Das Image der Bundespolitiker allgemein steht derzeit nicht im dringenden Verdacht, neue Spitzenwerte zu erklimmen. Da bieten sich zwei Möglichkeiten der Abhilfe. Entweder durch überzeugende Arbeit oder aber durch Propaganda. Und siehe da: Die Politik hat sich für Letzteres entschieden! Die Gründe dafür sind mehr als einleuchtend.
Zum einen ist überzeugende Arbeit per se schon gar nicht möglich, weil irgendwer immer dazwischen grätscht. Mal steht man sich selber im Weg (SPD). Mal fühlt man sich einfach nur zu weit weg von der Heimat (CSU). Mal ist man genervt von Koalitionspartnern und Schwesterparteien (CDU). Mal ist man auf dem falschen Planeten gelandet (Linke). Mal fühlt man sich verfolgt bis nicht ernst genommen (FDP).
Zum anderen hat der Bundestag auch eine Verantwortung für die Bundeszentrale für politische Bildung. Dort arbeiten Leute, die irgendwie sinnvoll beschäftigt werden müssen. Wenn die Politiker ihre Aufgabe aber ihrem ethischen Auftrag gemäß erledigen würden, könnte die Bundeszentrale mangels Sinnhaftigkeit dicht machen.
Im Klartext: Die Politiker hätten mehr Arbeit und dafür einige Dutzend Politikaufklärer gar keine Beschäftigung mehr. Das wäre ein weiterer kleiner Mosaikstein auf dem weiten Tableau der sozialen Ungerechtigkeit.
Weil Bundestagspräsident Norbert Lammert ein Mann der Vernunft und des Ausgleichs ist, präsentiert er nun stolz neues Lehrmaterial eben von dieser Bundeszentrale, das sich ganz explizit der Imageverbesserung der Politiker widmet. Allerdings müssen die Autoren höllisch aufpassen, um nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen. Verheerend wären beispielsweise Aussagen wie "Politiker sind Menschen wie du und ich". Ein normaler Mensch mit gesunder Selbstreflexion mag dann den Volksvertretern erst recht einen Hang zu Dienst nach Vorschrift, Korruption und eine stille Sehnsucht nach einer gut bezahlten Frührente unterstellen. Weitaus besser kommen Attribute wie Fleiß und Verantwortungsbewusstsein. Wenn ein Politiker diese Eigenschaften glaubhaft vermitteln kann, fallen gängige Dauerbrenner wie Konzeptlosigkeit nicht mehr so sehr ins Gewicht.
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Wie wichtig so eine "Politiker sind coole Typen"-Broschüre ist, beweist ein Grobüberblick über die politische Woche. Ein Kabinettsschwergewicht wartete Mittwochmittag auf mit einer Showeinlage, die operativ und objektiv betrachtet eine parlamentarische Sternstunde verhieß. Verkehrsminister Ramsauer ist wohl der verkannteste Spitzenpolitiker des Landes. Nicht nur, dass er ein herausragender Klavierspieler ist mit diversen Semestern im Mozarteum, Colosseum und Museum. Er beherrscht auch die politische Klaviatur souverän. Ramsauer stellte sich im Bundestag der heiklen Flugsituation. Und zwar nachdem der Luftraum wieder geöffnet worden war. Ist das nicht genial? Quasi wie Angela Merkel, aber mit Lösung!
Für das Verziehen der Aschewolke kann zwar der Verkehrsminister nichts. Aber für den Vulkanausbruch erst recht nicht.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Django Asül, 37
... ist einer der brillantesten deutschen Kabarettisten. Asül, der die türkische Staatsbürgerschaft hat, wuchs in der niederbayerischen Gemeinde Hengersberg auf, besuchte das Gymnasium in Deggendorf, absolvierte gemeinsam mit dem derzeitigen bayerischen SPD-Vorsitzenden Florian Pronold eine Banklehre - und begann danach mit dem Kabarett. Sein aktuelles Tourprogramm heißt "Fragil". Weitere Infos unter django-asuel.de. 2004 adelte ihn der damalige Staatsminister Erwin Huber, CSU, zum "Botschafter von Niederbayern".
Die Opposition mag sich damit aber nicht begnügen. Sie wirft ihm klägliches Versagen vor. Im gesamten deutschen Luftraum sei kein einziges "Die Einfuhr von Aschewolken ist strengstens untersagt"-Schild aufgestellt gewesen. Die sitzengebliebenen deutschen Urlauber von Bali bis Kapstadt hätte Ramsauer nach Ansicht der SPD-Fraktion persönlich mit dem Fahrdienst des Verkehrsministeriums abholen müssen. Und der allergrößte Skandal: Mittlerweile verdichten sich die Anzeichen, dass zwar Ramsauer nicht mit der französischen Nationalmannschaft im Bordell war, aber gar keinen Pilotenschein besitzt! Und so ein Mann verbietet den Airlines, dass sie durch Aschewolken fliegen?
Zwischen den Zeilen ist da durchaus zu erkennen, auf welche Kernthese die Opposition hinaus will: Bevor der Verkehrsminister die Schlaglöcher zu Boden beseitigt hat, hat er welche in der Luft produziert. Dabei hat Ramsauer sowieso zunächst die üblichen politischen Reflexe bemüht: Erst mal Verantwortung delegieren. In dem Fall an die Flugsicherung. Und wenn die Flugsicherung von den Airlines an den Pranger gestellt wird, eingreifen nach dem Motto "Da kann und darf ich als Verkehrsminister nicht tatenlos zuschauen und werde daher sicherheitshalber Sichtflüge erlauben." Damit erzielt man einerseits einen Effekt wie John Wayne beim Betreten des Saloons, delegiert aber wiederum die Verantwortung an die Fluggesellschaften.
Das Zauberwort dabei lautet Sichtflug. Das bedeutet: Es darf nur geflogen werden, wenn man sieht, wo man hinfliegt. Da mag der durchschnittliche Miles-und-More-Schnorrer jetzt ein leichtes Unbehagen verspüren, wenn erst ein Vulkan ausbrechen muss, damit Piloten sehen müssen, wohin sie fliegen. So gesehen ist der Sichtflug die sicherste Variante. Dialektisch interessant ist auf alle Fälle das Vorgehen Ramsauers. Einerseits striktes Flugverbot.
Andererseits Ausnahmen. Endlich ein Minister, der sich nicht dreht wie das Fähnlein im Wind. Sondern wie Seehofer bei der Gesundheitsreform.
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Dadurch wackelt jetzt sogar das Nachtflugverbot, damit Industrie und Wirtschaft mit dem unfreiwillig geparkten Material schnellstmöglich versorgt werden können.
In punkto Prävention wird natürlich ebenfalls einiges neu justiert werden müssen. Nach dem Vulkanausbruch ist schließlich vor dem Vulkanausbruch. Das wusste schon Sepp Herberger als Schutzpatron der Lufthansa. Forderungen nach einer generellen Aufhebung des Nachtflugverbots werden daher nicht lange auf sich warten lassen. Was bei der Vorratsdatenspeicherung gut ist, um Verbrechen im Vorfeld auszuschließen, ist bei Nachtflügen erst recht billig, um zukünftigen Aschewolken quasi den Wind aus den Kerosinflügeln zu nehmen. Und die gute Nachricht für Ästheten: Am Nacktflugverbot soll nicht gerüttelt werden. Mehr dazu demnächst von der Bundeszentrale für politische Bildung.