Ein kleines Geschenk, Herr Sarrazin, habe ich Ihnen mitgebracht. "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing.
Ja. Schön. Danke. Warum?
Weil ich hoffe, dass auch für Sie noch die Chance besteht, wegzukommen von diesem Hass auf das Fremde, auf Migranten, auf den Islam, den Koran. Das Büchlein eines alten Aufklärers als Anregung, dass mit ein wenig Toleranz die Welt besser dran wäre.
Ich fühle keinen Hass in mir, bin auch nicht intolerant.
Ihre Bücher sprechen eine andere Sprache.
Sie müssen mir in meinen Büchern genau die Stellen zeigen, die Hass widerspiegeln oder Mangel an Toleranz. Wenn ich eine Sache untersuche, gehe ich sehr akribisch vor, ich versuche, den Dingen auf den Grund zu gehen, und bilde mir erst dann mein Urteil.
Ich würde sagen, Sie beuten Vorurteile aus, Sie bauen Vorurteile auf.
Das ist eine böswillige Unterstellung.
Ihr neues Buch, "Feindliche Übernahme", ist der Beweis, ich fasse es kurz zusammen: Der Muslim ist gefährlich. Der Muslim ist rückständig. Der Muslim unterdrückt Frauen. Aber besonders gefährlich ist der junge Muslim. Er ist nicht nur gewalttätig, er produziert auch viel zu viele Kinder. Obendrein: Der Muslim ist wegen seines Glaubens demokratieunfähig, und er will die Weltherrschaft.
Sie sind polemisch. Sehen Sie, ich verwende nirgendwo in meinem Buch den Ausdruck "der Muslim". Ich wiederhole stattdessen immer wieder, dass es den Muslim nicht gibt. Sondern dass es um statistische Häufigkeitsverteilungen geht, und diese implizieren immer, dass der eine so ist und der andere so. Den Begriff "der Muslim" würde ich genauso wenig verwenden wie "der Ausländer", "der Migrant" oder "der Journalist".
Entschuldigung, ja, Sie haben recht. Sie sagen in der Tat nicht "der Muslim". Sie sagen stattdessen "die Muslime" – so heißt auch ein Kapitel in Ihrem Buch.
Sie müssen meinen Text genau anschauen. Ich habe ihn ja selber mehrfach überprüft. Die Fakten mögen polemisch wirken, der Duktus meiner Sprache ist es nicht.
Herausgekommen ist eine Kriegserklärung an den Islam und an Muslime.
Wir stehen in einem Kampf der Kulturen, so ist es. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft unserer Zivilisation. Ein Netz von Gefahren umgibt uns. Was ich im Koran vorgezeichnet finde, bestimmt zu großen Teilen die Gegenwart der Muslime in Deutschland, Europa und der ganzen Welt.
Ein Buch, um die 1400 Jahre alt, zur Erklärung der heutigen Realität herzunehmen – das geht nicht.
Doch. Darin liegt ja das Problem, dass viele Muslime genau das versuchen. Ich konstatiere, dass der islamische Fundamentalismus zunimmt. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Einstellungen in der islamischen Welt liberaler werden. Darauf müssen wir mit unserer Einwanderungspolitik reagieren und auch unsere Integrationspolitik konsequent ausrichten.
Feindliche Übernahme. Durch Muslime. Heimtückisch. Gefährlich. So sehen Sie das.
Im Islam wird langfristig gedacht. Die feindliche Übernahme des christlichen Abendlandes ging um 650 los und fand ihren ersten Höhepunkt 1453 mit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen. Noch 1914 gab es in Kleinasien 25 Prozent Christen, heute gibt es in der Türkei bloß noch ein Prozent. Es geht bei diesem Kampf, in dem wir stehen, um historische Prozesse. Das Gefährliche ist: Durch die massenhafte Einwanderung von Muslimen nach Europa erfährt dieser Prozess seit einiger Zeit eine ungeheure Beschleunigung.
Das ist ein Phantasma, dieses Gerede von der Masseneinwanderung: Es gibt keine.
In zwei, drei Generationen, so sieht es übrigens auch der französische Schriftsteller Michel Houellebecq, werden die Muslime hier die Mehrheit stellen, wenn die Trends bei Einwanderung und Geburtenhäufigkeit so bleiben. Sie können dann die Gesetze ändern, Deutschland, Europa so gestalten, wie sie es haben wollen.
Es ist doch irre, was Sie hier sagen.
Nein, man muss sich nur die Zahlen anschauen.
Hinter jeder Zahl steht ein Mensch. Der kann sich entwickeln, verändern, sich aus bedrückenden Verhältnissen befreien – sich komplett anders verhalten, als Ihre Statistiken es vorhersehen.
Beim Einzelnen ist das immer möglich, für die große Masse unwahrscheinlich. Ich habe aus dem Koran ein mentales Profil der Muslime abgeleitet, das leider sehr stabil ist. Und ich betone immer wieder, dass über die Art, wie der muslimische Glaube gelebt wird, nur die Muslime entscheiden. Nicht wir als Nichtgläubige.
Sie schreiben: "Die immer größer werdenden islamischen Communities beanspruchen in physischer und geistiger Hinsicht mehr und mehr öffentlichen Raum."
Davon unterstreiche ich jedes Wort dreimal!
Dieser Satz erinnert mich an etwas. Sein Subtext: Bald ist Deutschland wieder ein Volk ohne Raum.
Sie, Herr Luik, unterstellen mir ständig Dinge, die ich nicht sage. Das ist unter Ihrem Niveau! Ich habe nie geschrieben, Deutschland sei ein Volk ohne Raum. Natürlich kenne ich das Buch von Hans Grimm, auf den dieser Satz zurückgeht. Natürlich weiß ich genau, was Sie assoziieren wollen: Sie wollen mich in Richtung der NS-Ideologie schieben. Das ist absoluter Quatsch, es ist so primitiv, dass ich darauf gar nicht antworten sollte.
Dann betonen Sie, dass der Islam gar nicht anders kann, als sich auszudehnen, er sei schließlich "tief geprägt vom Nomadentum seiner Entstehungszeit".
Ich beziehe mich bei diesem Gedanken auf den deutschisraelischen Schriftsteller Chaim Noll.
Der auf dem rechtsradikalen Blog "Achse des Guten" publiziert.
Die "Achse des Guten", Entschuldigung, das ist absoluter Schwachsinn, ist nicht rechtsradikal! Auch ich schreibe da regelmäßig.
Ich weiß. Und das sagt viel über Sie.
Diese Spitzen, nochmals, sind unter Ihrem Niveau! Schauen Sie sich doch einfach mal die Wirklichkeit in Deutschland an! Gehen Sie mal über die Sonnenallee in Neukölln. Da sind die verhüllten Frauen in Kopftüchern schon fast der Normalfall, und sie werden, auch das ist fast der Normalfall, häufig von zwei, drei, vier Kindern begleitet! Auch auf dem Kurfürstendamm und auf der Reichsstraße in meinem Stadtviertel Westend nehmen sie zu. Und ich möchte nicht, dass es bald in ganz Berlin oder in ganz Deutschland so aussieht!
Ich versuche mal, durch Ihre Brille zu schauen. Nicht nur der Islam ist sehr gefährlich, besonders gefährlich sind auch bestimmte Deutsche: "Für viele Linke und Liberale in den Gesellschaften des Westens", schreiben Sie, "aber auch für viele Vertreter des Christentums besteht die Faszination der Einwanderung von Muslimen offenbar darin, dass die Sitten, Traditionen und die Machtverhältnisse der als glaubenslos und materialistisch empfundenen westlichenGesellschaften infrage gestellt werden und die Legitimität des abendländischen Projekts samt Marktwirtschaft und Leistungsorientierung untergraben wird."
Ein schöner Satz.
Ein langer Satz, ein wirrer Satz, ein irrer Satz.
Ich habe sehr lange an diesem Satz formuliert und lange über ihn nachgedacht. Ich habe lange an ihm gebastelt, bis er mir so rund erschien, dass ich sagte: Ja, so musst du ihn schreiben.
Er sagt: Linke, Liberale und auch Christen wollen sich freudig einem reaktionären Islam unterwerfen.
Der Satz fasst für mich wunderbar zusammen, wenn ich Leuten wie den Grünen Katrin Göring-Eckardt oder Claudia Roth zuhöre, wie sie über Muslime reden. Aber das gilt auch für viele meiner eigenen Parteifreunde oder auch den CDU-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Diese Leute, die gegen Unrecht so empfindlich sind, interessieren sich überhaupt nicht dafür, was mit muslimischen Frauen passiert, wie sie unterdrückt werden.
Das stimmt doch nicht.
Doch.
Sie behaupten das einfach. Das ist auch die Arbeitsmethode in Ihrem Buch. Sie schießen 500 giftige Pfeile raus, und wenn man 450 abfängt, kommen immer noch 50 durch und wirken.
Das ist nicht richtig, was Sie da sagen. Es ist frech. In diesem Buch habe ich die vorhandene wissenschaftliche und empirische Evidenz über das Integrationsverhalten von Muslimen in Deutschland und Europa ausgewertet anhand allgemeiner statistischer Unterlagen und Informationen. Und diese Erkenntnisse habe ich dann, nachdem ich sie belegt hatte, zusätzlich immer wieder durch Einzelfälle illustriert.
Mit all diesen Zahlen versuchen Sie den Eindruck zu erwecken: Was ich mache, ist objektiv, topkorrekt. Aber eben das ist es nicht. Da schreiben Sie zum Beispiel: "Auch in Berlin gibt es mitten in der Stadt von Muslimen betriebene Lokale, in denen Frauen der Zutritt untersagt ist, weil die Männer das so wollen."
Ja.
Sie berufen sich dabei auf einen Artikel aus dem "Berliner Kurier". Man findet ihn im Netz nicht mehr.
Das stimmt.
Im stern-Pressearchiv finde ich ihn, da ist aber nur von einer Sportbar die Rede, Sie aber machen ganz en passant einen Plural daraus: Sie reden von Lokalen. Schlimmer noch: Die Zeitung hat ihre eigene Darstellung widerrufen, "es gab und gibt kein Zutrittsverbot" für Frauen. Das unterschlagen Sie im Text. Nur im Anhang findet sich in einer kleinen Fußnote der merkwürdige Hinweis, der Ihre eigene These widerlegt: "Offenbar gab es kein formales Zutrittsverbot für Frauen."
Also, Entschuldigung, ich kann mir vorstellen, wie die Abläufe waren. Bei uns darf ein öffentliches Lokal Frauen nicht ausschließen, das wäre rechtswidrig. Es wird deshalb ein Anwaltsschreiben von dem Lokal an die Zeitung in dieser Sache gegeben haben.
Das vermuten Sie einfach mal so.
Gehen Sie durch Kreuzberg oder Neukölln, dann stellen Sie fest, dass diese Trennung faktisch so gelebt wird.
Da widerruft eine Zeitung ihre Falschmeldung, aber Sie halten an der Fake News fest, weil Sie Ihnen ins Bild passt.
Nochmals: Es ist eine Tatsache, dass das gesellschaftliche Leben von Männern und Frauen im Islam weitgehend getrennt ist. Das ist ein Kennzeichen des Islam in seiner knapp 1400-jährigen Geschichte.
"Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt", sagte der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg. Und genau das ist Ihre Vorgehensweise.
Nein. Ich analysiere Fakten und werte dazu statistische Untersuchungen aus. Und wenn diese eine gewisse Tendenz erkennen lassen, dann schaue ich, was ich an kausalen Zusammenhängen finde, die diese Tendenz erklären. Dabei lasse ich mich gern von der Wirklichkeit widerlegen.
Aber wenn Sie keine passende Zahl finden, muss man, so O-Ton Sarrazin, "eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch".
Genau. Dann mache ich eine sogenannte beste Schätzung.
Was Sie also als "Fakten" bezeichnen, nenne ich ideologische Sprengköpfe.
Mit Fakten arbeite ich so seriös wie möglich. Wer mit mir diskutieren will, sollte sich mit ihnen auseinandersetzen. Natürlich habe ich auch eine große Fähigkeit zur Polemik. Aber von der mache ich nur sehr sparsam Gebrauch.
Wo kommt diese Fähigkeit her?
Das ist mein Temperament, meine Lust und mein Wunsch, Dinge auf den Punkt zu bringen.
Sie haben ja auch eine ganz große Aufgabe, nämlich, O-Ton Sarrazin, "die Welt ein Stück weit so zu gestalten, wie ich sie mir vorstelle".
Im Erkennen und Gestalten liegt mein Antrieb, und das ist ja auch legitim. Ich habe gelernt in meinem Leben als Beamter und Politiker, dass man die Fähigkeit zur Polemik vorhalten muss wie ein starker Staat sein Militär. Es reicht meistens, die Kanonen zu haben. Aber wenn es nötig ist, muss man auch mal ballern.
Und nun ballern Sie gegen jugendliche Muslime: Vor einem Jahr gab es eine Randale bei einem Stadtfest in Schorndorf, und für Sie …
Schorndorf war für mich interessant, weil man da sah, wie eine Nachricht lebt und sich verändert. Und weil man da, wie unterm Brennglas, all die Probleme erkannte, die man mit muslimischen Migranten hat.
Sie beziehen sich auf eine Meldung der "FAZ", nach der es "zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen einer Gruppe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Polizei gekommen" ist. Für Sie ist diese Meldung unter anderem der Beweis für die aggressive Gewalttätigkeit der jungen Muslime, die überall und jederzeit explodieren kann, für die sexuellen Übergriffe von Muslimen auf Frauen.
Ich habe, wie gesagt, das Leben dieser Nachricht dargestellt. Wie zuerst die "FAZ" etwas berichtete, wie sie später die Zahl der gewalttätigen Jugendlichen wegließ und auch den Berichtsteil über die Übergriffe auf die Frauen verkürzte.
In Ihrem Buch schreiben Sie, dass der Schorndorfer Oberbürgermeister wohl bei der "FAZ" interveniert habe.
Das war meine Vermutung.
Glauben Sie tatsächlich, dass der OB einer Kleinstadt bei der "FAZ" anruft und sagt: Nehmt die Sache mit den Ausländern raus! Und dass die "FAZ" dann brav spurt?
Ein OB macht das so, wie ich das in meinen Staatsämtern auch getan habe. Wenn mir eine Meldung unzutreffend schien, sie eine falsche Tendenz wiedergab, habe ich bei den zuständigen Journalisten angerufen.
Interessant.
Ich habe das Hunderte Male als Staatssekretär, als Finanzsenator oder Bundesbeamter so getan. Und offenbar hat in diesem Fall der Oberbürgermeister oder sein Pressesprecher genauso gehandelt.
Das ist, wieder einmal, eine Vermutung.
Rüdiger Soldt, der "FAZ"-Journalist, der die Artikel schrieb, hat jedenfalls den OB in der revidierten Meldung zitiert.
Vielleicht aber hat Rüdiger Soldt von sich aus einen Sachverhalt einfach nur handwerklich richtiggestellt?
Das ändert nichts daran, dass er den OB zitiert hat.
Mein Gott, man nennt das: journalistische Sorgfalt!
Und dann kam das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit seinem Silberblick auf das ganze Geschehen. Die ARD-"Tagesschau" ließ den Migrationshintergrund der Gewalttäter komplett fallen, jetzt war nur noch von 1000 jungen Menschen die Rede. Ich habe die Berichterstattung über Schorndorf korrekt zitiert.
Nein, das haben Sie nicht. Fast alle Medien haben damals ihre übereilten Falschmeldungen richtiggestellt, die dpa hat sich sogar entschuldigt. Das erwähnen Sie nicht. Übrigens auch nicht den Polizeibericht. Die Polizei meldete: Ausgelöst wurde die Randale von einem 16-jährigen Deutschen, der einem Syrer eine Flasche an den Kopf warf.
Hatte dieser "Deutsche" einen Migrationshintergrund?
Es war ein Deutscher, sagt die Polizei. Es waren auch nicht 1000 gewalttätige Migranten, die randalierten, sondern "ungefähr 100 Personen überwiegend mit Migrationshintergrund", es gab auch keine bewaffneten Trupps, die durch die Stadt zogen. In gerade mal sechs Fällen ermittelte die Polizei wegen sexueller Belästigung. Schlimm genug das, aber gewiss kein Beweis für die prinzipielle Gewalttätigkeit von muslimischen Jugendlichen.
Zur Gewaltfrage lesen Sie bitte meine Statistiken. "Prinzipiell" nenne ich die Gewalttätigkeit nirgendwo. Das Beispiel Schorndorf ist in meinem Buch eine Illustration zur Beschreibung der Problematik von in großen Zahlen auftretenden muslimischen Jugendlichen.
Nein, es ist dafür kein Beispiel. Sie haben nichts dagegen, wenn ich Sie einen Hassprediger nenne?
Das ist eine haltlose Beleidigung, mit der Sie das Wirken muslimischer Hassprediger verharmlosen. Ich predige keinen Hass. Ich habe in meinem Buch alles sehr abgewogen formuliert.
Das sehe ich anders.
Das habe ich in zwar in den vergangenen Stunden mitbekommen, aber Ihre Behauptungen bleiben bis jetzt unbelegt.
Weil Sie offenbar nach dieser Devise leben: "Paragraf 1: Ich habe immer recht. Paragraf 2: Habe ich mal nicht recht, tritt Paragraf 1 in Kraft."
Ach, mein lieber Herr Luik, so kommen wir nicht weiter. Also zurück zum Wesentlichen: Das Einzige, was in meinem Buch Hass sät, sind die Zitate aus dem Koran, die nach dem islamischen Glauben sämtlich aus dem Munde Mohammeds von Allah stammen. Und ich spüre bei Ihnen, dass auch Sie die Tendenz haben, die Unterdrückung der muslimischen Mädchen und Frauen praktisch wegzudrücken.
Ah so. Aber in all Ihrem Eifer haben Sie Pech.
Ich eifre nicht, und warum sollte ich Pech haben?
Die Industrie sehnt sich nach Arbeitskräften aus dem Ausland – nach Leuten, die Sie nicht hier haben wollen. Siemens-Chef Joe Kaeser warnt dabei indirekt vor Ihnen. Er benutzt ein Wort, das Sie geprägt haben: "Lieber Kopftuch-Mädel als Bund deutscher Mädel", sagte er neulich.
Das ist eine falsche und dümmliche Alternative. Kaeser sollte bei seinen Leisten bleiben.
Er warnte davor, dass Rassismus und Nationalismus wieder hoffähig würden. Deutschland lebe vom Export, von offenen Grenzen, Konzerne seien global aufgestellt mit Mitarbeitern und Kunden jeder Hautfarbe und Religion. Kaeser: "Es haben damals beim Nationalsozialismus zu viele Menschen geschwiegen, bis es zu spät war. Und das darf uns in Deutschland nicht wieder passieren."
Was soll hier die Parallele zur Gegenwart sein? Darf ich über die Gefahr des Islams nicht reden, weil in Deutschland vor 80 Jahren die Nationalsozialisten herrschten? Export und Handel können ganz ohne Masseneinwanderung funktionieren. Es ist überhaupt nicht erkennbar, nirgendwo, dass Masseneinwanderung aus Ländern mit niedriger Bildungsleistung für uns materiell irgendetwas Positives bewirken kann.
Herr Sarrazin, ich bewundere Sie. Sie können wirklich stolz auf sich sein.
Da das Lob von Ihnen kommt, ist es ein vergiftetes Lob.
Natürlich. Aber Sie, Genosse Sarrazin, haben mit Ihren Schriften Historisches geschaffen. Und das als Rentner! Sie haben einen Bazillus in die Welt gesetzt, der mithalf, Ihre Partei wie ein Primelchen eingehen zu lassen, der die einstmals so stolze Volkspartei SPD zu einem verängstigten Haufen machte, Sie haben mächtig dazu beigetragen, dass nun mit der AfD eine rechtsradikale Partei im Bundestag hetzen kann.
Sie messen mir überirdische Kräfte zu. Wenn ich mir solche Kräfte zutrauen würde, würde ich nochmals in die Politik gehen und Bundeskanzler werden. Ich habe diese Kräfte aber nicht. Meine Kraft liegt darin, zu beobachten, zu analysieren und Zusammenhänge herzustellen, und ich kann das alles einigermaßen vernünftig zu Papier bringen. Als 2010 mein Buch "Deutschland schafft sich ab" erschien, lag die AfD noch im Schoß der Zukunft. Ich sprach Probleme an, auf die unser politisches System nicht reagieren wollte. Hätte meine Partei auf die Sirene gehört, die ich war, stünde es jetzt nicht so schlecht um die SPD.
Sie haben die Stimmung, das Denken, das Reden, das Handeln im Land fundamental verändert.
Sagen wir es andersherum: Ich zeige, wie man Probleme, die man empfindet, so vernünftig ausdrücken kann, dass sie skandalfrei diskutiert werden können.
Ich sage es ebenfalls andersrum: Sie haben dazu beigetragen, ein Klima zu schaffen, in dem in der anständigen Wochenzeitung "Zeit" plötzlich ernsthaft darüber diskutiert wird, ob man Menschen retten darf, die im Mittelmeer ertrinken, ob daraus ein Pullfaktor für ungehemmte Migration entsteht oder ob man Flüchtlinge sterben lassen kann, bis die übrigen in Afrika begreifen, dass es keine gute Idee ist, sich auf den Weg nach Europa zu machen.
Es ist einfach so: Je geringer der Pullfaktor ist, desto weniger Menschen ertrinken im Mittelmeer. Der durch Angela Merkel erzeugte Pullfaktor hat die Zahl der Ertrinkenden nach oben getrieben. Die Menschen gehen nicht mehr aufs Mittelmeer, wenn sie wissen, dass es auf der anderen Seite nichts für sie zum Holen gibt. Wenn dieses Wissen da ist, ertrinkt auch keiner mehr. Die Länder, aus denen die Menschen fliehen, sollten ihre Verhältnisse in Ordnung bringen. Jeder kehre vor seiner Tür, und rein ist jedes Stadtrevier. So ist die richtige Arbeitsteilung in der Welt. Ich würde die Hilfsorganisationen im Mittelmeer nicht unterstützen.
Schon klar. Sie sind ein kalter Mensch.
Nein, ich denke allerdings nicht gesinnungsethisch, sondern verantwortungsethisch. Jeden illegalen Einwanderer, der im Mittelmeer aufgegriffen wird, sollten wir wieder exakt dort absetzen, wo seine Seereise …
Seereise.
… wo seine Seereise gestartet ist, und die Boote sollten wir zerstören. Wenn wir dies acht Wochen durchhalten, wird keiner mehr über das Mittelmeer nach Europa aufbrechen. Und es wird auch keiner mehr ertrinken.
Die Menschen werden weiterhin kommen, weil sie Hunger haben, wegen der Dürre, wegen des Klimawandels, wegen der Kriege, wegen …
Sie kommen letztlich aus demografischen Gründen. Mangel und Hunger kommen aus der ungebremsten Bevölkerungsvermehrung in Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten.
Was mich verstört: Sie betonen auf fast jeder Seite, wie gefährlich der Islam ist. Aber das Wort NSU, die furchtbare Mordserie, die diese rechtsterroristische Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund hier an Türken begangen hat, erwähnen Sie kein einziges Mal.
Mit dem NSU lenken Sie vom Thema meines Buches ab. Darin bleiben zahllose Untaten unerwähnt, weil dazu das dickste Buch nicht reicht. Ich äußere mich auch nicht zur tschetschenischen Mafia, auch nicht zu den Untaten der Taliban.
Sie reden von der Gefährlichkeit von Muslimen, doch diese schrecklichen Gewalttaten verübten Deutsche an Mitbürgern mit Migrationshintergrund.
Was diese beiden jungen Männer zusammen mit Beate Zschäpe getan haben, ist grauenhaft und nicht entschuldbar.
Aber wie die türkische Gemeinde auf diese barbarischen Untaten reagiert hat, widerlegt eindrucksvoll Ihre These von der Gefährlichkeit der Muslime. Sie haben erduldet, wie die überlebenden Angehörigen von der Polizei erst selbst verdächtigt wurden, sie sind nicht ausgerastet, obwohl der Prozess sehr viele Fragen unbeantwortet ließ, sie haben hingenommen, dass die dubiose Rolle des Verfassungsschutzes nicht aufgeklärt wurde. Es gab keine Aufstände in der Sonnenallee, in Kreuzberg, Marxloh – keine Gewalttätigkeit von den angeblich so gewaltbereiten muslimischen Jugendlichen. Das widerlegt all Ihre Thesen.
Überhaupt nicht. Mir ist aufgefallen, dass Sie in Ihren Fragen die erdrückende Fülle der von mir aufgeführten Fakten und Zusammenhänge schlicht ignorieren und …
Ich habe sie am Anfang kurz zusammengefasst.
Nein, das war eine unzulässige, eine polemische, eine entstellende Verkürzung. Meine aufgelisteten Fakten führen zwingend zu dem Ergebnis, dass sich Muslime in Deutschland und Europa weitaus schlechter als andere Migranten integrieren.
Vielleicht wollen Sie es so sehen? Vielleicht will man hier selbst "Erfolgreiche" und "Angepasste" nicht integrieren? Vielleicht ist es, wie es der Fußballprofi Mesut Özil beschrieben hat: "Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren."
Das ist einfach Selbstmitleid.
Wie bitte?
Ich verstehe wenig vom Fußball. Allerdings muss man kein Fußballfan sein, um sagen zu können, dass es den Sinn einer Nationalmannschaft unterläuft, wenn dort Menschen mitspielen, die sich erkennbar dieser Nation nicht zugehörig fühlen.
So simpel ist das?
Ich sage nur: Wenn ich Bundestrainer wäre, würde einer, der die Nationalhymne nicht mitsingt, auch nicht in der deutschen Nationalmannschaft spielen. Özil hat bei der Hymne stets seine Lippen zusammengepresst, das war eine politische Äußerung. Und mit seinem gemeinsamen Auftritt mit Erdogan hat er am Schluss gezeigt, dass er sich eher als Muslim und als Türke sieht denn als Deutscher. So ist das, ja. Das ist das Problem.