Forderung durchsetzen kann, die Online-Durchsuchung gänzlich abzuschaffen. "Aber diese Schnüffelei muss entschärft werden und unter rechtsstaatlichen Voraussetzungen verbessert werden", sagt Stadler.

4. Arbeitnehmer-Datenschutz

Die FDP beklagt eine schier endlose Kette von Schnüffelaktionen gegen Arbeitnehmer. Sie würden wie etwa bei der Post, der Bahn und dem Discounter Lidl von ihren Chefs ausspioniert. Geschäftsleute haben Bewerbungen von Arbeitssuchenden bei ihrer Firma an Interessierte verkauft. Elf Jahre, so die FDP-Expertin Gisela Piltz, hätten SPD und CDU/CSU nichts zum Schutz der Arbeitnehmer getan. Es würde Ex-Bundesarbeitsminister Scholz Recht geschähen, so spottet sie, wenn seine Bewerbungsunterlagen für einen neuen Job auch mal im Internet angeboten würden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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5. Internet-Sperren

Stadler nennt als einen der wichtigsten rechtspolitischen Wünsche der FDP: "Weg mit den Internetsperren." Das von der Großen Koalition mit Blick auf den Kampf gegen die Kinderpornografie beschlossene Gesetz sei wirkungslos: "Es geht der FDP um die Täter und nicht um eine Zensur." Die Internetsperren würden von allen Experten als unwirksam bezeichnet. Die zwei Prozent, die die Piratenpartei bei den Bundestagswahlen bekamen, seien vor allem diesem unnützen Gesetz zu verdanken, klagt die FDP.

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