Das Thema sollte schon in der vergangenen Legislaturperiode geregelt werden - aber Union und FDP konnten sich nicht einigen. Nun nimmt Gesundheitsminister Herrmann Gröhe einen neuen Anlauf: Sterbehilfe soll grundsätzlich unter Strafe gestellt werden. Auch die bislang legale Hilfe zur Selbsttötung, wie sie zum Beispiel die Schweizer Vereine "Exit" und "Dignitas" oder auch die "Sterbehilfe Deutschland" des ehemaligen Hamburger Justizsenators Roger Kusch anbieten. Wer die Selbsttötung propagiere, so Gröhe, "der versündigt sich an der Wertschätzung des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen".
Im Gespräch mit stern.de stellte Unionsfraktionschef Volker Kauder nun klar, dass er Gröhes Vorstoß voll unterstützt: "Es soll keine Geschäftemacherei geben und es darf auch keine organisierte Sterbehilfe geben." Kauder sagte allerdings auch, dass es sich um ein schwieriges Gewissensthema handele. Deswegen strebe die Union einen parteiübergreifenden Gesetzentwurf an. Außerdem soll es bei der Abstimmung keinen Fraktionszwang geben.
Verfahren wie bei PID
Kauder verglich dieses Verfahren mit der parlamentarischen Behandlung der Präimplantationsdiagnostik (PID) 2011. Auch in diesem Fall wurde nach großer Debatte ein parteiübergreifendes Gesetz verabschiedet. Es verbietet die PID im Grundsatz, lässt sie aber zu, wenn aufgrund genetischer Veranlagung der eine schwere Erbkrankheit des Kindes oder eine Totgeburt wahrscheinlich ist.
Laut Kauder werde die Union über Sterbehilfe mit allen Parteien sprechen. "Wir reden in diesem Fall auch mit der Linkspartei. Da habe ich kein Problem." Er lehne es jedoch ab, über dieses Thema eine ideologisch-politische Diskussion zu führen. Für die Gespräche mit den anderen Fraktionen wird der Abgeordnete Michael Brand zuständig sein. Er zitiert in diesem Zusammenhang gerne einen Satz des verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD): "Wer anfängt, zwischen lebenswert und unlebenswert zu unterscheiden, ist in Wirklichkeit auf einer Bahn ohne Halt."
Kein Entwurf von Justizminister Maas
Hinsichtlich des Verfahrens ist die SPD mit der Union einig. Die für das Thema Sterbehilfe zuständige sozialdemokratische Rechtspolitikerin Eva Högl sagte stern.de: "Wir haben das nicht in den Koalitionsvertrag geschrieben, weil es keine Aufgabe für eine Bundesregierung ist, sondern es ist eine Aufgabe für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier." Die Gesetzesinitiative solle aus der Mitte des Bundestages kommen. "Wir haben in vergleichbaren Fällen gute Erfahrungen damit gemacht." Heiko Maas, der aktuelle SPD-Justizminister, wird in jedem Fall keinen Gesetzentwurf ausarbeiten. Er hatte 2005 noch für die aktive Sterbehilfe plädiert.
Der Vorwurf der "Geschäftemacherei" zielt auf den bereits genannten Roger Kusch, der über die CDU ins Amt gekommen war und nach 34 Jahren Mitgliedschaft ausgeschlossen wurde, weil er zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe aufgerufen hatte. Kusch hatte den Verein "Sterbehilfe Deutschland" gegründet. Diese Organisation bietet Kranken Hilfe beim Suizid an. Laut Satzung verfolgt sie indes keine kommerziellen Interessen. Daneben bietet sich der deutsche Ableger des schweizerischen Vereins "Dignitas" als Berater in Sachen Sterbehilfe an, doch für den Freitod müssen die Kranken in die Schweiz reisen.
Debatte offen
Für ihr Nein zur Sterbehilfe hat die Union die Rückendeckung der Bundesärztekammer. Präsident Ulrich Montgomery sagte über Gröhes Vorstoß: "Der Minister rennt bei uns offene Türen ein." Gleichwohl ist die Debatte um die Sterbehilfe offen. Es ist ebenso möglich, dass sich die Parlamentarier für eine weitere Liberalisierung entscheiden, wie sie zum Beispiel in Niederlanden und Belgien der Fall ist.