Seitdem sich die Union nach wochenlangem Hauen und Stechen auf Armin Laschet als Kanzlerkandidat geeinigt hat, meldet sich der unterlegene Markus Söder dreimal ausführlich zu Wort, um dem Spitzen-Kollegen dreimal in den Rücken zu fallen. In der gleichen Zeit saßen mit Dorothee Bär und Peter Ramsauer zwei CSUler in den Abendtalkshows, von denen die Bundes-Digitalisierungsbeauftragte ebenfalls an Laschet herummäkelte und der Wirtschaftsmann halbherzig vom Ende der "Sticheleien" sprach.
Wenn das nun also die Unterstützung sein soll, die der bayerische Ministerpräsident seinem Kollegen aus Nordrhein-Westfalen zugesichert hat, will man nicht wissen, was erst ein offener Liebesentzug bedeuten würde. "Rückendeckung ohne Groll und mit voller Kraft" sieht bei Söder so aus:
Schritt eins: Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" am Samstag
- Söder über sein Verhältnis zu Laschet: "Es gibt keinen persönlichen Bruch zwischen uns, aber wir haben ein unterschiedliches Verständnis von Demokratie und Programm."
- Söder über das Votum des CDU-Bundesvorstands: "Aber den Glauben, dass politische oder personelle Entscheidungen heute noch in den Gremien völlig unabhängig von der Basis und den Erwartungen der Menschen gemacht werden können, halte ich nicht für zeitgemäß. Eines ist klar: Die Entscheidung lag in den Händen der CDU, die damit auch die Verantwortung für das Verfahren und das Ergebnis übernimmt."
- Söder über seinen politischen Kurs: "Mir war klar, dass wir einen neuen Aufbruch brauchen für die Union. Ich glaube nicht, dass es klug ist, nach den progressiven Merkel-Jahren eine Politik "Helmut Kohl 2.0" aus der Vergangenheit zu machen. Das wäre viel zu altmodisch. Keiner will die alte Union aus den 90er-Jahren zurück. Wir brauchen einen politischen New Deal statt Old School."
- Söder über seine Beharrlichkeit gegenüber Laschet: "Mich hat auch die Begründung der Kandidatur nicht überzeugt."
- Söder über den Kandidaten Laschet: "Es ist ein hohes Gut, zu integrieren; er ist für dieses Amt geeignet und hat meine Unterstützung."
Die Union ist in einer "schweren Notsituation"
Schritt zwei: Interview mit den "Nürnberger Nachrichten" (ebenfalls am Samstag)
- Söder über die Situation der CDU: Die Union befindet sich "in einer schweren Notsituation. Fünf Monate vor der Wahl steckt die CDU in einem Umfragetief, es bleiben Corona-Schwierigkeiten, und nach 16 Jahren sieht man schon Ermüdungserscheinungen der ganzen Union."
- Söder über einen Neu-Anlauf zur Kanzlerkandidatur: "Außerordentlich unwahrscheinlich. Denn entweder regiert Armin Laschet die nächste Amtszeit oder wir werden eine sehr lange Amtszeit einer jungen Bundeskanzlerin erleben. Mit mir muss man auch in Zukunft rechnen. In Bayern als Ministerpräsident und in Berlin als Parteivorsitzender."
Schritt zwei: Interview mit den "Heute-Journal" (am Sonntag)
- Söder über den Wahlkampf: "Eines ist klar: Es wird wohl der schwierigste Wahlkampf der Union seit 1998. Die Umfragen zeigen kein gutes Bild". Und die Ausgangslage ist auch relativ schwierig: Die Menschen wählten nicht Erfolge der Vergangenheit, sondern erwarteten "Hunger und Ideenreichtum".
- Söder über seine Niederlage als Kandidat: "Das tut nicht mehr weh. Ich hätte es gern gemacht, doch das war nicht der Lebensplan."
Mit ihm wäre das alles nicht passiert
Nicht einmal eine Woche nach der Kandidaten-Entscheidung sagt der unterlegene CSU-Chef: Wenn es nach der Parteibasis gegangen wäre, wäre ich der Spitzenmann gewesen. Armin Laschet ist zwar ganz nett, aber ein Kandidat der Vergangenheit. Also muss sich die CDU nicht wundern, wenn es am Abend des 26. September schief geht – was nach Ansicht Söders offenbar der Fall sein wird. Auch wenn es bei ihm so klingt: "Ich erwarte, dass der Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl ein Ergebnis "deutlich über 30 Prozent" erreichen werde. Eher näher 35 Prozent.

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So ein Ergebnis wäre schon unter normalen Umständen schon gut, nach 32,9 Prozent vor vier Jahren. Doch dieses Jahr ist nichts normal. Die Corona-Pandemie hat den Wunsch nach dem Politikertyp "zupackender Macher" vergrößert, also nicht nach jemanden wie Armin Laschet. Und der Blick auf die aktuellen Umfragen macht auch nicht gerade Mut: Mit 27 Prozent Zustimmung liegen CDU/CSU ein Prozentpunkt hinter den Grünen. "Darauf sollte man achten", sagte Söder, denn "the trend is your friend". Er hätte auch sagen können: Mit mir wäre das alles nicht passiert.
Macht Söder nur das Spielzeug des anderen kaputt?
Die Frage ist natürlich, warum er das alles macht? Aus Zweckpessimismus? Haut er das Spielzeug des anderen kaputt, weil er es selbst nicht haben kann? Möchte er sich und der Welt beweisen, dass er der richtige Mann für die übernächste Wahl ist? Oder will er mit seiner Miesmacherei einfach nur Recht behalten? Oder alles zusammen? Dass der Hahnenkampf bald vorbei sein wird, scheint nicht einmal jeder in der CDU zu wollen: So kündigte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schwerseufzend nun an: "Armin Laschet ist jetzt unser Kanzlerkandidat. Aber auch Markus Söder hatte viele Unterstützer in der CDU: Sein bundespolitisches Gewicht ist weiter enorm gewachsen. Gemeinsam können beide viel für Deutschland bewegen." Nach "Markus, mach mal halblang" klingt das nicht.