Will die Union nun eine Verfassungsänderung durchsetzen, mit dem Ziel die Selbstauflösung des Bundestags zu ermöglichen oder will sie nicht? "Es gibt keine Planung der Fraktion für eine derartige Initiative", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), der Nachrichtenagentur DPA. Er widerspricht damit dem CSU-Landesgruppenchef Michael Glos.
Der hatte im stern angekündigt, das Selbstauflösungsrecht des Bundestags ins Grundgesetz einzufügen, damit eine Zweidrittel-Mehrheit jederzeit Neuwahlen herbeiführen kann. Glos sagte im stern, die Union wolle den Gesetzentwurf schon bereithalten, falls Bundespräsident Horst Köhler den Bundestag nach einer gescheiterten Vertrauensfrage am 1. Juli von Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht auflösen sollte.
"Wir werden die SPD damit vor uns hertreiben", so Glos weiter. Die Union werde Bundeskanzler Gerhard Schröder die Vertrauensfrage jedoch nicht ersparen und die Grundgesetzänderung erst danach einbringen. Ein Selbstauflösungsrecht des Bundestags wird auch von Alt-Bundespräsident Roman Herzog, einem renommierten Verfassungsrechtler, unterstützt.
Aus der Umgebung von Glos hieß es nun, eine für diesen Schritt notwendige Grundgesetzänderung müsse "sehr langfristig und wohl überlegt" angegangen werden. Geplant ist aber offenbar keine sofortige Reaktion.
Norbert Röttgen sagte, es sei allein Sache des Bundeskanzlers, den Weg zu wählen, wie er zu Neuwahlen kommen wolle. Der Kanzler habe sich auf den Weg der Vertrauensfrage festgelegt. Nach der Entscheidung des Bundestags werde die Union mit Respekt die Haltung des Bundespräsidenten abwarten.
Kritik an der Idee kommt von den Grünen: Der Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte, das Grundgesetz sei "kein Selbstbedienungsladen, wo man tagesaktuell Änderungen vornimmt". Die Politik sollte auf den Bestand vertrauen und nicht jeden Tag an der Verfassung stricken. Man könne zwar grundsätzlich über den Vorschlag reden, aber nur, wenn es keinen aktuellen Anlass dafür gebe.
Der Vorschlag ist alles allerdings nicht neu. Bereits 1976 hatte sich die Enquete-Kommission Verfassungsreform für ein Selbstauflösungsrecht mit Zwei-Drittel-Mehrheit ausgesprochen. Umgesetzt wurde die Empfehlung aber nie, obwohl auch die meisten Landesverfassungen eine solche Option enthalten.