Auch in den Umfragen erlebt die Union derzeit einen Höhenflug. Wäre am nächsten Sonntag Bundestagwahl, würden CDU und CSU 49 Prozent der Stimmen gewinnen - und so die absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag erringen. Das ergab die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des stern und des Fernsehsenders RTL. Danach legte die Union im Vergleich zur Vorwoche um vier Prozentpunkte zu. Die SPD erhält wieder 28 Prozent, die Grünen verharren auf acht Prozent. Die FDP verliert zwei Prozentpunkte und kommt auf sieben Prozent der Stimmen. Eine schwarz-gelbe Koalition hätte derzeit sogar einen Vorsprung von insgesamt zwanzig Prozentpunkten vor Rot-Grün. Die PDS scheitert mit einem Stimmenanteil von vier Prozent an der Sperrklausel.
Übermütige Konservative
Auch die jüngste Umfrage bestätigt, dass die frisch zur Kanzlerkandidatin gekürte Angela Merkel sich beste Chancen ausrechnen kann, im Herbst ins Kanzleramt einzuziehen. Allerdings muss sich die CDU-Chefin gleichzeitig bemühen, den Übermut und die Siegesgewissheit der Union zu bändigen und die Ministerpräsidenten der Union auf Linie zu halten.
Umschwung theoretisch möglich
Trotz des Riesen-Vorsprungs der Union hält Forsa-Chef Manfred Güllner einen Stimmungsumschwung theoretisch nach wie vor für möglich. Der Demoskop erinnert an die Situation zum Jahreswechsel 1993/1994, als die Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl in den Umfragen scheinbar hoffnungslos hinter SPD und Grünen zurücklag und sich dann dennoch im Amt halten konnte. "Der Vorsprung könnte aufgeholt werden," sagte Güllner stern.de - wenn es der SPD wie bei der Bundestagswahl 2002 gelänge, die frustrierten ehemaligen Wähler zu mobilisieren.
"Die vorhandene Wählerreserve der SPD könnte dazu dienen, diesen Vorsprung auszugleichen, wie 2002. Jedoch ist ein ähnliches Motivbündel wie damals derzeit nicht in Sicht", so Güllner. Gerade die früheren SPD-Wähler seien nicht nur enttäuscht wie damals, nicht nur unzufrieden wie damals, sondern ihnen fehle der Mut. "Es ist Verzagtheit festzustellen, so dass man bezweifeln muss, dass diese Anhänger den Weg zur SPD zurückfinden werden."
Siegesgewisse Union schadet FDP
Die Union dagegen, so Güllner, habe aus dem Sieg bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und der Schröderschen Entscheidung für Neuwahlen kräftig Kapital schlagen können. "Die Freude über den Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen und die Freude über die angekündigten Neuwahlen, die der Union die Perspektive eröffnen, die Regierung ein Jahr früher aus dem Amt jagen zu können als geplant - das alles hat zu einer Mobilisierung im Anhänger-Lager der Union geführt", sagt der Forsa-Chef. Zudem, so Güllner, kehrten Unions-Anhänger, die zuvor aus strategischen Gründen FDP gewählt hätten, in der Hoffnung zur Union zurück, dass diese die absolute Mehrheit erobern könnte. "Die FDP leidet ein wenig darunter, dass die Union so siegesgewiss ist", sagt Güllner.
Kandidatin fast so beliebt wie Kanzler
Aber nicht nur die Parteien CDU und CSU stehen derzeit gut da, auch die Person Angela Merkel hat im direkten Vergleich mit Bundeskanzler Gerhard Schröder enorm aufgeholt. Lag Schröder bei der Frage, wen die Deutschen lieber im Kanzleramt sehen würden, in der vergangenen Woche noch zwölf Prozentpunkte vor seiner Herausforderin (42 Prozent für Schröder, 30 für Merkel), so ist der Abstand nun auf zwei Prozentpunkte geschrumpft (40 für Schröder, 38 für Merkel).
Auch mit der Beliebtheit des Kanzlers scheint Rot-Grün derzeit nicht mehr punkten zu können. Forsa-Chef Güllner wiegelt ab: Es habe bereits Phasen gegeben, in denen Merkel bei der Kanzlerpräferenz vor Schröder gelegen habe - etwa zu der Zeit, als sie zur CDU-Chefin gewählt wurde, sagt er. "Vor allem bei der Anhängerschaft der Union hat sie jedoch Boden gut gemacht. Mehr Wähler von CDU und CSU bekennen sich nun zu ihr. Mit der Perspektive, den rot-grünen Spuk beenden zu können, nehmen die Anhänger auch die Kandidatin Merkel in Kauf", so Güllner zu stern.de.
Hoffnung auf wirtschaftliche Besserung steigt
Offenbar nährt die Ankündigung von Neuwahlen auch die Hoffnung der Bürger auf eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Lande. Glaubten in der Vorwoche noch 23 Prozent der Befragten, dass sich die Situation verbessern werde, waren es diesmal bereits 30 Prozent. Umgekehrt gehen nun nur noch 36 Prozent der Befragten davon aus, dass sich die Lage verschlechtern wird - in der Vorwoche waren es noch 43 Prozent. "In Erwartung des Regierungswechsels sind vor allem die Anhänger der Union deutlich optimistischer geworden. Das schlägt sich hier nieder," sagt Güllner.
In der Woche vom 23. bis zum 27. Mai befragte Forsa zu diesem Komplex insgesamt 2501 Bürger.
Skepsis gegenüber schwarz-gelber Wende
Im leichten Widerspruch dazu steht ein anderes Ergebnis der Forsa-Umfrage. Demnach sind die Bundesbürger skeptisch, was die Veränderungsmacht einer schwarz-gelben Bundesregierung betrifft. Hier sind die Erwartungen eher gedämpft. Die Mehrheit der Bürger geht davon aus, dass sich die eigene Lage durch einen Regierungswechsel nicht verändern wird. 65 Prozent der Befragten nehmen an, dass ihre wirtschaftliche Situation unter einer von Union und FDP geführten Regierung gleich bliebe. Mit knapp 19 Prozent rechnet fast jeder fünfte Bürger damit, dass sich seine Lage verschlechtern wird, 16 Prozent erwarten eine Besserung.
Neun Prozent liebäugeln mit Linksbündnis
Ein Linksbündnis von PDS und WASG könnte sich laut Forsa gute Chancen für einen Einzug in den Bundestag ausrechnen. Immerhin neun Prozent aller Bundesbürger können sich vorstellen, eine linke Allianz unter Führung von Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine und Gregor Gysi von der PDS zu wählen. Dabei liebäugeln in Ostdeutschland 13 Prozent der Bürger mit einer linken Allianz, in Westdeutschland sind es neun Prozent.
Für diese Erhebung befragten Forsa im Zeitraum zwischen dem 26. und dem 27. Mai insgesamt 1001 Bürger.