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US-Entführungsprogramm Ex-CIA-Mann belastet deutsche Kollegen

Verantwortliche der deutschen Geheimdienste waren frühzeitig über die Verschleppungen von Terrorverdächtigen durch die CIA informiert. Das berichtet der stern. Außenminister Frank-Walter Steinmeier gerät in Erklärungsnot. Was wusste der damalige Kanzleramtschef wirklich über die illegalen US-Praktiken?
Von Uli Rauss und Oliver Schröm

Der frühere Europachef der CIA, Taylor Drumheller, belastet seine deutschen Kollegen schwer. Die Spitzen der deutschen Sicherheitsbehörden sowie die Verantwortlichen im Kanzleramt waren nach Aussage des CIA-Mannes frühzeitig über das umstrittene CIA-Entführungsprogramm - so genannte "extraordinary renditions" - informiert, wie der stern in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Die Deutschen waren zunächst wenig angetan von den US-Praktiken, weltweit Terrorverdächtige zu kidnappen und in Drittstaaten zu verschleppen, wo sie dann verhört wurden, auch unter Folter. "Die Hauptsorge unserer Verbündeten war: Unilaterale US-Aktionen auf europäischen Boden, Terroristen abfischen, ohne ihre Genehmigung, um die dann in einen Drittstaat zu schicken", sagt CIA-Mann Drumheller zum stern. Solche Bedenken teilten die Deutschen im Herbst 2001 auch der CIA-Vertretung in Berlin mit. Die CIA habe dann "versprochen, unsere Verbündeten bei Operationen einzubeziehen".

Die Aussage von Drumheller, einst Stellvertreter von CIA-Direktor George Tenet, bringt vor allem Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Bedrängnis. In seiner Zeit als Kanzleramtschef war Steinmeier für die deutschen Geheimdienste zuständig und hatte immer wieder beteuert, von den rechtsstaatswidrigen CIA-Praktiken lange Jahre nichts gewusst zu haben. Im BND-Ausschuss sagte Steinmeier 2006: Von den Verschleppungen durch die Amerikaner habe er erst im Juni 2004 erfahren. Die Präsidentenrunde im Kanzleramt, der Steinmeier vorsaß, diskutierte damals über den Brief des Anwalts von Khaled el Masri.

Darin informierte der Anwalt die Bundesregierung, wie die CIA seinen zwischenzeitlich wieder frei gelassenen Mandanten im Dezember 2003 nach Afghanistan verschleppt hatte. "Ich will Ihnen eines gestehen", schilderte Steinmeier dem Ausschuss im Dezember 2006, "ich habe die anderen Teilnehmer der Präsidentenrunde bei diesem Tagesordnungspunkt ziemlich ungläubig angeschaut und ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage: Niemand in dieser Runde konnte sich vorstellen, dass sich die Geschichte von der Entführung und den Begleitumständen wirklich so zugetragen haben könnte."

Erst Ende 2004 von US-Entführungsprogramm erfahren?

Ernst Uhrlau, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) und damals Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, will gar erst Ende 2004 aus den Medien von US-Entführungsprogramm erfahren haben: "Wir in der Abteilung 6", des Kanzleramtes "hatten dazu keine eigenen Erkenntnisse, die über die Presseberichterstattung hinausgingen."

Der Ex-Geheimdienstoffizier Taylor Drumheller kennt sowohl Steinmeier als auch Uhrlau persönlich. Drumheller war im Oktober 2001 in Europa und habe später "bei Uhrlau im Kanzleramt gesessen, und wir hatten mit wirklich komplizierten Dingen zu tun", sagt Drumheller im stern.

Steinmeier und Uhrlau müssen vor dem BND-Ausschuss aussagen

Steinmeier und Uhrlau müssen nun vor dem BND-Ausschuss aussagen. Es geht dabei um den Fall Mohammed Haydar Zammar. Der Deutsche wurde Ende 2001 mit Hilfe der CIA in Marokko festgenommen und dann nach Syrien verschleppt. Unmittelbar vor der Festnahme hatte die CIA entscheidende Informationen über Zammar vom Bundeskriminalamt (BKA) erhalten, etwa über Rückreisepläne nach Hamburg sowie Erkenntnisse aus abgehörten Telefonanten zwischen Zammar und seiner Familie in Hamburg.

Das BKA lieferte dem US-Geheimdienst auch Details wie Nummer und Datum der deutschen Einbürgerungsurkunde von Zammar, Schulzeit und Berufsweg, Anschriften, Geburtsdaten, Handy- und Passnummern von Geschwistern und Verwandten in Hamburg und Syrien.

"Du musst die Geschichte der Zielperson kennen"

Für "Überstellungen" wie im CIA-Jargon solche Entführungen genannt werden, "musst du die Geschichte der Zielperson kennen", sagt Ex-CIA-Offizier Tyler Drumheller, der selbst Verschleppungen von Terrorverdächtigen organisierte, zum stern. Von der Verschleppung Zammars, gegen den in Deutschland nichts vorliegt, profitierten letztlich auch die deutschen Sicherheitsbehörden. Im November 2002 wurde Zammar in Damaskus von Beamten des BND, des BKA und des Bundesamt für Verfassungsschutz zu möglichen Terrorverbindungen verhört. Er sagt ihnen, dass er in syrischer Haft "geschlagen" wurde, wie es in einem BND-Protokoll über die "Befragung" heißt.

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