Superwahlsonntag 14.670 Kandidaten und 732 Sitze

Zu insgesamt neun Abstimmungen werden die Deutschen am Sonntag gebeten. Es gilt sieben Kommunal-, eine Landtags- und natürlich die Europawahl zu absolvieren. Allein für Straßburg buhlen 14.670 Kandidaten um 732 Sitze.

Allen Unkenrufen zum Trotz – der Urnengang für das Europaparlament dürfte eigentlich nicht zur befürchteten Geisterwahl werden. Jedenfalls nicht in Deutschland. Außer der Europawahl stehen außer einer Landtagswahl in Thüringen noch sieben Kommunalwahlen an (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Saarland). Mit anderen Worten: Für die große Mehrheit der Deutschen geht es bei dem Super-Wahl-Sonntag um mehr als darum, welcher mehr oder weniger bekannte Abgeordnete ins ungeliebte Europaparlament einzieht.

Stoiber fordert Unionswähler zu Protest auf

Es ist zu erwarten, dass der Abstimmung im Großen und Ganzen bundespolitische Bedeutung beikommt. Auch: Stimmungstest vor der Bundestagswahl 2006. CSU-Chef Edmund Stoiber sieht es ähnlich. Bei der CSU-Abschlusskundgebung in München forderte er seine Unionsanhänger zu einer Protestwahl gegen die Bundesregierung auf. Die Abstimmung am Sonntag sei eine Möglichkeit, den Protest gegen das Berliner "Versagen" zum Ausdruck zu bringen, sagte er.

Diverse Umfragen sehen die Union trotz leichter Verluste in der Nähe ihres Ergebnisses von 1999, als sie 48,7 Prozent der Wähler für sich gewinnen konnten. Der SPD wird ein Ergebnis von unter 30 Prozent vorhergesagt, sie lag vor fünf Jahren bei 30,7. Den Grünen erreichen laut Befragungen rund zehn Prozent gegenüber den 6,4 von 1999. Die FDP, die vor fünf Jahren mit 3,0 Prozent scheiterte, könnte auf fünf Prozent kommen. Damit wären die deutschen Liberalen seit zehn Jahren wieder in Straßburg vertreten.

Europawahl auch als Protest gegen den Irak-Krieg

Die ersten Ergebnisse in Großbritannien und den Niederlanden deuten zudem darauf hin, dass die Bürger die Europawahl nicht nur als Protest gegen ihre jeweiligen Regierungen, sondern auch zum Protest gegen den Irak-Krieg nutzen. In Holland etwa muss die christlich-demokratische Regierungspartei CDA nach vorläufigen Ergebnissen auf zwei ihrer bislang neun Sitze im EU-Parlament verzichten. Ebenfalls sieben der 27 Sitze für die Niederlande erreicht wahrscheinlich die größte Oppositionspartei, die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA).

In Großbritannien musste die Labour Party von Premierminister Tony Blair auf Grund der Ergebnisse der gleichzeitigen Kommunalwahl in England und Wales eine deutliche Niederlage hinnehmen. Die Regierung führte das Ergebnis auf die breite Opposition gegen den Irak-Krieg zurück.

Den Abstimmungsreigen fortgeführt haben am Freitag Tschechien ab, wo die Wahllokale auch Sonnabend noch einmal geöffnet haben. Auch Irland wählte am Freitag seine 13 Abgeordneten. Dort galt die Abstimmung als Referendum über die zunehmend an Popularität einbüßende Regierungspartei Fianna Fail. Am Sonnabend folgen die Wahlen in Lettland und Malta. In Italien wird am Samstag und am Sonntag gewählt. In den seit Anfang Mai 25 EU-Staaten bewerben sich bei der nach Indien zweitgrößten Wahl der Welt, 14.670 Kandidaten um die 732 Sitze im Europaparlament.

Schwarz-Grüne-Koalition in Thüringen?

Zurück zu den lokalen Abstimmungen: Die größte politische Bewegung könnte sich bei den Landtagswahlen in Thüringen ergeben: Umfragen zufolge ist es offen, ob die Union hier ihre absolute Mehrheit behaupten kann.

Entscheidend wird in Thüringen das Abschneiden der Grünen sein. Schaffen sie den Sprung in den Landtag, wird die Union ihre absolute Mehrheit wohl verlieren. Dann könnte es das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene geben - Grüne und FDP wären nicht mehr die automatischen Regierungspartner von SPD beziehungsweise Union. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) hat indes ein Bündnis mit den Grünen abgelehnt und auch die Grünen sind angesichts inhaltlicher Differenzen mit der CDU skeptisch.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Schwarz-rote-Koalition wäre Erfolg für die SPD

Zweite Variante ist eine große Koalition von SPD und CDU - was für die SPD nach zahlreichen Wahlniederlagen ein kleines Erfolgserlebnis wäre. Ein Regierungsbündnis mit der in Thüringen starken PDS haben sowohl Grüne als auch SPD abgelehnt.

AP · DPA
DPA/AP/Niels Kruse