Selbst Greta Thunberg hält es für einen Fehler, die deutschen Atomkraftwerke Ende des Jahres abzuschalten. Allerdings versehen mit dem Hinweis: Es sei noch schlimmer, sich – wie aktuell zum Teil passiert – der Kohle zuzuwenden. Das sagte sie gestern im Interview bei Maischberger. Deutschland hat den Ausbau der erneuerbaren Energien verpennt und muss sich deshalb in der aktuellen Energiekrise fragen, wo eigentlich die Energie herkommen soll.
Nun ist seit zehn Jahren eigentlich klar: Deutschland steigt Ende 2022 aus der Atomkraft aus. Aber die aktuelle Bundesregierung streitet seit Wochen über das Wie, Russland sei Dank. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will zwei der drei noch verbliebenen AKWs für wenige Monate weiterlaufen lassen, um mögliche Stromengpässe im Frühjahr zu überbrücken – der sogenannte Streckbetrieb. Die FDP stellt sich aber quer und fordert, dass nicht nur zwei, sondern alle drei Atommeiler bis mindestens 2024 weiterbetrieben werden. Das wiederum wollen die Grünen nicht, deren Vorsitzender Omid Nouripour zuletzt im Interview mit der "taz" sagte: "Wir werden sicher keine neuen Brennstäbe und damit neuen Atommüll bestellen." Die einzige Einigkeit in dieser Debatte scheint zu sein, dass man sich uneinig ist in der Ampelkoalition.
Atomkraft gehört in Frankreich zur nationalen Identität
Ein wenig anders sieht das bei unseren Nachbar:innen in Frankreich aus. Hier gehört Atomkraft zur DNA, erklärt “stern”-Reporterin Andrea Ritter in der 381. Folge des Podcasts "heute wichtig": "In der französischen Bevölkerung bekommt man häufig zu hören: Kernenergie gehört bei uns zur Identität." Genauso unwissenschaftlich verläuft allerdings auch die Debatte zur Atomkraft in Frankreich. Das kritisiert beispielsweise der Physiker Bernard Laponche, der im Kommissariat für Atomenergie in Frankreich gearbeitet und die ersten Meiler mitgeplant hat. Ihn hat Andrea Ritter für eine Recherche zur Atomkraft getroffen: "Er sagte wortwörtlich, dass sei wie eine Religion. Es ist nahezu unmöglich, ideologiefrei über diese Technik zu reden und zu sagen: Wenn man die Folgekosten einberechnet, ist es eben keineswegs günstig." Denn der radioaktive Müll, für den auch Frankreich bisher keine gute Lösung hat, bleibt, so Ritter: "Diese Kette, die an der Atomenergie dranhängt, ist immens teuer und immens schädlich."
Zehn Energiemythen im Check: Ist Duschen wirklich sparsamer als Baden?

Tipps zum Stromsparen gibt es viele, dabei ist der Stromanteil im gesamten Energieverbrauch eines Haushalts gar nicht so hoch. Nur sechs Prozent sind es nämlich. Die Raumheizung dagegen macht satte 75 Prozent aus. Also: Wer sparen will, sollte lieber mal einen Pullover über- und die Hausschuhe anziehen und die Heizung runterdrehen, statt den Stecker zu ziehen. Schon ein Grad weniger in der Wohnung spart sechs Prozent Heizkosten.
Frankreich: abhängig vom Atomstrom
Dazu kommt: Die französischen Atommeiler sind alt und so marode, dass 27 der 56 Kraftwerke aktuell außer Betrieb sind. Deshalb ist auch Frankreich abhängig – nicht nur vom eigenen Atomstrom, sondern auch von externen Zulieferungen, so Ritter: "Frankreich hat fast überall Elektroheizungen, weil man diesen Atomstrom hat. Und günstig ist das viele Monate im Jahr, [...] im Sommer muss man hier nicht heizen. Aber jetzt werden diese Elektroheizungen hochgedreht. Dadurch wird extrem viel verbraucht und der Strom muss importiert werden." Importiert wird der Strom übrigens auch aus Deutschland. Und um die dadurch steigenden Preise zu begrenzen, hat der französische Präsident Emmanuel Macron einen Strompreisdeckel eingeführt. Summa summarum führen all diese Faktoren absurderweise dazu, dass in Deutschland die Preise für die Endverbraucher:innen sehr wohl steigen. Auch deshalb müsste sich die Bundesregierung lieber heute als morgen einig werden, wie man nun mit den verbliebenen deutschen Atommeilern verfährt.
Ihr Abo für "heute wichtig"
Verpassen Sie auch sonst keine Folge von "heute wichtig" und abonnieren Sie unseren Podcast bei: Audio Now,Spotify, Apple Podcasts, Deezer, Castbox oder in ihrer Lieblings-Podcast-App. Bei inhaltlichen Fragen oder Anregungen schreiben Sie uns an heutewichtig@stern.de.