Herr Wend, die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal um ein Prozent geschrumpft. Droht Deutschland eine Rezession? Um Gottes Willen, dafür gibt es bisher nicht die geringsten Anhaltspunkte. Ich sehe es auch überhaupt nicht so, dass sich unsere Wirtschaft in einer Krise befindet. Es ist lediglich so, dass der Umfang des wirtschaftlichen Aufschwungs sich reduziert. Von einer Rezession kam man hier unter keinen Umständen sprechen.
Die Bundesregierung rechnet für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 1,7 Prozent. Muss diese Prognose nach unten revidiert werden?
Dafür sehe ich zurzeit keinen Anhaltspunkt. Wir sind bisher durch eine schwierige Situation, geprägt durch steigende Ölpreise, einen starken Euro und eine weltweite Finanzkrise, gut durchgekommen. Noch vor zehn Jahren hätte sowas unsere Wirtschaft umgeworfen. Jetzt gibt es lediglich einen Rückgang des Aufschwungs, deshalb glaube ich nicht, dass die Prognose korrigiert werden muss.
Was halten Sie von einem Konjunkturprogramm wie es Wirtschaftsminister Michael Glos vorgeschlagen hat?
Ich bin insgesamt skeptisch was Konjunkturprogramme betrifft. Was Herr Glos nun vorgelegt hat, ist sogar gänzlich ungeeignet. Er betet nur nach, was die CSU aktuell mit der Abschaffung der Pendlerpauschale und weiteren Steuergeschenken propagiert. Das ist aus meiner Sicht kein Konjunkturprogramm. Was man allerdings tun muss, ist das Verstetigen, vielleicht sogar auch Ausweiten von Investitionen in Bereichen, in denen wir das ohnehin machen wollten. Ich denke da vor allem an Programme zur energetischen Gebäudesanierung, die nachhaltig den Energieverbrauch reduzieren und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen. In diesen Bereichen müssen wir investieren.

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Die Debatte um den Wegfall der Pendlerpauschale ist also purer Wahlkampf?
Ja, das ist nichts anderes als Propaganda der CSU. So dumm sind die Bürger aber nicht, dass sie das nicht auch merken würden. Die Chancen auf einen tatsächlichen Wegfall sind gleich Null.
Zur Person
Rainer Wend ist seit 2005 wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, von 2002 bis 2005 war er Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit. Wend ist Mitglied des Seeheimer Kreises und zählt innerhalb der SPD zum rechten Parteiflügel.
Die Energiekosten sind in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Als Ausweg fordert Peter Struck Sozialtarife für Geringverdiener. Wie soll so etwas umgesetzt werden? Struck selbst hat schon gesagt, dass er hinsichtlich der Realisierungschancen eher skeptisch sei. Ich sehe das ähnlich. In das Tarifgefüge einzugreifen ist ein Problem. Ich persönlich halte mehr davon wenn wir als Staat es fördern würden, dass die Menschen Energie einsparen wie zum Beispiel bei der Sanierung von alten Häusern. Ich bin auch dafür, zu prüfen, in wieweit man die Anschaffung energiearmer Haushaltsgeräte staatlich unterstützen könnte. Möglich wäre das entweder über steuerliche Anreize oder durch Gutscheine, die den Kauf energiesparender Geräte billiger machen würden. Wir sollten nicht den Verbrauch, sondern die Einsparung von Energie subventionieren.
Ist der Aufschwung bei der breiten Bevölkerung angekommen?
Zumindest bei sehr vielen. Direkt erreicht wurden die 1,8 Millionen, die einen neuen Job gefunden haben. Indirekt haben viele vom Aufschwung profitiert, weil die Angst vor Arbeitsplatzverlust geringer geworden ist. Aber natürlich hätten wir uns gewünscht, dass das Lohnniveau insgesamt gestiegen wäre. Deshalb will die SPD einen gesetzlichen Mindestlohn.
Die meisten der neuen Arbeitsplätze sind im Niedriglohnsektor entstanden...
Das ist richtig. Aber immerhin sind es sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.
Die aber zu geringeren Rentenansprüchen führen...
Das stimmt. Allerdings wäre die Alternative ja nicht gewesen, 1,8 Millionen neue Traumjobs mit 4000 Euro monatlich zu schaffen. Stattdessen wären möglicherweise überhaupt keine neuen Arbeitsplätze entstanden. Auch deshalb sind wir für den gesetzlichen Mindestlohn, der hinsichtlich der Rentenansprüche erforderlich ist.
Was haben Sie gegen Kombilöhne? Im Gegensatz zu Mindestlöhnen stehen die nicht in dem Ruf, Arbeitsplätze zu vernichten.
Ich wäre dann offener für Kombilöhne wenn wir gleichzeitig Mindestlöhne hätten. Solange das nicht der Fall ist, könnte die Arbeitgeberseite es sich sehr einfach machen. Sie könnten ihren Anteil an den Löhnen einfach praktisch gleich Null setzen und dann vom Staat, also vom Steuerzahler, erwarten, dass er alles finanziert. Wenn wir einen Mindestlohn haben kann man mit mir über viele Dinge reden.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die SPD in der großen Koalition Mindestlöhne durchsetzen kann? Bei realistischer Betrachtungsweise glaube ich, dass wir für die eine oder andere Branche noch etwas erreichen werden. Allerdings stellt die CDU sich beispielsweise bei der Zeitarbeit quer. Dann müssen wir das halt im Bundestagswahlkampf zum Thema machen.
In der aktuellen Legislaturperiode ist also keine Lösung mehr zu erwarten?
Zumindest keine endgültige. Vielleicht bewegt sich in Teilbereichen noch was, eine flächendeckende Lösung wird es aber erst nach den Bundestagswahlen geben wenn wir der bestimmende Faktor in der Regierung sind.
In welcher Koalition setzt die SPD den Mindestlohn nach der nächsten Bundestagswahl durch?
Am liebsten ist es uns, wenn wir alleine regieren, wobei ich momentan daran nicht unbedingt glaube (lacht). Ansonsten wünschen wir uns die Grünen als Partner und dann muss man sehen, ob es eine Chance gibt, mit der FDP einen Kompromiss zu erzielen. Klar ist, dass die FDP etwa im Bereich der Steuerpolitik Teile ihrer Forderungen durchsetzen könnte. Ebenso wichtig ist aber auch, dass die SPD Teile ihrer Forderungen durchsetzen müsste. Das wäre beispielsweise ein gesetzlicher Mindestlohn.
Die Linkspartei ist auch für den gesetzlichen Mindestlohn.
Wenn wir den Wohlstand in Deutschland verspielen wollen, würden wir die Linkspartei an der Regierung beteiligen. Da das aber erklärtermaßen nicht unser Ziel ist, werden wir mit der Linkspartei keine Kooperation eingehen.
Interview: Tiemo Rink