Gedenken an Arafat Erblast des "Präsidenten ohne Staat "

Vor einem Jahr ist Jassir Arafat in Paris gestorben. Tausende Palästinenser legten am ersten Jahrestag seines Todes in Ramallah den Grundstein für sein Mausoleum.

Am ersten Jahrestag des Todes von Jassir Arafat sind rund 2000 Palästinenser an sein Grab in Ramallah geströmt. Vor Beginn der Gedenkfeiern zum ersten Todestag des Palästinenserführers ehrten die Trauernden vier der bei den Terroranschlägen in Amman getöteten führenden Palästinenser mit einer Militärzeremonie. Die geöffneten Särge der in palästinensische Flaggen gehüllten Opfer wurden am Freitag vor dem Begräbnis in das Palästinenser-Hauptquartier, die Mukata, gebracht.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nutzte die verurteilte die Terroranschläge in Amman dabei scharf. Die Täter seien "aus den Höhlen der Vergangenheit gekommen" und Feinde der Freiheit. Zu den Attentaten hatte sich die Terrorgruppe al Kaida im Irak bekannt.

Wunsch nach letzter Ruhe in Jerusalem

Anschliessend legte Arafats Nachfolger in dem früheren Hauptquartier des Präsidenten den Grundstein für ein Mausoleum. Es soll über dem Grab Arafats errichtet und durch eine Moschee und ein Museum ergänzt werden. Arafat habe sich keinen Palast in Palästina gewünscht, sondern ein Grab in Jerusalem, sagte Abbas. "So Gott will, wird er in Jerusalem begraben."

Jassir Arafat ist am 11. November 2004 im Alter von 75 Jahren in einem Militärkrankenhaus bei Paris gestorben, wohin er zwei Wochen zuvor gebracht worden war. Er sei ein außergewöhnlicher Mann gewesen, sagte Abbas. "Präsident ohne Staat, Führer ohne Freiheit, Bürger mit nur wenig Land", sagte er. Arafat war in Ramallah im Westjordanland bestattet worden, nachdem die israelische Regierung eine Beerdigung in Jerusalem ausgeschlossen hatte.

Ein Jahr danach herrscht das "System Arafat"

Die israelische Regierung erklärte anlässlich des Todestages, die Palästinenser stünden vor der Chance, "Korruption und Terrorismus" und damit den von Arafat geschaffenen Bedingungen zu entkommen. Anders als Arafat sei Abbas davon überzeugt, "dass der Terrorismus keine Lösung ist", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. "Er folgt dem Motto 'eine Autorität, ein Gesetz, ein Sicherheitsdienst'. Aber wir sehen nicht, dass er dieses Motto in die Tat umsetzt."

Der Palästinenserführung sei es nicht gelungen, Recht und Ordnung durchzusetzen, sagt auch Mustafa Barguti, ein Oppositionsführer. Die Palästinenser verlören so die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Israel habe noch dazu beigetragen, das Chaos zu vergrößeren. "Wir können Israel aber nicht für all dies verantwortlich machen", sagt Barguti. "Meiner Meinung nach werden 90 Prozent der Gesetzesverstöße von den Sicherheitskräften selbst verübt", sagt er.

Ein Jahr nach dem Tod Jassir Arafats sind Chaos, Gewalt und Amtsmissbrauch in den palästinensischen Sicherheitskräften weiter eine Erblast. Die Nachfolger des Palästinenserpräsidenten haben das "System Arafat", - ein Netz aus konkurrierenden Sicherheitsdiensten und bewaffneten Milizen -, bisher nicht in den Griff bekommen. Deren Anführer, Offiziere und "Kriegsherren", sind die heimlichen Herrscher.

"Aber er wird in unseren Herzen lebendig bleiben"

Viele Geschäfte in Ramallah blieben aus Anlass des Gedenktages geschlossen. Sie waren mit Arafat-Porträts versehen. "Die Israelis und einige Vertreter aus westlichen Staaten versuchen, Arafat aus unserer Erinnerung zu tilgen", sagte der israelisch-arabische Abgeordnete Ahmed Tibi, der lange Jahre als Berater Arafats gearbeitet hatte. "Aber er wird in unseren Herzen lebendig bleiben."

Ramallah ist auch heute der Sitz der Palästinenser-Regierung, in deren Zentrale Arafat seine letzten Lebensjahre weitgehend unter israelischer Belagerung verbracht hat. Israel und die USA weigerten sich zuletzt Gespräche mit ihm zu führen und warfen ihm vor, die Gewalt gegen Israelis zu fördern. Mit seinem Tod verknüpfte sich deshalb auch die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses.

Der Mann mit dem karierten Kopfschmuck selbst bleibt Held und Legende. Seine Todesumstände gelten auch nach einer regierungsamtlichen Untersuchung als ungeklärt, was Gerüchte über einen Giftmord verstärkt. Seinen größten Traum konnte er sich nicht erfüllen: Ein unabhängiger Palästinenserstaat mit Jerusalem als Hauptstadt. Auch heute erheben die Palästinenser den Anspruch auf den Osten Jerusalems. Und Arafat wird die Galionsfigur dieser Forderung bleiben.

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