Am 28. Oktober haben es knapp 4,4 Millionen Wahlberechtigte in Hessen in der Hand zu entscheiden, wer in den kommenden Jahren ihr Land regieren soll. Hängt Volker Bouffier (CDU) noch eine Amtszeit dran oder übernimmt SPD-Konkurrent Thorsten Schäfer-Gümbel die Kommandobrücke in Wiesbaden?
Doch es geht für die Hessen nicht nur um die kommenden fünf Jahre, sondern auch um etwas, das das Bundesland deutlich länger prägen dürfte: um die Änderung der Verfassung Hessens.
Sie wurde 1946 beschlossen, viele Teile Deutschlands lagen noch in Trümmern, die Gründung der Bundesrepublik und die Verkündung des Grundgesetzes lagen noch in weiter Ferne. In 72 Jahren wurde die Verfassung nur leicht verändert, sie gilt bis heute fort. "Seitdem hat es viele gesellschaftliche und politische Veränderungen gegeben", so der hessische Landtag in einer Erklärung. "Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll die hessische Verfassung an Veränderungen der letzten Jahrzehnte angepasst werden."
"Die Todesstrafe ist abgeschafft"
Zwei Jahre lang klopfte eine Expertenkommission jeden einzelnen der 161 Artikel der Verfassung ab. Am Ende konnte sich die Kommission auf insgesamt 15 Änderungen einigen. Es sollen zum Beispiel die Gleichberechtigung aller Geschlechter, Kinderrechte, Nachhaltigkeit und die Kulturförderung in der Verfassung festgeschrieben werden. Auch ein klares Bekenntnis zu Europa und geringere Hürden für Volksabstimmungen gehören zu den Neuerungen (alle 15 Änderungsvorschläge lesen Sie hier).
Eine Änderung betrifft den Artikel 21 der Landesverfassung: die Todesstrafe. Heißt es dort jetzt noch mit Blick auf Straftäter: "Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden", soll es in Zukunft analog zum Grundgesetz heißen: "Die Todesstrafe ist abgeschafft". In Artikel 109 soll der Satz "Die Bestätigung eines Todesurteils bleibt der Landesregierung vorbehalten" folgerichtig ersatzlos gestrichen werden.
Trotz der vermeintlichen Tragweite dieser Änderung ist sie doch eher symbolischer Natur. Denn selbstverständlich wird die Todesstrafe auch in Hessen nicht mehr angewandt. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes und dem Verbot staatlicher Hinrichtungen 1949 war der entsprechende Artikel der hessischen Landesverfassung praktisch bedeutungslos. Es gilt der Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht". Man wolle mit der Änderung auch ein "Bekenntnis zum besonderen Wert des Lebens" abgeben, erklären CDU, SPD, Grüne und FDP in ihrem gemeinsamen Gesetzentwurf.
Hessen ist das letzte Bundesland
Dieser und den 14 übrigen Verfassungsänderungen hat der Landtag schon zugestimmt, die Bürger haben am 28. Oktober das letzte Wort. Dabei haben sie auf dem Stimmzettel die Möglichkeit pauschal allen 15 Änderungsvorschlägen zuzustimmen oder sie abzulehnen oder für jeden einzelnen zu ändernden Artikel "Ja" oder "Nein" anzukreuzen.
Zuletzt hatten die Bayern 1998 in einer Volksabstimmung die Todesstrafe aus ihrer Verfassung gestrichen. Hessen ist das letzte Bundesland, in dem diese Form Strafe zurzeit noch in der Verfassung steht.
Die letzte Hinrichtung auf bundesdeutschem Boden fand 1951 trotz Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern und Protesten von Bundeskanzler Konrad Adenauer im bayerischen Landsberg statt. Sieben Kriegsverbrecher wurden auf Geheiß von US-Militärrichtern gehängt. In der DDR fand die letzte von bekannten 166 Hinrichtungen 1981 statt. 1987 wurde auch dort die Todesstrafe abgeschafft.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" wird die Todesstrafe derzeit weltweit in 56 von 197 Staaten noch angewendet.