Verfassungsgerichtsurteil zum ESM Watschen für Angela Merkel

  • von Hans Peter Schütz
Das Bundesverfassungsgericht hat einen neuen Imperativ für die Europapolitik der Regierung ausgegeben: Alles sagen, so früh wie möglich. Es war höchste Zeit dafür.

Deutlich ist das Urteil des Verfassungsgerichts zum politischen Mitspracherecht des Bundestags. Eine einstimmige Watschen für die Kanzlerin, die bekanntlich am liebsten vom stillen, abhörsicheren Kämmerlein aus regiert. Und die Abgeordnete gerne als artige Kopfnicker betrachtet, die im Bundestag widerspruchslos und uninformiert absegnen sollen, was im Kanzleramt von ihr und ihrem wichtigsten Strippenzieher Ronald Pofalla mal wieder ausgeheckt worden ist.

Den Imperativ für künftige politische Geschäfte hat das Urteil konsequent formuliert: Sagen, was los ist und um was es gerade geht, so früh wie möglich. Und dies vor allem auch bei internationalen Vereinbarungen wie dem Euro-Rettungsschirm ESM. Für dessen Bareinlagen müssen die Bürger allein in diesem Jahr 8,7 Milliarden Euro Steuergeld abführen. Wie ließe sich angesichts dieser Summen rechtfertigen, Parlament und Volk im Dunkeln zu lassen?

Demokratiefeindliche Argumente

Die Gegner der Transparenz haben gerne demokratiefeindliche Argumente benutzt. Erstens sei es effizienter, wenn politische Entscheidungen auch mal in kleinen Gremien durchgewunken werden könnten. Zweitens würde es noch schwieriger, internationale Abkommen zu erzielen, wenn jeder informiert werden müsse und die Geheimhaltung nicht mehr gewährleistet sei. Aber was ist das für ein Zynismus! Nur der dumme Abgeordnete ist ein guter Abgeordneter? Und nur der dumme Bürger ist ein guter Bürger?

Da tut das Urteil unserer Verfassungsrichter richtig gut. Der Bundestag darf wieder mitreden, die bewährten demokratischen Spielregeln unserer Verfassung gelten. So könnte künftig auch mal wieder klar werden, wem wir die Verantwortung für die zahlreichen "Rettungsschirme" zuweisen müssen, die derzeit fast wöchentlich irgendwo aufgestellt werden.

Erst das Parlament, dann das Kanzleramt

So gesehen war es höchste Zeit, dass die merkelspezifische Form des Regierens auf den Widerstand der Verfassungsrichter gestoßen ist. Das Grundgesetz existiert nicht zur willkürlichen Missachtung im politischen Raum. Eine Kanzlerin müsste es eigentlich noch sorgfältiger befolgen als alle anderen mitwirkenden politischen Institutionen, denn sie legt schließlich ihren Amtseid darauf ab. Und wir wollen nicht von und auf Gipfeln regiert werden, die unendlich weit entfernt von unserem Alltag operieren. Demokratisch betrachtet ist das Kanzleramt dem Bundestag eindeutig nachgeordnet. Das sollte die Kanzlerin auch beim Betreuungsgeld endlich mal zur Kenntnis nehmen. Wir wollen nicht nach Gutsfrauenart regiert werden. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Schon wieder vergessen, Frau Merkel?